Alleinhaftung des Radfahrers bei gravierendem Verkehrsverstoß

Das Oberlandesgericht Koblenz hatte über eine Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Mainz vom 31.03.2010 – 9 O 19/07 – zu entscheiden, bei dem es um einen Unfall eines Radfahrers mit einem Lkw ging, bei dem der Radfahrer schwer verletzt wurde und Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend machte.

Der klagende Radfahrer war bei der Kollision in Worms im Oktober 2005 unter den LKW geraten und schwer verletzt worden. Der LKW-Fahrer wollte rechts abbiegen und musste in der Kurve wegen einer grünen Fußgängerampel anhalten. Als die Fußgängerampel wieder rot war, setzte der LKW-Fahrer den Abbiegevorgang fort und kollidierte mit dem Radfahrer, der zwischenzeitlich auf die Straße gefahren war. Der Verletzte und seine gesetzliche Unfallversicherung sahen ein Verschulden des LKW-Fahrers und nahmen daher diesen sowie dessen Versicherung auf Ersatz der Krankenkosten in Höhe eines Betrages von ca. 80.000,– Euro und auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 250.000,– Euro in Anspruch.

Das Landgericht Mainz wies die Klage nach Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens mit der Begründung ab, der Radfahrer habe den Unfall mit derart gravierenden Verkehrsverstößen alleine verschuldet, dass eine Haftung des LKW-Fahrers ausscheide. Insbesondere sei der Radfahrer verbotener Weise vom Gehweg auf die Straße gefahren, habe dabei keinerlei Vorsicht walten lassen und auch die rote Ampel missachtet.

Das Oberlandesgericht Koblenz hat diese Entscheidung damit begründet, daß ein Radfahrer, der grob verkehrswidrig und extrem riskant bei roter Ampel vom Gehweg auf die Straße fährt, in der Regel keinen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen den LKW-Fahrer, der beim Anfahren des LKW mit dem Radfahrer kollidiert, hat.

Der Radfahrer sei extrem riskant gefahren, als er außerhalb der Fußgängerfurt versucht habe, in einer Hakenbewegung noch vor dem LKW die Straße zu überqueren. Er sei unter Verstoß gegen § 2 StVO mit seinem Fahrrad auf dem Gehweg gefahren. Gerade deshalb hätte er bei dem Auffahren von dem Gehweg auf die Straße äußerste Vorsicht walten lassen müssen. Stattdessen sei er auf die Straße gefahren, als die Ampel wieder rot gezeigt habe und daher mit einem Anfahren des LKW zu rechnen gewesen sei.

Ein Fehlverhalten des – alkoholisierten – LKW-Fahrers könne dagegen nicht erkannt werden. Dieser habe insbesondere nicht damit rechnen können, dass ein Radfahrer vor der Fußgängerfurt die Fahrbahn überquere, obwohl die Ampel für die Fußgänger rot zeige. Aufgrund der gravierenden Verkehrsverstöße des Klägers scheide daher eine Haftung des LKW-Fahrers ganz aus.

 

Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 28. 04.2011 – 12 U 500/10

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