Strafanzeige gegen Vermieter stellt nicht automatisch einen Kündigungsgrund dar

Auch, wenn sich Vermieter und Mieter nicht immer grün sind und die ein oder andere – ggfls. auch rechtliche – Auseinandersetzung haben, ist es natürlich besonders unschön, wenn dies auch noch in Strafanzeigen mündet.

Der Bundesgerichtshof hat nun aktuell die Auffassung vertreten, dass es für die Kündigung eines Mietverhältnisses durch den Vermieter nicht ausreicht, wenn der Mieter im Rahmen einer Strafanzeige einen plausiblen Verdacht geäußert hat, dass die Straftat durch den Vermieter begangen worden sein könnte.

Aber im Einzelnen:

Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung der Klägerin. Der geschäftsführende Gesellschafter der Klägerin wohnt ebenfalls in diesem Haus.
Zwischen den Parteien kam es zu Streitigkeiten über das Vorliegen von seitens der Beklagten geltend gemachten Mängeln und Beschädigungen der Wohnung der Beklagten. Der geschäftsführende Gesellschafter der Klägerin äußerte in diesem Zusammenhang in mehreren an die Beklagte gerichteten E-Mail-Schreiben, zuletzt am 08.02.2021, Kritik an deren Verhalten. Am 09.02.2021, also einen Tag später wurden innerhalb eines kurzen Zeitraums auf den Namen der Beklagten von einem unbekannten Täter Bestellungen getätigt sowie Kreditanfragen und Anmeldungen bei Internetportalen vorgenommen. Hierbei wurden Daten der Beklagten wie etwa ihre E-Mail-Adresse, ihre Anschrift und Telefonnummer sowie ihre Bankverbindung unbefugt genutzt.

Die Beklagte erstattete daraufhin an demselben Tag über die Berliner Internetwache eine Online-Strafanzeige wegen Nachstellung und Beleidigung, in der sie ausführte, sie habe „einen Verdacht, wer dies sein könnte„, nämlich der geschäftsführende Gesellschafter der Klägerin. Sie begründete ihren Verdacht mit dem Hinweis auf die oben genannten Mietstreitigkeiten und dessen aus ihrer Sicht beleidigende und unverschämte Nachrichten. Mit Schreiben vom 24.02.2021 ergänzte sie die Angaben aus ihrer Strafanzeige und erklärte, sie gehe nach wie vor davon aus, dass ihr Vermieter dahinterstecke. Er habe sie wiederholt auf niveaulose Art gemobbt, wozu die unbefugt erfolgten Anmeldungen im Partnerportal Seitensprung, das gewählte Passwort mit vulgärem Sexualbezug und ein bestelltes Buch mit einem anzüglichen Titel passen würden. Sie halte ihn für gestört und habe Angst vor ihm. Bei ihrer polizeilichen Zeugenvernehmung am 04.03.2021 erklärte die Beklagte, ein Hausmitbewohner habe ihr gegenüber die Vermutung geäußert, dass er nicht ausschließen würde, dass es sich um den geschäftsführenden Gesellschafter der Klägerin handele.

Das Ermittlungsverfahren wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, nachdem der Täter nicht ermittelt werden konnte.

Mit Schreiben vom 01.07.2021 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wegen der Verdächtigung ihres geschäftsführenden Gesellschafters sowie wegen Beleidigungen, die die Beklagte im Rahmen der Angaben in dem Ermittlungsverfahren gegen ihn ausgesprochen habe, fristlos, hilfsweise ordentlich.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin im Hinblick auf diese Kündigung die Räumung und Herausgabe der von der Beklagten genutzten Wohnung.

Das Amtsgericht Berlin-Mitte hat der Klage stattgegeben1. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht Berlin das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen2.

