Kleine Anfragen bringen vieles ans Licht

Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen hatte unter der Überschrift „Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen mangelhafter Umsetzung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinien“ eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet und führte hierzu aus:

Die Europäische Kommission hat der Bundesregierung am 29. Oktober 2009 und am 9. Oktober 2009 ihre Stellungnahmen in den Vertragsverletzungsverfahren wegen unzureichender Umsetzung dreier EU-Richtlinien gegen Diskriminierung übersandt. Die Bundesrepublik Deutschland wurde gemäß Artikel 226 Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft aufgefordert, binnen zweier Monate die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um ihren vertraglichen Pflichten nachzukommen. Anderenfalls drohen ein Klageverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof und hohe Kosten für Deutschland im Falle einer Verurteilung. Ebenso bedenklich ist der Ansehensverlust in Europa, wenn unser Land seine Verpflichtungen beim Schutz vor Diskriminierung nicht einhält.
Die EU-Kommission moniert, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) von 2006 in einer Reihe von Punkten die Richtlinie 2000/43/EG zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder ethnischen Herkunft, die Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sowie die Richtlinie76/207/EWG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen nicht ausreichend umsetzt.
Die Kommission beanstandet, dass im Bereich der Arbeitswelt die Verpflichtung zur Schaffung angemessener Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen nicht vollständig umgesetzt ist, um diesen den Zugang zu Beschäfti- gung, die Ausübung eines Berufes, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen. Die deutsche Gesetzgebung regelt dies europarechtswidrig nicht für alle Menschen mit Behinderungen, sondern lediglich für schwerbehinderte Menschen und behinderte Menschen, die diesen aufgrund behördlicher Entscheidung gleichgestellt sind. Zur Schaffung angemessener Vorkehrungen hat sich die Bundesrepublik Deutschland überdies gemäß den Artikeln 2 und 5 der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen verpflichtet.
Ebenso kritisiert die EU-Kommission die Ungleichbehandlung von Eingetragenen Lebenspartnerschaften gegenüber der Ehe im Beamten- und Soldatenrecht bei Beihilfe, Familienzuschlag und Hinterbliebenenversorgung als durch die Richtlinie 2000/78/EG verbotene Diskriminierung von Menschen mit einer be- stimmten sexuellen Ausrichtung. Zum gleichen Ergebnis kommt auch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages: Aus euro- päischem Recht folge, dass verpartnerten Beamten Entgeltleistungen wie Familienzuschlag und Hinterbliebenenversorgung zustehen (Ausarbeitung WD 3 – 447/09, S. 6).
Von der EU-Kommission wird auch beanstandet, dass Deutschland den Schutz gegen diskriminierende Kündigungen im AGG ausgespart hat. Bei den Sanktionen des AGG bemängelt die Kommission, dass entgegen der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes der Schadenersatz im Falle einer Diskriminierung nicht verschuldensunabhängig ausgestaltet ist. Der Europäische Gerichtshof habe mehrfach entschieden, dass im Arbeitsrecht grundsätzlich die Haftung des Urhebers einer Diskriminierung gesichert sein müsse.
Die „Antirassismus-Richtlinie“ 2000/43/EG sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen müssen, um den einzelnen vor Benachteiligungen zu schützen, die als Reaktion auf eine Beschwerde oder die Ein- leitung eines Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erfolgen. Die EU-Kommission sieht diesen Schutz gegen sogenannte Viktimisierung nicht ausreichend umgesetzt. Er muss über die Arbeitswelt hinaus auf andere Bereiche des Alltagslebens erstreckt werden.“

Die Antwort der Bundesregierung ist recht mager ausgefallen:

Um Menschen mit Behinderung im Bereich Beschäftigung und Beruf den Gleichbehandlungsgrundsatz zu gewährleisten, ist laut Bundesregierung ein ”System sozialrechtlicher und arbeitsrechtlicher Regelungen vollständig umgesetzt“.  Hierzu zählten insbesondere Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, des Sozialgesetzbuches, des Bürgerlichen Gesetzbuches und des Arbeitsschutzgesetzes, heißt es in der Antwort weiter.

Auf die Frage, welche Maßnahmen die Bundesregierung gegen diskriminierende Kündigungen aus Gründen der ”Rasse“ oder wegen ethnischer Herkunft getroffen habe, schreibt sie: ”Eine ordnungsgemäße Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien ist in diesem Bereich erfolgt. Diskriminierende Kündigungen sind weder im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes noch außerhalb dessen zulässig.“ Auch in anderen Bereichen, wie dem Schutz eingetragener Lebenspartnerschaften, würden für die Umsetzung der EU-Richtlinien Gesetzgebungsvorschläge vom Bundesministerium des Innern vorbereitet, schreibt die Regierung in ihrer Antwort.

Man kann nur noch gespannt sein…