Der Bundesgerichtshof hat sich im Rahmen eines Rechtsstreits wegen einer Mieterhöhung mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich eine Mietminderung aufgrund einer im Mietvertrag zu groß angegebenen Fläche auf die Berechnung der Kappungsgrenze auswirkt. In diesem Zusammenhang hat sich der Bundesgerichtshof auch zu der Frage geäussert, wie die Wohnfläche bei nicht preisgebundenem Wohnraum zutreffend berechnet wird.
1.
Zunächst stellte sich in dem Rechtsstreit die Frage, wie die prozentual an der bisherigen Miete zu bestimmende Kappungsgrenze zu berechnen ist: Anhang der ursprünglich vereinbarten Miete oder der aufgrund der unzutreffenden Flächenangabe geminderten Miete.
Insofern hat der Bundesgerichtshof – anders als das Landgericht Berlin als Berufungsgericht1 – entschieden, dass sich im Verfahren der Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§ 558 Abs. 1 BGB) die der Berechnung der Kappungsgrenze (§ 558 Abs. 3 BGB) zu Grunde zu legende Ausgangsmiete auch im Falle einer Mietminderung wegen eines nicht behebbaren Mangels in Form nicht unerheblicher Wohnflächenabweichung (§ 536 Abs. 1 BGB) nach der vertraglich vereinbarten Miete bestimmt.
Im Einzelnen:
Gemäß § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB kann ein Vermieter die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete seit 15 Monaten unverändert geblieben ist. Gemäß § 558 Abs. 3 Satz 1 BGB darf sich die Miete dabei innerhalb von drei Jahren, von Erhöhungen nach §§ 559 und 560 BGB abgesehen, nicht um mehr als 20 % erhöhen (Kappungsgrenze), in den Fällen des § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB um nur 15 %.
Ausgangspunkt für die Mieterhöhung („Ausgangsmiete“) ist dabei die vertraglich vereinbarte Miete, bei späteren Änderungen nach § 557 oder § 558 BGB die zuletzt vereinbarte Miete2.
Mietminderungen (§ 536 Abs. 1 BGB) bleiben bei der für die Berechnung der Kappungsgrenze maßgebenden Ausgangsmiete nach allgemeiner Meinung grundsätzlich unberücksichtigt3. Entgegen der vom Landgericht Berlin (bezugnehmend auf Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 13. Aufl., § 558 BGB Rn. 166 f.) vertretenen Auffassung gilt bei nicht unerheblichen Wohnflächenabweichungen nichts anderes, so der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung. Insbesondere kommt es auf den Umstand, dass derartige Mängel unbehebbar sind, nicht an.
Die Ausgangsmiete ist für die Berechnung der Kappungsgrenze des § 558 BGB von Bedeutung. Diese soll verhindern, dass die Mietsteigerung in Einzelfällen ein zu starkes Ausmaß annimmt4. Sie dient mithin dazu, einen zu raschen Anstieg solcher Mieten, die bislang erheblich unter der ortsüblichen Vergleichsmiete lagen, zum Schutz der betroffenen Mieter zu vermeiden5. Gerade in diesen Fällen gewährt allein die Begrenzung einer Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§ 558 Abs. 1 Satz 1 BGB) keinen hinreichenden Schutz zugunsten des Mieters. Die Kappungsgrenze ist daher eine zweite, selbständig einzuhaltende Obergrenze für Mieterhöhungen nach § 558 BGB6 und dient dem Schutz des Mieters in wirtschaftlicher Hinsicht7.
Dieser Schutz vor einem zu raschen Anstieg seiner Zahlungspflichten orientiert sich jedoch an der Miete, zu deren Begleichung sich der Mieter vertraglich verpflichtet hat, so der Bundesgerichtshof weiter. Diese anfängliche oder während des laufenden Mietverhältnisses vereinbarte Miete hat der Mieter durch eigene Entscheidung übernommen und für sich als wirtschaftlich tragfähig angesehen. Hieran bemisst sich sein Schutz vor einer finanziellen Überforderung im Rahmen der jeweiligen Mietsteigerung.