Das Landgericht Berlin hat in seiner Entscheidung insbesondere auf folgendes hingewiesen:

Es könne dahinstehen, ob die Beklagte, die seit 26 Jahren – ohne sonstige nennenswerte Unstimmigkeiten der Parteien – Mieterin im Anwesen der Klägerin sei, überhaupt pflichtwidrig und schuldhaft gehandelt habe. Denn jedenfalls sei ihre Pflichtverletzung nicht hinreichend erheblich, um den Ausspruch einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung zu rechtfertigen. Die Beklagte habe nicht vorsätzlich oder leichtfertig eine falsche Anzeige erstattet. Sie habe im Hinblick auf die Vorfälle am 09.02.2021 einen sachlichen Grund gehabt, eine Strafanzeige zu stellen. Der Umstand, dass sie dabei geäußert habe, es könnte sich bei dem geschäftsführenden Gesellschafter der Klägerin um den Täter handeln, stelle keine hinreichend erhebliche Pflichtverletzung dar. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte sichere Kenntnis davon gehabt habe, dass er nicht der Täter sei. Zwischen der Beklagten und dem geschäftsführenden Gesellschafter der Klägerin habe objektiv ein Streit bestanden, den die Beklagte bei ihrer Strafanzeige geschildert und zum Anlass genommen habe, ihren Verdacht zu äußern. Auch die Benennung des weiteren Hausmitbewohners als Zeugen im Rahmen ihrer Vernehmung stelle ebenso wie die gegen den geschäftsführenden Gesellschafter der Klägerin gerichteten Äußerungen und Angaben der Beklagten im Zusammenhang mit ihrer Strafanzeige keine die Kündigung rechtfertigende erhebliche Pflichtverletzung dar.

Hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung fehle es zudem an der nach § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB erforderlichen Abmahnung, die hier nicht ausnahmsweise gemäß § 543 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BGB entbehrlich sei.

Der hilfsweise geltend gemachten ordentlichen Kündigung stehe auch die in § 4 Abs. 3 des Mietvertrags geregelte „gesetzesverstärkende Bestandsschutzklausel“ entgegen. Außerdem sei zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass eine Abmahnung nicht vorliege.

Das Landgericht Berlin hat die Revision zugelassen, die von der Klägerin auch eingelegt wurde.

Der Bundesgerichtshof hat die Klägerin indes darauf hingewiesen, dass er keine Erfolgsaussichten für ihr Begehr sieht.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Das Landgericht Berlin hat nach Auffassung des Bundesgerichtshofs rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Beklagte nicht gemäß § 546 Abs. 1 BGB, § 985 BGB zur Räumung und Herausgabe der Mietwohnung verpflichtet ist, weil das Mietverhältnis der Parteien durch die von der Klägerin erklärte Kündigung vom 01.07.2021 nicht beendet worden ist.

Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen einer außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 543 Abs. 1 BGB nicht vorliegen.
Gemäß § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt ein wichtiger Grund vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Es obliegt dabei in erster Linie dem Tatrichter, unter Bewertung und Gewichtung aller für die jeweilige Beurteilung maßgeblichen Gesichtspunkte darüber zu befinden, ob eine Unzumutbarkeit im Sinne von § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB gegeben ist. Dessen Bewertungsergebnis kann von dem Revisionsgericht nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob es auf einer rechtsfehlerfrei gewonnenen Tatsachengrundlage beruht, alle maßgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigt worden sind und der Tatrichter den zutreffenden rechtlichen Maßstab angewandt hat3.

Gemessen an diesen Maßstäben hält die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses der Klägerin nicht unzumutbar ist, einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Einen dem Berufungsgericht in dieser Hinsicht unterlaufenen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf.

Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht bei der Beurteilung, ob die Äußerung des Tatverdachts gegen den geschäftsführenden Gesellschafter der Klägerin eine die fristlose Kündigung rechtfertigende erhebliche Pflichtverletzung der Beklagten darstellt, den insoweit zu Grunde zu legenden rechtlichen Maßstab nicht verkannt.

