Verdacht auf Hundebiss – Maulkorbbefreiung ist dahin

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat in einem Eilverfahren entschieden, dass die Maulkorbbefreiung für einen „gefährlichen Hund“ widerrufen werden kann, wenn davon auszugehen ist, dass der Hund einen Menschen gebissen hat.

Worum ging es?

In Nordrhein-Westfalen heißt es in § 5 Abs. 2 LHundG NRW bzgl. der in der Liste der per Definitionem gefährlichen Hunde:

Außerhalb eines befriedeten Besitztums sowie in Fluren, Aufzügen, Treppenhäusern und auf Zuwegen von Mehrfamilienhäusern sind gefährliche Hunde an einer zur Vermeidung von Gefahren geeigneten Leine zu führen. Dies gilt nicht innerhalb besonders ausgewiesener Hundeauslaufbereiche. Gefährlichen Hunden ist ein das Beißen verhindernder Maulkorb oder eine in der Wirkung gleichstehende Vorrichtung anzulegen. Satz 3 gilt nicht für Hunde bis zur Vollendung des sechsten Lebensmonats.

Sodann wird eine Befreiung von der Maulkorb- und ggfls. Leinenpflicht in § 5 Abs. 3 LHundG NRW geregelt:

„Die zuständige Behörde kann für gefährliche Hunde im Sinne des § 3 Abs. 2 auf Antrag eine Befreiung von der Verpflichtung nach Absatz 2 Satz 1 und Satz 3 erteilen, wenn die Halterin oder der Halter nachweist, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht zu befürchten ist. Für die in § 11 Abs. 6 und § 2 Abs. 2 genannten Bereiche kann eine Befreiung von der Anleinpflicht nicht erteilt werden. Der Nachweis ist durch eine Verhaltensprüfung bei einer für den Vollzug des Tierschutzgesetzes zuständigen Behörde zu erbringen. § 4 Abs. 4, 5 und 6 gelten entsprechend.

Nun soll aber ein so von der Maulkorbpflicht befreiter Hund ein Kind gebissen haben.

Die Behörde hat daraufhin die Befreiung vom Maulkorbzwang widerrufen.

Der hiergegen gerichtete Eilantrag des Hundehalters hatte keinen Erfolg.

Die Entscheidung:

Gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1. Alt. 2 VwVfG NRW darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn der Widerruf im Verwaltungsakt vorbehalten ist.

Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Hundegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landeshundegesetz – LHundG NRW) i. V. m. § 5 Abs. 2 Satz 3 LHundG NRW ist Hunden der Rasse Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier und Bullterrier sowie deren Kreuzungen mit anderen Hunden, zu denen auch der Hund „F.“ der Antragstellerin (Rasse Pittbull Terrier) gehört, grundsätzlich ein das Beißen verhindernder Maulkorb oder eine in der Wirkung gleichstehende Vorrichtung anzulegen. Eine Befreiung von dieser Maulkorbpflicht ist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 LHundG NRW nur möglich, wenn die Halterin oder der Halter nachweist, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht zu befürchten ist.

Vorliegend konnte die Antragsgegnerin nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf die Befreiung von dem Maulkorbzwang aufgrund des im Bescheid vom 06.12.2024 enthaltenen Widerrufsvorbehalts widerrufen, weil die Antragstellerin nicht mehr nachweisen konnte, dass von ihrem Hund „F.“ keine Gefahr für öffentliche Sicherheit zu befürchten war.

Der einmal durch den Halter gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 LHundG NRW erbrachte Nachweis wird erschüttert, sobald ein konkreter Vorfall Anlass zu Zweifeln bietet, ob von dem betroffenen Hund Gefahren ausgehen1.