Ohnehin wird die Wohnflächenabweichung bei der weiteren Grenze der Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete berücksichtigt. Die Größe der Wohnung (§ 558 Abs. 2 Satz 1 BGB) ist nach der tatsächlichen und nicht nach der vertraglich vereinbarten Wohnfläche zu berechnen8. Somit wird an dieser Stelle den schutzwürdigen Belangen des Mieters hinreichend Rechnung getragen und im Ergebnis vermieden, dass er eine im Verhältnis zur Wohnfläche überhöhte Miete zahlt.
Ferner steht der Herabsetzung der Ausgangsmiete infolge einer Minderung deren im Vergleich zum Mieterhöhungsverfahren unterschiedliche Zielsetzung und Rechtsfolge entgegen.
Das Mieterhöhungsverfahren gibt dem Vermieter, dem eine Kündigung des Dauerschuldverhältnisses zum Zweck der Erhöhung der Miete mit Rücksicht auf das soziale Mietrecht verwehrt ist (§ 573 Abs. 1 Satz 2 BGB), zum Ausgleich die Möglichkeit, die Miete bis maximal zur ortsüblichen Vergleichsmiete zu erhöhen und auf diese Weise eine am örtlichen Markt orientierte, die Wirtschaftlichkeit der Wohnung regelmäßig sicherstellende Miete zu erzielen9.
Hierdurch wird die vertragliche Hauptleistungspflicht des Mieters modifiziert. Demgegenüber betrifft die Minderung (§ 536 Abs. 1 BGB) Sekundärrechte des Mieters. Diese strukturellen Unterschiede stehen einer Heranziehung der Minderungsfolgen bei der Bestimmung von Primärpflichten grundsätzlich entgegen.
Denn unabhängig davon, so der Bundesgerichtshof weiter, ob der Mangel behebbar oder nicht behebbar ist, wirkt sich die Minderung auf den Vertragsinhalt nicht aus. Als Gewährleistungsrecht bewirkt sie – nur – zugunsten des Mieters eine (teilweise) Befreiung von der Entrichtung der (Brutto-)Miete, nicht jedoch eine Vertragsänderung. Die Minderung soll die mangelbedingte Herabsetzung der Gebrauchstauglichkeit ausgleichen (vgl. § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB). Sie ist Ausdruck des das Schuldrecht prägenden Äquivalenzprinzips. Durch sie soll die von den Vertragsparteien festgelegte Gleichwertigkeit zwischen den Leistungen des Vermieters – der Bereitstellung einer vertragsgemäßen Mietsache – und der Leistung des Mieters – der Mietzahlung – bei einer Störung auf der Vermieterseite wiederhergestellt werden10.
Diese Störung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses infolge der Flächenabweichung wird ausschließlich über das Gewährleistungsrecht ausgeglichen. Für eine (faktische) Vertragsanpassung, vorliegend durch Annahme einer herabgesetzten Ausgangsmiete, ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs kein Raum. Die Miete bestimmt sich nach dem Vereinbarten und nicht danach, wie sie möglicherweise – fiktiv – hätte gebildet werden können. Somit bleibt trotz der Minderung der Vertragsinhalt und damit auch die vertraglich festgelegte Miethöhe unberührt11. Ausgehend von dieser berechnet sich die Kappungsgrenze.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist der vorliegende Fall der Mieterhöhung nicht mit demjenigen der Bestimmung der Kautionshöhe (§ 551 Abs. 1 BGB) vergleichbar.
Zwar bemisst sich die Höhe der Mietsicherheit nach § 551 Abs. 1 BGB im Falle eines anfänglichen, unbehebbaren Mangels an der geminderten Miete12. Der Berechnung der Kautionshöhe liegt jedoch eine andere Intention als der Berechnung der Kappungsgrenze zugrunde. Während es bei der Kappungsgrenze – wie aufgezeigt – um den Schutz des Mieters vor einer wirtschaftlichen Überforderung durch einen zu umfangreichen Anstieg der Miete geht, zielt die Mietsicherheit auf den Schutz des Vermieters bei (späteren) Ansprüchen gegen den Mieter ab. Bei dauerhafter Mietminderung infolge einer Wohnflächenabweichung besteht kein anerkennenswertes Sicherungsinteresse des Vermieters an einer Mietkaution in Höhe des Dreifachen der vereinbarten Nettomiete.
Dieser Gedanke kann auf die Berechnung der Mieterhöhung nicht übertragen werden. Für eine vergleichbare Anpassung der Ausgangsmiete bei der Kappungsgrenze besteht zum Schutz des Mieters, wie aufgezeigt, kein Anlass.