Das Landgericht Berlin ist davon ausgegangen, dass eine Strafanzeige gegen den anderen Vertragspartner eine schwerwiegende Pflichtverletzung darstellen kann, die zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen kann. Es sei mit dem Rechtsstaatsprinzip allerdings nicht vereinbar, wenn die berechtigte Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte im Rahmen eines Strafverfahrens zu zivilrechtlichen Nachteilen führte. Eine Strafanzeige mit einer im Kern zutreffenden Sachverhaltsschilderung biete daher keinen Grund für eine fristlose Kündigung. Das Berufungsgericht ist weiter davon ausgegangen, dass eine Kündigung etwa dann berechtigt sein kann, wenn der Anzeigeerstatter vorsätzlich oder leichtfertig eine falsche Anzeige erstattet hat.

Dieser der allgemeinen Meinung in Rechtsprechung und Literatur entsprechende rechtliche Maßstab ist nicht zu beanstanden. Ob die Erstattung einer Strafanzeige einen schwerwiegenden Verstoß gegen die mietvertraglichen Pflichten darstellt, der eine fristlose (oder hilfsweise eine ordentliche) Kündigung rechtfertigt, ist – wovon auch die Revision ausgeht – unter Berücksichtigung und Abwägung aller Umstände des konkreten Einzelfalls zu beurteilen. Eine grundlos falsche Strafanzeige gegen den Vertragspartner kann hierbei einen zur Kündigung berechtigenden Umstand darstellen, ebenso wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben im Rahmen einer Strafanzeige. Bei der einzelfallbezogenen Gesamtabwägung ist auch zu berücksichtigen, ob der Anzeigeerstatter zur Wahrnehmung berechtigter eigener Interessen oder staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten gehandelt hat4.

Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht den anzuwendenden rechtlichen Maßstab nicht dadurch verkannt, so der Bundesgerichtshof weiter, dass es ausgeführt hat, die Benennung des geschäftsführenden Gesellschafters der Klägerin als Tatverdächtigen sei keine hinreichend erhebliche Pflichtverletzung und dies würde sich nur dann anders darstellen, wenn die Beklagte sichere Kenntnis davon gehabt hätte, dass es sich bei diesem nicht um den Täter gehandelt habe. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts sind Teil seiner einzelfallbezogenen Würdigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles. Das Berufungsgericht hat hiermit nicht den von ihm selbst zuvor zutreffend dargelegten rechtlichen Maßstab für die Beurteilung einer Strafanzeige als Kündigungsgrund aufgegeben und seiner Entscheidung unzutreffend zu Grunde gelegt, daß lediglich vorsätzlich, nicht jedoch leichtfertig unzutreffende Angaben im Rahmen einer Strafanzeige eine die Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung darstellen können. Dementsprechend hat es seine Einzelfallwürdigung damit eingeleitet, dass die Beklagte nicht vorsätzlich oder leichtfertig eine falsche Anzeige erstattet habe. Im Rahmen der Gesamtwürdigung hat das Berufungsgericht sodann unter den hier gegebenen Umständen eine die Kündigung rechtfertigende erhebliche Pflichtverletzung durch die Äußerung des Tatverdachts verneint, ohne den zuvor dargelegten und zutreffenden rechtlichen Maßstab zu verkennen.

Soweit die Revision vorbringt, das Berufungsgericht habe nicht beachtet, dass sich eine auf wahren Tatsachen beruhende Strafanzeige gleichwohl als schwerwiegende Vertragsverletzung darstellen könne, wenn sie Streitigkeiten aus dem Mietverhältnis zur Grundlage habe, da insoweit der Zivilrechtsweg zur Verfügung stehe, sofern nicht im Einzelfall Anlass für das Eingreifen der Strafverfolgungsbehörden bestehe und der Anzeigeerstatter dies sorgfältig geprüft habe, trifft dies schon aus tatsächlichen Gründen nicht zu. Denn eine derartige Fallgestaltung liegt hier nicht vor. Die Beklagte hat nicht versucht, eine auf dem Zivilrechtsweg zu klärende Mietstreitigkeit durch die Stellung ihrer Strafanzeige zu beeinflussen oder zu klären.