Ein derartiger Anlass zu Zweifeln bietender Vorfall ist vorliegend aktenkundig. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf ging davon aus, dass der Hund der Antragstellerin an dem betreffenden Tag ein Kind gebissen oder jedenfalls durch Zuschnappen verletzt hat. Ausweislich der Strafanzeige der Kreispolizeibehörde N. vom selben Tag hatte es an diesem Tag gegen 14:15 Uhr einen Vorfall auf der L.-straße in T. gegeben. Der Einsatz lautete „Hinweis auf eine verletzte Person durch einen Hundebiss“. Die eingesetzten Beamten stellten an der Außenseite des linken Unterschenkels des geschädigten Jungen zwei ca. 0,5 cm kleine, oberflächliche Blutflecken fest. Die Klägerin habe angegeben, dass sie mit ihrem Hund kurz spazieren gehen wollte. Als sie die Haustür verlassen habe, hätten sich auf der angrenzenden Wiese mehrere Jugendliche befunden, u.a. der Geschädigte, welche laut geschrien und sich augenscheinlich geprügelt hätten. Da der Hund sich erschrocken habe, habe er unvermittelt einen Satz in Richtung der Kinder gemacht. Zu diesem Zeitpunkt sei der Hund an einer ca. 2,5m langen Schleppleine gewesen und habe, kurz bevor er die Jugendlichen erreicht habe, zurückgezogen werden können. Die Jugendlichen seien, augenscheinlich vor Angst, von der Wiese in das angrenzende Gebüsch gesprungen, wo sich Brennnesseln und sonstige dornige Pflanzen befinden würden. Ihren Angaben nach habe der Hund keinen der Jugendlichen berührt. Die Verletzungen stammten vermutlich von dem Sprung ins Gebüsch. Der Vater des Geschädigten, der Zeuge Q. Y., gab in seiner Zeugenvernehmung bei der Kreispolizeibehörde N. am 13. Juni 2025 an, er habe Verletzungen an seinem Kind festgestellt. Im Krankenhaus habe man ihm gesagt, dass die Verletzungen von einem Hund seien. Sein Sohn habe ihm gesagt, er sei von einem Hund angefallen und am linken Schienbein gebissen worden. Darüber hinaus sei er über Unkraut und etwas Stacheliges gesprungen, daraufhin habe er sich an der Hand verletzt. Diese Verletzung stamme nicht von dem Hund. Die Verletzung an dem Schienbein sei aber von dem Hund, dieser habe ihn mit den Zähnen gebissen bzw. nach ihm geschnappt. Ausweislich des Durchgangsarztbericht vom 28. Mai 2025 sei der Geschädigte bereits am 00. Mai 0000 vorstellig gewesen nach einer Hundebissverletzung am linken Unterschenkel. Als klinischer Untersuchungsbefund wird u.A. festgehalten „kleine punktförmige Bisswunden am lateralen distalen Unterschenkel“. Die Erstdiagnose lautet u.A. „Bisswunde lateraler Unterschenkel links“.

Die Bissverletzung durch den Hund der Antragstellerin steht damit zur Überzeugung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf fest. Soweit die Antragstellerin angegeben hat, dass sie ihren Hund an der Leine habe zurückhalten können, dass ihr Hund die Kinder nicht berührt habe und die Verletzungen von dem Gebüsch stammen würden, ist diese Annahme durch die nachvollziehbaren Angaben der Zeugen und den Arztbericht widerlegt.

Aufgrund dieses aktenkundigen Vorfalls hat die Antragsgegnerin – so das Verwaltungsgerichts Düsseldorf weiter – von dem Widerrufsvorbehalt ermessensfehlerfrei Gebrauch gemacht hat, weil die Antragstellerin nicht (mehr) nachweisen konnte, dass von „F.“ keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit mehr ausgeht2 und damit die anspruchsbegründenden Tatsachen für eine Fortgeltung der Befreiung von der gesetzlichen Maulkorbplicht nicht (mehr) vorliegen. Ist der einmal durch den Halter eines gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW gefährlichen Hundes geführte Beweis – wie hier – durch den konkreten Beißvorfall erschüttert, bleibt es bei der schon kraft Gesetzes anzunehmenden Gefährlichkeit von „F.“ aufgrund ihrer Rassezugehörigkeit (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW).

Bestehen danach, so das Verwaltungsgericht Düsseldorf weiter – keine rechtlichen Bedenken gegen die angefochtene Ordnungsverfügung, fällt auch die allgemeine Interessenabwägung zum Nachteil der Antragstellerin aus. Die Belastung für die Antragstellerin ist relativ geringfügig und wegen der von ihrem Hund möglicherweise ausgehenden Gefahren jedenfalls für die Dauer des Klageverfahrens hinnehmbar; sie hat für die Antragstellerin nicht ansatzweise existenzielle Bedeutung. Hingegen hat die Öffentlichkeit ein vitales Interesse daran, vor möglichen erneuten Schadensereignissen geschützt zu werden.

Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 20.10.2025 – 14 L 3059/25

  1. OVG NRW, Beschlüsse vom 13.12.2016 – 5 A 23/15 -, vom 22.072015 – 5 A 97/15, vom 10.07.2013 – 5 B 348/13 []
  2. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 10.06.2022 – 19 L 586/22; VG Köln, Urteil vom 16.10.2003 – 20 K 3952/02 []