2.
Sodann hat sich der Bundesgerichtshof zu der grundsätzlichen Frage geäussert, wie bei nicht preisgebundenem Wohnraum die Wohnfläche zu berechnen ist.
Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist der Begriff der „Wohnfläche“ im Wohnraummietrecht auch bei frei finanziertem Wohnraum grundsätzlich anhand der für den preisgebundenen Wohnraum im Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses geltenden Bestimmungen auszulegen (Bestätigung von BGH, Urteile vom 24.03.2004 – VIII ZR 44/03, NJW 2004, 2230; vom 23.05.2007 – VIII ZR 231/06, NJW 2007, 2624; vom 22.04.2009 – VIII ZR 86/08, NJW 2009, 2295)).
Eine hiervon abweichende Berechnung erfolgt unter anderem dann, wenn ein anderer Berechnungsmodus örtlich üblich ist, so der Bundesgerichtshof weiter. Eine solche maßgebende Verkehrssitte setzt voraus, dass abweichend von den sonst anwendbaren Bestimmungen – vorliegend der Wohnflächenverordnung – ein anderes Regelwerk, mithin die II. Berechnungsverordnung, die DIN 283 oder die DIN 277 insgesamt angewendet wird.
Im Einzelnen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beinhaltet die in einem Wohnraummietvertrag angegebene Wohnfläche, auch bei einer „ca.“-Angabe, im Allgemeinen zugleich eine dahingehende vertragliche Festlegung der Sollbeschaffenheit der Mietsache im Sinne einer Beschaffenheitsvereinbarung13.
Ein zur Minderung der Miete führender Mangel der Wohnung im Sinne des § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB infolge Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle (§ 536 Abs. 1 Satz 3 BGB) liegt nach der Rechtsprechung des Bundsgerichtshofs vor, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 % unter der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche liegt14.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Begriff der „Wohnfläche“ im Wohnraummietrecht auch bei frei finanziertem Wohnraum grundsätzlich anhand der für den preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen auszulegen und vorliegend aufgrund der im Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses geltenden Wohnflächenverordnung (WoFlV) zu ermitteln. Etwas anderes gilt dann, wenn die Parteien dem Begriff der Wohnfläche im Einzelfall eine abweichende Bedeutung beimessen oder ein anderer Berechnungsmodus örtlich üblich oder nach der Art der Wohnung naheliegender ist15.
Mit dem Begriff des ortsüblichen Berechnungsmodus ist eine bestehende örtliche Verkehrssitte zur Wohnflächenberechnung gemeint. Eine solche maßgebliche Verkehrssitte als eine die beteiligten Verkehrskreise untereinander verpflichtende Regel verlangt, dass sie auf einer gleichmäßigen, einheitlichen und freiwilligen tatsächlichen Übung beruht, die sich innerhalb eines angemes-senen Zeitraums für vergleichbare Geschäftsvorfälle gebildet hat und der eine einheitliche Auffassung sämtlicher beteiligten Kreise an dem betreffenden, gegebenenfalls räumlich beschränkten Geschäftsverkehr zu Grunde liegt16. Erforderlich ist somit, dass die Vorgehensweise bei Mietern und Vermietern Zustimmung gefunden hat17.
Das Landgericht Berlin hat – so der Bundesgerichtshof weiter – (letztlich) zu Recht darauf abgestellt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs18 ein abweichender örtlich üblicher Berechnungsmodus als Grundlage der Wohnflächenermittlung nur dann in Betracht kommt, wenn sich eine Verkehrssitte zur Anwendung eines anderen Regelwerkes gebildet hat. Denn die Ermittlung der Wohnfläche kann sinnvollerweise nur aufgrund eines einheitlichen, in sich geschlossenen Regelwerks vorgenommen werden, weil anderenfalls Wertungswidersprüche zumindest möglich und sachgerechte Ergebnisse nicht sichergestellt sind.
Deshalb reicht es nicht aus, dass ein erheblicher oder auch überwiegender Teil der Marktteilnehmer ein Regelwerk unzutreffend anwendet oder verschiedene Regelwerke miteinander vermischt. Ebenso wenig kommt es nach Auffassung des Bundesgerichtshofs darauf an, ob sich bezüglich der Berechnung einer Teilfläche eine bestimmte Übung der Mehrheit der Marktteilnehmer herausgebildet hat oder ob das zu dieser Frage eingeholte Gutachten nicht auf einer ausreichend repräsentativen Marktbefragung beruhte oder in den Fragebögen auf einen unzutreffenden Zeitraum abgestellt worden war.
