Nachbarrechtliche Auseinandersetzungen sind ein steter Quell der Freude.
Nicht selten finden sie ihren Weg zu den Gerichten. So aktuell auch in einem Fall, den das Oberlandesgericht Hamm zu entscheiden hatte.
Dieses Mal ging es um die Blendwirkung von Dachpfannen.
In dem entschiedenen Fall waren Kläger und Beklagter Eigentümer bebauter Nachbargrundstück in Menden. Das Grundstück des Beklagten befindet sich an der südlichen Grenze des Grundstücks der Kläger.
Im Juni 2015 ließ der Beklagte das Dach seines Hauses mit hochglänzend glasierten Dachpfannen eindecken. Im Mai 2017 tauschte der Beklagte einen Großteil dieser Dachpfannen durch matt glasierte – sog. engobierte – Ziegel aus, nicht aber die im Bereich der Ortgänge und des Dachfirsts verlegten Dachpfannen.
Die Kläger hatten behauptet, dass es insbesondere in den Monaten April bis Oktober in der Zeit von 10.30 Uhr bis 15.30 Uhr und bei Vollmond in den Wintermonaten zu starken Reflexionen des Sonnenlichts sowohl durch die hochglänzend als auch die matt glasierten Dachziegel komme. Hierdurch würden sie stark geblendet, weshalb sie ihren Garten sowie Wohn- und Esszimmer nur eingeschränkt – mit gesenktem Kopf – nutzen könnten. Aus diesem Grund verlangen sie von dem Beklagten, dass er Blendwirkungen, die von dem Dach seines Gebäudes ausgehen und ihr Haus betreffen, verhindert.
Das Landgericht Arnsberg als erstinstanzliches Gericht hat der Klage teilweise stattgeben und den Beklagten dazu verurteilt, von den Dachpfannen ausgehende Blendwirkungen mit einer Leuchtdichte von 100.000 Candela pro Quadratmeter oder höher zu verhindern. Eine solche, nicht mehr zumutbare Blendwirkung gehe von den im Bereich der Ortgänge und dem Dachfirst verlegten hochglänzend glasierten Dachziegeln in dem Zeitraum April bis Oktober von 10.30 Uhr bis ca. 14.30 Uhr aus, wie der vom Landgericht Arnsberg beauftragte Sachverständige festgestellt habe.
Gegen diese Entscheidung legten die Kläger Berufung beim Oberlandesgericht Hamm ein und beantragten weiterhin, dass der Beklagte die von dem Dach seines Gebäudes ausgehenden und ihr Haus betreffenden Blendwirkungen insgesamt zu verhindern habe.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen.
Zu Recht habe nämlich das Landgericht Arnsberg einen über die erfolgte Verurteilung des Beklagen hinausgehenden Anspruch der Kläger verneint. Zwar werde durch die vom Dach des Hauses des Beklagten ausgehenden Lichtreflexionen das Grundeigentum der Kläger beeinträchtigt. Allerdings seien die Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme dazu verpflichtet, die von den engobierten Dachpfannen ausgehenden Lichtreflexionen – gemäß § 1004 Abs. 2 BGB – zu dulden, weil es sich um unwesentliche Beeinträchtigungen – im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB – handele.
Verbindliche Richtwerte, bei deren Überschreitung eine wesentliche Beeinträchtigung indiziert wäre, gebe es – soweit ersichtlich – nicht. Maßgeblich für die Beurteilung der Wesentlichkeit sei daher das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen, wobei auf die konkreten Umstände des Einzelfalls wie die Dauer der Blendwirkung, die Intensität der Lichtreflexe und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Nutzung des betroffenen Grundstücks abzustellen sei. Deshalb könne nicht schematisch von einer Erheblichkeit ab einer Lichtstärke von 100.000 Candela pro Quadratmeter ausgegangen werden, wie sie in vereinzelten landesrechtlichen Regelwerken zu der zulässigen Lichtstärke von Photovoltaikanlagen festgelegt sei, wenngleich bei deren Erreichen regelmäßig eine Wesentlichkeit vorliegen dürfte.
Nach den Feststellungen des Sachverständigen sowie den Eindrücken bei einem vom erkennenden Senat des Oberlandesgerichts Hamm im Juni 2019 durchgeführten Ortstermin könne eine wesentliche Beeinträchtigung durch die engobierten Dachpfannen in dem vorliegenden Einzelfall nicht angenommen werden. Einen solchen Ortstermin hatte das Oberlandesgericht Hamm – anders als noch das Landgericht Arnsberg – hier für notwendig gehalten, um sich einen eigenen, fundierten Eindruck vor Ort von den Auswirkungen der Lichtreflexe zu verschaffen.
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 09.07.2019 – 24 U 27/18