Behördliche Rassebeurteilung kann auf Rassestandards privater Zuchtverbände gestützt werden

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat aktuell unter Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass die Rassebeurteilung eines Hundes, insbesondere, wenn es um die Frage geht, ob bei einer Kreuzung der Phänotyp eines gefährlichen Hundes („Listenhund“) hervortritt, auf die einschlägigen Rassestandards privater Zuchtverbände gestützt werden kann.

In dem entschiedenen Fall hatte die Stadt Solingen der Klägerin die Haltung des Hundes „Murphy“ untersagt, da es sich bei ihm um eine Kreuzung eines American Pitbull Terriers und damit um einen sogenannten gefährlichen Hund handele. Die Klägerin sei auch nicht berechtigt, einen solchen gefährlichen Hund zu halten.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte der Klage gegen die Haltungsuntersagung stattgegeben1. Es hatte zwar die Rassebeurteilung der Behörde bestätigt, aber einen Anspruch auf Haltung eines gefährlichen Hundes bejaht.

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat der hiergegen gerichteten Berufung stattgegeben, weil es keinen Anspruch auf Haltung eines gefährlichen Hundes sieht. Es hat den Fall aber auch zum Anlass genommen, seine Rechtsprechung zur Rassebeurteilung zu ändern.

Im Einzelnen:

Nach dem Landeshundegesetz sind gefährliche Hunde solche der Rassen Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier und Bullterrier und deren Kreuzungen untereinander sowie deren Kreuzungen mit anderen Hunden.

1. Die Stadt Solingen geht nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Münster bei „Murphy“ zu Recht davon aus, dass es sich um eine Kreuzung eines American Pitbull Terriers mit einem anderen Hund handelt, bei dem der Phänotyp eines American Pitbull Terriers deutlich hervortritt. Dies hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf nach einer eingehenden Rassebeurteilung zutreffend eingeschätzt. Die Rassebeurteilung kann auf die einschlägigen Rassestandards privater Zuchtverbände gestützt werden, an deren Bestimmtheit das Oberverwaltungsgericht – unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung – keine durchgreifenden Zweifel hat.

2. Die Klägerin hat aber keinen Anspruch darauf, dass ihr die Haltung des gefährlichen Hundes „Murphy“ erlaubt wird. Sie hat weder ein besonderes privates Interesse an der weiteren Haltung nachgewiesen noch kann sie sich auf ein öffentliches Interesse berufen. Angesichts der eindeutigen gesetzgeberischen Intention des Landeshundegesetzes kann ein öffentliches Interesse an der Haltung eines – allein wegen der Anknüpfung an seine Rasse (abstrakt) – gefährlichen Hundes nur in seltenen Ausnahmefällen angenommen werden. Dieses besteht nicht stets allein deshalb, um die Abgabe eines Hundes vom privaten Halter in ein Tierheim zu vermeiden.

Letzterer Punkt ist ständige Rechtsprechung. Die ausdrückliche Änderung der Rechtsprechung hinsichtlich der Rassebeurteilung ist indes überraschend.

Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 06.05.2025 – 5 A 438/22

  1. VG Düsseldorf – 18 K 7012/20 []