In den vorstehend genannten Fällen besteht vielmehr kein Anlass, von dem Grundsatz abzuweichen, dass (sofern die Parteien dem Begriff der Wohnfläche nicht im Einzelfall eine andere Bedeutung beigemessen haben) das Regelwerk – insgesamt – für die Berechnung der Wohnfläche maßgeblich ist, das im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für den preisgebundenen Wohnraum anzuwenden war, hier mithin die Wohnflächenverordnung.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.04.2019 – VIII ZR 33/18
ECLI:DE:BGH:2019:170419UVIIIZR33.18.0
- LG Berlin, Urteil vom 17.01.2018 – 18 S 308/13 [↩]
- BGH, Urteil vom 10.10.2007 – VIII ZR 331/06, NJW 2008, 848 [↩]
- MünchKomm BGB/Artz, 7. Aufl., § 558 Rn. 39; Staudinger/V. Emmerich, BGB, Neubearb. 2018, § 558 Rn. 50; Erman/Dickersbach, BGB, 15. Aufl., § 558 Rn. 34; BeckOK-BGB/Schüller, Stand: 1. Februar 2019, § 558 Rn. 46 [↩]
- BT-Drs. 9/2079, S. 9 – zu § 2 Abs. 1 Nr. 3 MHG – Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen [↩]
- BT-Drs. 14/4553, S. 54, 36 – Entwurf eines Gesetzes zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts [Mietrechtsreformgesetz]; BGH, Urteil vom 28.04.2004 – VIII ZR 178/03, NJW-RR 2004, 945 [↩]
- BVerfG, Beschluss vom 04.12.1985 – 1 BvL 23/84, 1 BvL 1/85, 1 BvR 439/84, 1 BvR 652/84, BVerfGE 71, 230, 248 [↩]
- BGH, Urteil vom 18.11.2015 – VIII ZR 266/14, BGHZ 208, 18 [↩]
- BGH, Urteile vom 18.11.2015 – VIII ZR 266/14; vom 27.02.2019 – VIII ZR 255/17 [↩]
- BGH, Urteil vom 24.10.2018 – VIII ZR 52/18, NJW-RR 2019, 269 [↩]
- BGH, Urteile vom 06.04.2005 – XII ZR 225/03, BGHZ 163, 1, 6; vom 10.03.2010 – VIII ZR 144/09, NJW 2010, 1745 [↩]
- BGH, Urteile vom 21.02.2008 – III ZR 200/07, NZM 2008, 462; vom 23.06.2010 – VIII ZR 256/09, NJW 2010, 2648; vom 18.11.2015 – VIII ZR 266/14 [↩]
- BGH, Urteil vom 20.07.2005 – VIII ZR 347/04, NJW 2005, 2773 [↩]
- BGH, Urteile vom 24.03.2004 – VIII ZR 133/03, WuM 2004, 268; vom 24.03.2004 – VIII ZR 295/03, NJW 2004, 1947; vom 10.03.2010 – VIII ZR 144/09; vom 18.11.2015 – VIII ZR 266/14 [↩]
- BGH, Urteile vom 24.03.2004 – VIII ZR 295/03; vom 10.11.2010 – VIII ZR 306/09, NJW 2011, 220; vom 18.11.2015 – VIII ZR 266/14; vom 30.05.2018 – VIII ZR 220/17, NJW 2018, 2317 [↩]
- BGH, Urteile vom 24.03.2004 – VIII ZR 44/03, NJW 2004, 2230; vom
23.05.2007 – VIII ZR 231/06; vom 22.04.2009 – VIII ZR 86/08, NJW 2009, 2295 [↩] - BGH, Urteile vom 30.03.1990 – V ZR 113/89, BGHZ 111, 110, 112; vom 11.05.2001 – V ZR 492/99, NJW 2001, 2464; vom 30.09.2009 – VIII ZR 238/08, NJW 2010, 1135 [↩]
- BGH, Urteile vom 12.12.1953 – VI ZR 242/52; vom 30.03.1990 – V ZR 113/89 [↩]
- BGH, Urteil vom 23.05.2007 – VIII ZR 231/06 [↩]