Außerordentliche Kündigungen eines Arbeitsverhältnisses sind immer schwierig. Hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklagen sind häufig erfolgreich.
Nicht so aber in einem aktuellen Fall, den das Arbeitsgericht Köln zu entscheiden hatte.
Äußerungen wie „Ich schlage alles kurz und klein, Ihr Nazis, Arschlöcher, Hurensöhne, Schlampen und Wichser“ rechtfertigen eine außerordentliche Kündigung.
Worum ging es konkret?
Der zuvor ungekündigte Kläger forderte die Lohnabrechnung für 02/2024 und die Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung. woraufhin eine Mitarbeiterin der Arbeitgeberin ihm erklärte, dass die Lohnabrechnungen der Beklagten nicht vor dem 20. eines Monats vorlägen und eine Arbeitsbescheinigung nicht ausgestellt werden kann, da das Arbeitsverhältnis fortbesteht.
Der Kläger wurde sodann lauter und drohte, im Büro vorbeizukommen. Die Mitarbeiterin – eine Auszubildende – teilte ihm mit, dass sie das Telefon auf Lautsprecher stellt, damit die Zeugin M. mithören konnte.
Darauf hin äußerte der Kläger: „Wo ist das Arschloch von Geschäftsführer?“
Er drohte, ins Büro zu kommen und „alle zu ficken“.
Nachdem der Kläger dieses Telefonat beendet hatte, rief er kurz danach bei einem weiteren Mitarbeiter der Beklagten an. Der Kläger teilte dem Mitarbeiter zunächst mit, er sei bis zum 29.03.2024 krankgeschrieben.
Weiter warf der Kläger dem Mitarbeiter vor, dass die Chefs alle „Nazis“ und „Arschlöcher“ seien „wegen der Unterlagen fürs Arbeitsamt“. Er, der Kläger, werde am Montag nach Köln fahren und die „Schlampen“, „Wichser“, „Hurensöhne“ und „Nazis“ töten und alles kurz und klein schlagen.
Nachdem der Kläger dieses Telefonat durch Auflegen beendet hatte, rief er per Whats-App den Bereichsleiter der Beklagten an.
Der Kläger betitelte diesen sofort als Nazi und schrie ihn an, dass er nicht sein Neger sei und nicht für ihn arbeiten müsse. Nur weil er schwarz sei, sei er nicht der Bimbo der Beklagten. Zum Ende des Telefonates fragte er, wann er im Büro sei. Er, der Kläger, wolle zu ihm kommen und er werde dann sehen, was er davon hätte.
Im Anschluss erstatteten die betroffenen Mitarbeiter Strafanzeige.
Die anwesenden weiblichen Mitarbeiterinnen wurden während der Arbeitszeiten von einem männlichen Mitarbeiter mit dem Auto nach Hause gebracht, um sie vor etwaigen Übergriffen des Klägers zu schützen.
Unmittelbar nach diesem Vorfall erklärte die Beklagte die außerordentliche Kündigung, die zudem hilfsweise ordentlich ausgesprochen wurde.
Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage hatte keinen Erfolg.
Die Gründe:
Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Diese Prüfung erfolgt regelmäßig in zwei Schritten: Im Rahmen eines ersten Schrittes ist zu überprüfen, ob das der klagenden Partei vorgeworfene Verhalten an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen.
Im Falle der Bejahung erfolgt auf zweiter Prüfungsebene eine Interessenabwägung im Einzelfall1.
Hiernach gilt folgendes:
Beleidigungen und verbale Bedrohungen sind grundsätzlich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen2.
Im vorliegenden Fall beleidigte der Kläger Mitarbeiter sowie Repräsentanten der Beklagten in erheblichem Maße.
Die Aussagen – „Nazi“, „Arschlöcher“, Hurensöhne“, „Schlampen“, „Wichser“- waren als unstreitig zu bewerten. Ebenso unstreitig war die Bedrohungslage, die der Kläger
dadurch entstehen ließ, dass er geäußert hatte, sein Gesprächspartner „werde schon sehen, war er davon habe“ und er „alles kurz und klein schlagen“ werde.
Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben, § 138 Absatz 1 ZPO. Jede Partei hat sich über die vom Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären, § 138 Absatz 2 ZPO. Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht, § 138 Absatz 3 ZPO.
Es obliegt zunächst der darlegungsbelasteten Partei, ihr Vorbringen zu konkretisieren und zu detaillieren. Je detaillierter ihr Vorbringen ist, desto höher sind die Substantiierungs-anforderungen gemäß § 138 Absatz 2 ZPO3.
