Passend zu den mittlerweile kälteren Temperaturen hat der Bundesgerichtshof ein neues Urteil zur Frage der Haftung eines Wohnungseigentümers beim Sturz eines Mieters auf einer nicht geräumten vereisten Fläche veröffentlicht. Über frühere Urteile in diesem Zusammenhang hatten wir hier bereits berichtet.
Der Bundesgerichtshof hat nun ausgeurteilt, dass der einzelne Wohnungseigentümer für die Folgen eines Sturzes seines Mieters haftet, wenn der von der Wohnungseigentümergemeinschaft beauftragte Winterdienst trotz von der Wetterdiensten angekündigten Glatteises die Fläche nicht geräumt hat.
Was war passiert?
In dem entschiedenen Fall war die Mieterin einer Eigentumswohnung der Beklagten in einem Mehrfamilienhaus beim Verlassen des Hauses an einem Morgen im Januar 2017 auf dem zum Haus führenden Weg, der nicht vom Eis befreit war, gestürzt. Zuvor war Glatteis im Rahmen der Wettervorhersagen angekündigt worden. Dabei zog sich die Klägerin nach dem Ergebnis der vom Amtsgericht durchgeführten Beweisaufnahme erhebliche Verletzungen zu, aufgrund derer sie sich langwierigen Folgebehandlungen unterziehen musste.
Die Mieterin nahm nun ihre Vermieterin auf Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.
Für Gehwege auf dem Grundstück nimmt eine GmbH, die einen professionellen Hausmeisterdienst betreibt, im Auftrag der Wohnungseigentümergemeinschaft den Winterdienst wahr.
Das Amtsgericht Wetzlar hat der unter anderem auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes gerichteten Klage in Höhe von 12.000 € nebst Zinsen und Rechtsanwaltskosten stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen1. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht Limburg a.d. Lahn die Klage insgesamt abgewiesen2. Das Landgericht Limburg a.a. Lahn meinte, die Übertragung der Räum- und Streupflicht im Winter von der Wohnungseigentümergemeinschaft auf einen professionellen Hausmeisterdienst führe dazu, dass eine Haftung der beklagten Vermieterin nur noch in Betracht komme, wenn Überwachungs- und Kontrollpflichten in Bezug auf das ausführende Unternehmen verletzt worden seien, wofür im Streitfall nichts ersichtlich sei.
Die Entscheidung:
Dieser Wertung hat der Bundesgerichtshof nun widersprochen und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Landgericht hat nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht hinreichend in den Blick genommen, dass die Beklagte aus dem Mietvertrag heraus verpflichtet ist, die auf dem Grundstück der vermieteten Wohnung befindlichen Wege in den Wintermonaten zu räumen und zu streuen. Diese mietvertragliche Nebenpflicht besteht auch dann, wenn der Vermieter – hier die Beklagte – nicht (Allein-)Eigentümer des Grundstücks, sondern Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft ist. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts führte zu einem unterschiedlichen Schutzniveau innerhalb des Wohnraummietrechts, das sachlich nicht gerechtfertigt ist und für das es auch keine rechtsdogmatische Grundlage gibt.
Nach den bislang getroffenen Feststellungen haben die Parteien im Streitfall auch keine von dieser grundsätzlichen Verteilung der Vertragspflichten abweichende Vereinbarung getroffen, so der Bundesgerichtshof weiter. Insbesondere lässt sich dem Mietvertrag eine eindeutige Regelung dahingehend nicht entnehmen, dass die Räum- und Streupflicht der Klägerin oblegen hätte und sie deshalb im Haftungsfall keine vertraglichen Ansprüche gegen die Beklagte als Vermieterin geltend machen könnte.
Zur Erfüllung der die Beklagte demnach hinsichtlich der Beseitigung von Eis und Schnee treffenden vertraglichen Nebenpflichten konnte die Beklagte sich der GmbH, die den Winterdienst im Auftrag der Wohnungseigentümergemeinschaft ausführte, als sogenannter Erfüllungsgehilfin bedienen. Dies hat zur Folge, dass die Beklagte für das Verschulden des Winterdienstes wie für eigenes Verschulden rechtlich einzustehen hat.
Der VIII. Zivilsenat hat daher das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen treffen kann.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.08.2025 – VIII ZR 250/23