Zweitwohnungssteuer für berufsbedingte Nebenwohnung

Die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer auf die Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Wohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten, dessen eheliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befindet, diskriminiert nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts die Ehe und verstößt gegen Art. 6 Abs. 1 GG.

Eine Reihe von Städten und Gemeinden erheben eine Zweitwohnungsteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet. Zweitwohnung ist nach den Zweitwohnungsteuersatzungen der Städte in aller Regel jede Wohnung, die dem Eigentümer oder Mieter als Nebenwohnung neben der Hauptwohnung dient. Nach den maßgeblichen Meldegesetzen, auf die die Satzungen regelmäßig verweisen, ist Hauptwohnung die vorwiegend benutzte Wohnung. Bei einer verheirateten Person, die nicht dauernd getrennt von ihrer Familie lebt, ist nicht die von ihr, sondern die von der Familie vorwiegend benutzte Wohnung die Hauptwohnung.

Die beiden jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreichen Beschwerdeführer hatten jeweils an ihrem Beschäftigungsort in Hannover bzw. Dortmund eine Wohnung gemietet, um von dort aus werktags ihren Arbeitsplatz zu erreichen. An den Wochenenden und den arbeitsfreien Tagen wohnte jeder der Beschwerdeführer in seiner ehelichen Wohnung an einem anderen Ort. Die Landeshauptstadt Hannover
bzw. die Stadt Dortmund veranlagten die Beschwerdeführer für die Zweitwohnung am Erwerbsort zu einer Zweitwohnungsteuer. Ihre dagegen erhobenen Verfassungsbeschwerden waren erfolgreich.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Zum von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten ehelichen Zusammenleben gehört die Entscheidung der Eheleute, zusammenzuwohnen und die gemeinsame Wohnung auch bei einer beruflichen Veränderung eines Ehegatten, die mit einem
Ortswechsel verbunden ist, aufrechtzuerhalten. Ändert sich der Beschäftigungsort eines Ehegatten, so dass dieser seiner Arbeit nicht mehr von der bisherigen gemeinsamen Wohnung aus nachgehen kann, hat dies
in aller Regel nicht zur Folge, dass die gemeinsame Wohnung aufgegeben wird. Die Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Zweitwohnung ist sonach die notwendige Konsequenz der Entscheidung zu
einer gemeinsamen Ehewohnung an einem anderen Ort.

Durch die Zweitwohnungsteuer, die für den Begriff der Zweitwohnung an die melderechtlichen Vorschriften anknüpft, wird die Entscheidung steuerlich belastet, die gemeinsame eheliche Wohnung nicht aufzulösen und bei Wahrung des Fortbestands der gemeinsamen Wohnung am bisherigen Ort nur eine Zweitwohnung zu begründen. Es ist nämlich für Verheiratete ausgeschlossen, die Wohnung am Beschäftigungsort trotz deren vorwiegender Nutzung zum Hauptwohnsitz zu bestimmen und damit der Heranziehung der Zweitwohnungsteuer zu entgehen; für sie bestimmen die maßgeblichen Meldegesetze zwingend die vorwiegend genutzte Wohnung der Familie zum Hauptwohnsitz. Von der steuerlichen Belastung durch die
Zweitwohnungsteuer werden dagegen solche Personen nicht erfasst, die nicht infolge einer ehelichen Bindung von der Verlegung ihres Hauptwohnsitzes an ihren Beschäftigungsort abgehalten werden. Die
Zweitwohnungsteuer stellt daher eine besondere finanzielle Belastung des ehelichen Zusammenlebens dar.

Diese Benachteiligung ist nicht gerechtfertigt. Allein die Tatsache, dass die Steuer als Aufwandsteuer von allen Inhabern von Zweitwohnungen ungeachtet ihres Personenstandes und des Zwecks der Innehabung erhoben wird, reicht dafür nicht aus. Die formal eheneutrale Anknüpfung der Steuer ist keine hinreichende Rechtfertigung. Denn es wird, so das BVerfG, für den steuerlichen Tatbestand an ein Verhalten angeknüpft, das spezifischer Ausdruck einer verfassungsrechtlich geschützten Form des ehelichen Zusammenlebens ist.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11. Oktober 2005 – 1 BvR 1232/00 und 1 BvR 2627/03

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