Die Beklagte schilderte konkret und im Einzelnen, mit wem der Kläger an dem betreffenden Tag zu welcher Uhrzeit sprach, wer dieses Gespräch mithörte und welche Aussagen wortgetreu getroffen wurden.
Der Kläger reagierte auf diese Einlassungen – trotz gerichtlicher Fristsetzung – nicht. Es verblieb mithin bei der pauschalen Einlassung des Klägers im Rahmen der Klageschrift, die allein Bezug nahm auf die Formulierung der Kündigung.
Angesichts des Umstandes, dass die Beklagte im Rahmen der Klageerwiderung äußerst konkret die jeweilige Situation schilderte, wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, hierauf konkret zu erwidern. Eine solche Erwiderung unterblieb. Stattdessen erfolgte kein weiterer Sachvortrag des Klägers mehr, obwohl nach den soeben dargestellten Grundsätzen eine konkrete Erwiderung erforderlich gewesen wäre.
Das dem Kläger vorgeworfenen Verhalten war mithin an sich geeignet, den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung zu rechtfertigen.
Auch die Interessenabwägung im Einzelfall ging zu Gunsten der Beklagten aus.
Bei dieser Prüfung sind regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf zu berücksichtigen.
Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses – zu erreichen4.
Im vorliegenden Fall waren die Beleidigungen des Klägers massiv und hatten Bedrohungspotential. Letzteres ließ sich ohne Weiteres, so das Arbeitsgericht Köln, daraus ableiten, dass die beiden weiblichen Mitarbeiterinnen vom Einsatzleiter mit dem Auto nach Hause gefahren wurden, um sie vor Übergriffen zu schützen. Die Bedrohung wurde also durchaus ernst genommen, was sich zudem auch aus dem Umstand ergab, dass noch am selben Tag ein Strafantrag gestellt wurde.
Der Kläger beleidigte und bedrohte auch keineswegs nur einmal. Er führte an dem betreffenden Tag insgesamt 3 Telefonate. In allen 3 Telefonaten sprach der Kläger gegenüber dem jeweiligen Gesprächspartner Beleidigungen und Bedrohungen aus. Die – wenn auch nur kurze – Zeit nach eines jeden Gespräches führte also nicht zur Beruhigung und Besinnung. Im Gegenteil: Die Vorgehensweise des Klägers schien sich zu steigern.
Ein solches Verhalten ist nicht hinzunehmen.
Insbesondere bedurfte es nach Auffassung des Arbeitsgerichts Köln keiner Abmahnung.
Die Abmahnung ist grundsätzlich bei Störungen im Verhaltens- und Leistungsbereich vorher auszusprechen. In einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise muss der Arbeitgeber seine Beanstandungen vorbringen und den Hinweis verbinden, im Wiederholungsfalle sei der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet. Entbehrlich ist eine Abmahnung dann, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden durfte. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer gar nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten sowie dann, wenn die Pflichtverletzung derart erheblich ist, dass dem Arbeitnehmer auch ohne Abmahnung hätte klar sein müssen, dass sein Verhalten vom Arbeitgeber nicht geduldet wird5.
Das Arbeitsgericht Köln ging von einer derart erheblichen Pflichtverletzung im oben genannten Sinne aus.
Der Kläger konnte nicht davon ausgehen, dass die Beklagte eine derartige Verhaltensweise dulden wird. Es hätte ihm klar sein müssen, welche Konsequenzen sein Verhalten haben wird. Ein solches Verhalten muss nicht abgemahnt werden.
Zwar waren die klägerischen Unterhaltspflichten sowie seine Betriebszugehörigkeit seit dem 21.04.2018 zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen. Angesichts der Verfehlungen führten diese Umstände jedoch im Ergebnis nicht dazu, dass die Kündigung unverhältnismäßig war.
Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 27.08.2024 – 13 Ca 1859/24
Anmerkung:
Gerade, weil außerordentliche Kündigungen schwierig sind: Lassen Sie sich rechtzeitig von spezialisierten Rechtsanwälten beraten, welche Möglichkeiten Sie haben. Wir freuen uns jedenfalls mit unserer Mandantin, dass diese Kündigung Bestand hatte.
- BAG, Urteíl vom 23.10.2014 – 2 AZR 865/13 [↩]
- BAG Urteile vom 07.07.2011 – 2 AZR 355/10; vom 18.12.2014 – 2 AZR 265/14 [↩]
- BGH, Urteil vom 28.07.2020 – VI ZR 300/18 [↩]
- BAG, Urteile vom 20.11.2014 – 2 AZR 651/13; vom 23.10.2014 – 2 AZR 865/13 [↩]
- BAG, Urteil vom 09.06.2001 – 2 AZR 381/10; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08.06.2006 – 4 Sa 231/06 [↩]