Die Strafanzeige betraf hier einen von den bestehenden, die Mangelhaftigkeit der vermieteten Wohnung betreffenden mietrechtlichen Streitigkeiten der Parteien unabhängigen Sachverhalt.

Die einzelfallbezogene Würdigung des Berufungsgerichts ist revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Zu Recht und von der Revision unangegriffen hat das Berufungsgericht entschieden, dass die Strafanzeige in Wahrnehmung berechtigter eigener Interessen erfolgte, nachdem die angezeigten Taten tatsächlich gegen die Beklagte begangen worden waren. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die hierauf aufbauende Annahme des Berufungsgerichts, dass auch die Benennung des geschäftsführenden Gesellschafters der Klägerin als Tatverdächtigen keine zur Kündigung berechtigende erhebliche Pflichtverletzung darstellte.

Die Würdigung des Berufungsgerichts ist entgegen der Auffassung der Revision insbesondere nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil es nicht geprüft hat, ob die Äußerung eines Tatverdachts gegen den geschäftsführenden Gesellschafter leichtfertig erfolgte. Wie ausgeführt, hat das Berufungsgericht nicht verkannt, dass sich eine kündigungsrelevante Pflichtverletzung nicht nur bei wissentlich falschen, sondern auch bei leichtfertig unzutreffenden Angaben im Rahmen einer Strafanzeige ergeben kann. Dementsprechend hat das Berufungsgericht bereits zu Beginn seiner Würdigung sowohl eine vorsätzlich als auch eine leichtfertig falsche Anzeige seitens der Beklagten verneint. Es hat eine erhebliche Pflichtverletzung sodann deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte keine Kenntnis von einer fehlenden Täterschaft des geschäftsführenden Gesellschafters der Klägerin hatte und die vorliegenden besonderen Umstände wie die bestehenden Meinungsverschiedenheiten zum Anlass genommen hat, ihren Verdacht zu äußern. Das Berufungsgericht ist somit gerade nicht von einer anlasslosen Verdächtigung des geschäftsführenden Gesellschafters der Klägerin ausgegangen, sondern hat diese auf Grund der vorangegangenen Vorkommnisse für nachvollziehbar und damit nicht für erheblich pflichtwidrig gehalten.

Entgegen der Auffassung der Revision ist die Verneinung einer leichtfertigen Verdächtigung auch in der Sache nicht zu beanstanden. Das diesbezügliche Vorbringen der Revision zeigt Rechtsfehler der tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts nicht auf. Auch insoweit übergangener Vortrag aus den Vorinstanzen ist nicht dargetan.

Auch wenn im Laufe des Ermittlungsverfahrens gegen den geschäftsführenden Gesellschafter der Klägerin keine Anhaltspunkte für dessen Täterschaft gefunden wurden und deshalb eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO erfolgte, war das Vorbringen des Tatverdachts gegen diesen entsprechend der rechtsfehlerfreien tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts nicht als eine leichtfertig erhobene Anschuldigung anzusehen, die eine erhebliche Pflichtverletzung darstellte. Da der Täter auf Grund der Anonymität der über das Internet begangenen Straftaten für die Beklagte nicht bekannt und auch nicht ermittelbar war, er jedoch für die Bestellungen und Anmeldungen auf den Namen der Beklagten nicht allgemein zugängliche Daten von ihr verwendete, lag es nahe, ihn im eigenen Umfeld zu vermuten, insbesondere dort, wo aktuelle Konflikte vor-lagen. Gegen eine Zufallstat eines der Beklagten unbekannten Täters und für eine persönlich motivierte Tat aus ihrem Umfeld sprach auch, dass es sich um gezielt gegen sie gerichtete Taten handelte, die ihr Schaden zufügen, zumindest aber erheblichen Ärger und Aufwand bereiten sollten, ohne dass dem Täter dadurch selbst ein Vorteil entstanden wäre.

Vor diesem Hintergrund war der Gedanke der Beklagten, der geschäftsführende Gesellschafter der Klägerin habe die Taten möglicherweise begangen, zumindest nicht abwegig.

