Verbrauchssteuerbefreiung nur bei Selbstbeförderung

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Sachen „Joustra“ sind Waren, die eine Privatperson in einem EU-Land erwirbt und in ein anderes EU-Land, etwa in sein Heimatland, verbringt, nur dann von einer dort bestehenden Verbrauchssteuer befreit, wenn er die Waren selbst von dem Erwerbsland in das Bestimmungsland befördert.

Waren, deren Besitz nicht persönlichen Zwecken dient, sind für die Anwendung der Verbrauchsteuerrichtlinie notwendigerweise als Waren anzusehen, deren Besitz gewerblichen Zwecken dient

Durch die Richtlinie über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren1 werden Waren, die Privatpersonen für ihren eigenen Bedarf erwerben und die sie selbst befördern, von Verbrauchsteuern im Einfuhrmitgliedstaat befreit.
Der Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) fragt den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach der Auslegung einiger Vorschriften dieser Richtlinie. Im vorliegenden Fall haben etwa 70 Privatpersonen eine als ?Cercle des amis du vin? genannte Gruppe gebildet. Im Namen der Gruppe bestellt Herr Joustra jedes Jahr in Frankreich Wein für seinen Eigenbedarf und für den Bedarf der übrigen Mitglieder der Gruppe. Diesen Wein lässt er dann in Frankreich von einem niederländischen Beförderungsunternehmen abholen, das ihn in die Niederlande befördert und bei Herrn Joustra zu Hause abliefert. Der Wein wird dort einige Tage gelagert, bevor er an die anderen Mitglieder der Gruppe geliefert wird. Herr Joustra zahlt den Preis für Wein und Transport; jedes Mitglied der Gruppe erstattet ihm dann den Preis, der den ihm gelieferten Weinmengen entspricht und einen Teil der Transportkosten, der proportional zu diesen Mengen berechnet wird. Herr Joustra übt diese Tätigkeit nicht berufsmäßig oder mit der Absicht der Gewinnerzielung aus.
Der von Herrn Joustra bestellte Wein wurde in Frankreich in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt und es wurde in diesem Mitgliedstaat Verbrauchsteuer entrichtet. Die den einzelnen Mitgliedern der Gruppe jeweils gelieferten Mengen überschritten nicht die Höchstmengen, die in der Richtlinie als Hinweis für die Feststellung vorgesehen sind, ob die Waren für gewerbliche Zwecke bestimmt sind, d. h. 90 Liter Wein, von denen höchstens 60 Liter Schaumwein sind.
Die niederländischen Steuerbehörden erhoben auf diesen Wein Verbrauchsteuer in Höhe von 906,20 Euro. Herr Joustra machte geltend, dass er diese Verbrauchsteuern nicht schulde. Er ist der Ansicht, dass die Formulierung ?die sie selbst befördern? in der Richtlinie deren Auslegung dahin nicht entgegenstehe, dass eine Steuererhebung im Bestimmungsmitgliedstaat ausgeschlossen sei, wenn eine Privatperson selbst verbrauchsteuerpflichtige Waren in einem anderen Mitgliedstaat kaufe und sie von einem Dritten in ihrem Auftrag und für ihre Rechnung in den Bestimmungsmitgliedstaat befördern lasse.
Der Gerichtshof stellt fest, dass die Richtlinie als Voraussetzung dafür, dass Waren im Einfuhrstaat von der Verbrauchsteuer befreit werden, verlangt, dass diese Waren dazu bestimmt sein müssen, den persönlichen Bedarf der Privatperson, die sie erworben hat, zu decken, und dass sie daher Waren ausschließt, die von einer Privatperson erworben werden, um den Bedarf anderer Privatpersonen zu decken. Außerdem müssen die betreffenden Waren von der Privatperson, die sie erworben hat, persönlich befördert werden. Andernfalls würde sich für die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ein erhöhtes Betrugsrisiko ergeben, da für die Beförderung von Waren, für die die Befreiung gilt, kein Dokument erforderlich ist.
Das in diesem Zusammenhang von der Kommission vorgebrachte Argument, dass eine solche Auslegung für die Bürger der Europäischen Union insoweit einen Rückschritt gegenüber der vor dem Inkrafttreten der Richtlinie bestehenden Sachlage darstellen würde, als u. a. Kleinsendungen nicht kommerzieller Art von einer Privatperson an eine andere Privatperson von Verbrauchsteuern im Einfuhrstaat befreit gewesen seien, überzeugt den Gerichtshof nicht. Wenn die Richtlinie in diesem Punkt eine Lücke aufweist, ist es Sache des Gemeinschaftsgesetzgebers gegebenenfalls Abhilfe zu schaffen, was dadurch bestätigt wird, dass ein Vorschlag für eine Änderung der Richtlinie dem Rat der Europäischen Union von der Kommission u. a. in der Absicht vorgelegt worden ist, die Steuerbefreiung auf Waren auszudehnen, die für die Rechnung von Privatpersonen befördert werden.
Außerdem weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Richtlinie auf dem Gedanken beruht, dass Waren, deren Besitz nicht persönlichen Zwecken dient, notwendigerweise als Waren anzusehen sind, deren Besitz gewerblichen Zwecken dient. Werden Verbrauchsteuern in dem Mitgliedstaat erhoben, in dem die Waren sich zu gewerblichen Zwecken befinden, während sie in einem ersten Mitgliedstaat bereits in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind, so wird die im erstgenannten Staat entrichtete Verbrauchsteuer rückerstattet.

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 23. November 2006 – C-5/05

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