Denn nach den Feststellungen der Vorinstanzen bestanden zwischen diesem und der Beklagten zum Zeitpunkt der Strafanzeige Meinungsverschiedenheiten, die die Ebene der Sachlichkeit überschritten und eine „persönliche Note“ erreicht hatten. Die Revision verweist insoweit zutreffend selbst auf die auch von den Vorinstanzen in Bezug genommenen E-Mails des geschäftsführenden Gesellschafters der Klägerin an die Beklagte, in denen er dieser „Besserwisserei“, „Penetranz“ und einen „bissigen Eifer“ vorgeworfen so-wie – am Vortag der Taten – geschrieben hatte, es sei nicht normal, was sie mache. Zwar ergibt sich hieraus nicht, dass der geschäftsführende Gesellschafter der Klägerin die angezeigten Taten zu Lasten der Beklagten begangen hat. Dass die Beklagte dies jedoch auf der vorgenannten Grundlage und des engen zeitlichen Zusammenhangs der Taten mit dem eskalierten Streit im Rahmen des Mietverhältnisses in Betracht gezogen hat, ist nachvollziehbar.

Zu Recht hat das Berufungsgericht bei seiner Würdigung auch berücksichtigt, dass die Beklagte bei ihrer Strafanzeige lediglich einen Tatverdacht geäußert und zu dessen Begründung auf die vorangegangenen Mietstreitigkeiten hingewiesen hat. Damit hat die Beklagte zwar einen Ermittlungsansatz geliefert, die weitere Aufklärung und die Ermittlung des Täters – deren Funktion entsprechend – jedoch in die Hände der Ermittlungsbehörden gelegt. Die Streitigkeiten zwischen ihr und dem geschäftsführenden Gesellschafter der Klägerin im Rahmen der berechtigten Strafanzeige zu verschweigen und den zumindest nicht abwegigen Tatverdacht gegen diesen nicht zu äußern, war von ihr unter den gegebenen Umständen dagegen nicht zu verlangen. Im Gegenteil war die inhaltlich zutreffende Mitteilung der privaten Streitigkeiten und ihres eigenen Tatverdachts bei der Anzeige der wahrscheinlich persönlich motivierten Taten sachgerecht und gehörte zu den bei einer Strafanzeige üblichen und zu erwartenden Angaben, da der Beklagten eine fehlende Täterschaft des geschäftsführenden Gesellschafters der Klägerin nicht bekannt war.

Ohne Erfolg verweist die Revision weiter auf das Vorbringen der Beklagten im Rahmen des Ermittlungsverfahrens, wonach sie den geschäftsführenden Gesellschafter der Klägerin für gestört halte sowie Angst vor ihm habe, sie dessen Äußerungen ihr gegenüber als bösartig und beleidigend empfunden habe und sie auf niveaulose Art gemobbt worden sei, wozu die Anmeldung in dem Partnerportal Seitensprung, das gewählte Passwort sowie der Titel des bestellten Buches passten. Es ist unerheblich, ob diese Vorwürfe – wie die Revision meint – auch unter Berücksichtigung der gegen die Beklagte gerichteten persönlichen Kritik des geschäftsführenden Gesellschafters der Klägerin unberechtigt waren. Denn dies änderte nichts daran, dass der Beklagten auf Grund der objektiv gegebenen Umstände eine leichtfertige Verdächtigung nicht vorzuwerfen ist. Die Beklagte hat durch die Äußerung ihrer Befürchtungen erkennbar lediglich ihre eigene Bewertung der Streitigkeiten und des Verhaltens des geschäftsführenden Gesellschafters der Klägerin dargestellt und nicht objektiv unwahre Behauptungen aufgestellt. Selbst wenn ihr subjektives Empfinden überzogen gewesen sein sollte, änderte dies nichts daran, dass die Benennung des geschäftsführenden Gesellschafters der Klägerin als Tatverdächtigen objektiv nachvollziehbar und nicht leichtfertig war.

Das Vorbringen der Revision, wonach weder ersichtlich noch festgestellt sei, dass nur der geschäftsführende Gesellschafter der Klägerin und nicht auch andere Personen Kenntnis von den verwendeten persönlichen Daten der Beklagten hatten, stellt das Bewertungsergebnis des Berufungsgerichts rechtlich nicht in Frage. Es ist nachvollziehbar, dass die Kenntnis des Gesellschafters von den nicht allgemein bekannten, bei den angezeigten Taten verwendeten persönlichen Daten die Beklagte in ihrem Tatverdacht, den sie auf Grund der oben genannten Umstände nicht ohne jeden Grund hegte, bestärkte, was zusätzlich gegen einen leichtfertigen Tatvorwurf spricht. Der Umstand, dass möglicherweise auch andere Personen diese Daten kannten, ändert hieran nichts.

Es kommt, so der Bundesgerichtshof weiter, auch nicht darauf an, ob der Umstand, dass der geschäftsführende Gesellschafter der Klägerin im „Start-Up/Internetbereich“ tätig sei, kein weiteres Indiz für einen Tatverdacht gegen ihn darstellt. Denn bereits auf Grund der sonstigen Gegebenheiten war die Äußerung des Tatverdachts durch die Beklagte jedenfalls nicht leichtfertig.

Es kommt auch nicht darauf an, ob die Beklagte im Rahmen der Strafanzeige den Tatverdacht als dringend bezeichnet hat. Denn es ist unerheblich, von welchem Grad der Verdächtigung die Beklagte gegenüber den Ermittlungsbehörden gesprochen hat, da sie – wie ausgeführt – den Tatverdacht an sich nicht leichtfertig erhoben hat und die etwa subjektiv von ihr empfundene und geäußerte Dringlichkeit ihres Verdachts auf die Ermittlungen keinen Einfluss hätte.

Letztlich begründet, so der Bundesgerichtshof weiter, auch der Umstand, dass die Beklagte vor der Äußerung des Tatverdachts nicht weitere Nachforschungen zur Täterschaft des geschäftsführenden Gesellschafters der Klägerin durchgeführt hat, ein leichtfertiges Handeln der Beklagten nicht. Wie ausgeführt, erfolgte dessen Benennung als Tatverdächtigen nicht ohne jegliche Anhaltspunkte. Weitere Nachforschungen durfte die Beklagte unter den hier gegebenen Umständen den dafür zuständigen Ermittlungsbehörden überlassen, ohne sich dem Vorwurf der Leichtfertigkeit auszusetzen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.08.2023 – VIII ZR 234/22

ECLI:DE:BGH:2023:080823BVIIIZR234.22.0

  1. AG Berlin-Mitte, Urteil vom 05.04.2022 – 5 C 210/21 []
  2. LG Berlin, Urteil vom 25.10.2022 – 67 S 91/22 []
  3. BGH, Urteile vom 16.12.2020 – VIII ZR 70/19, NZM 2021, 271; vom 09.11.2016 – VIII ZR 73/16, NZM 2017, 26; vom 15.04.2015 – VIII ZR 281/13, NJW 2015, 2417 []
  4. BGH, Urteil vom 21.12.1960 – VIII ZR 50/60, MDR 1961, 226; BVerfG, Beschluss vom 15.12.2008 – 1 BvR 1404/04; LG Freiburg, Beschluss vom 02.05.2019 – 3 S 266/18; LG Karlsruhe, Beschluss vom 21.03.2016 – 9 S 308/15; LG Karlsruhe, Urteil vom 17.06.2014 – 9 S 483/13; OLG München, Urteil vom 17.03.2009 – 5 U 2321/08; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., § 543 BGB Rn. 64 ff.; Siegmund in Blank/Börstinghaus/Siegmund, Miete, 7. Aufl., § 543 BGB Rn. 37; BeckOKG-BGB/Mehle, Stand: 1. April 2023, § 543 BGB Rn. 81 []

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