Es gibt nicht nur „Standard“-Treppenlifte, sondern auch solche, die z.B. aufgrund der Gestaltung eines Gebäudes an individuell gefertigten Schienen laufen, die an das konkrete Treppenhaus angepasst werden.
Ein Unternehmen, welches solche Treppenlifte vertreibt, liefert und montiert, teilte seinen Kunden mit, dass bei solchen Kurventreppenliften, da die Schienen individuell an das zu befahrende Treppenhaus angepasst würden, kein Widerrufsrecht bestünde.
Eine Verbraucherzentrale hat das beklagte Unternehmen daher auf Unterlassung in Anspruch genommen, da ein Widerrufsrecht bestehe, so dass in dem Verhalten der Beklagten ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht liege.
Das Landgericht Köln hat die Klage abgewiesen1. Das Oberlandesgericht Köln hat in der Berufungsinstanz diese Entscheidung bestätigt, da der Klägerin kein Unterlassungsanspruch zustehe, weil im Streitfall kein Widerrufsrecht des Verbrauchers bestehe2.
Der Bundesgerichtshof hat die Sache nun anders gesehen, die Entscheidungen aufgehoben und den Beklagten zur Unterlassung verurteilt.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs begründet die Werbung der Beklagten mit der Angabe, im Falle eines Kurventreppenlifts mit individuell geformten und an die Gegebenheiten vor Ort angepassten Laufschienen bestehe kein Widerrufsrecht des Verbrauchers, eine Erstbegehungsgefahr für einen Verstoß gegen die als Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG einzustufenden Vorschriften des § 312d Abs. 1 BGB und Art. 246a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB, nach denen über das nach § 312g Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrecht zu informieren ist.
Das Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 312g Abs. 1 BGB ist im Streitfall entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Köln nach Meinung des Bundesgerichtshofs nicht gemäß § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen.
Der Begriff der „Verträge zur Lieferung von Waren“ im Sinne dieser Vorschrift ist mit Blick auf Art. 16 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher dahingehend richtlinienkonform auszulegen, dass dazu Kaufverträge (§ 433 BGB) und Werklieferungsverträge (§ 650 BGB), aber weder Dienstverträge (§ 611 BGB) noch – jedenfalls im Regelfall – Werkverträge (§ 631 BGB) zählen. Die im Streitfall erfolgte Werbung ist auf den Abschluss eines § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht unterfallenden Werkvertrags gerichtet.
Für die Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen einerseits und Werkverträgen andererseits kommt es darauf an, auf welcher der Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt. Im Streitfall liegt der Schwerpunkt des angestrebten Vertrags nicht auf der mit dem Warenumsatz verbundenen Übertragung von Eigentum und Besitz am zu liefernden Treppenlift, sondern auf der Herstellung eines funktionstauglichen Werks, das zu einem wesentlichen Teil in der Anfertigung einer passenden Laufschiene und ihrer Einpassung in das Treppenhaus des Kunden besteht. Auch der hierfür, an den individuellen Anforderungen des Bestellers ausgerichtete, erforderliche Aufwand spricht daher für das Vorliegen eines Werkvertrags. Bei der Bestellung eines Kurventreppenlifts, der durch eine individuell erstellte Laufschiene auf die Wohnverhältnisse des Kunden zugeschnitten wird, steht für den Kunden nicht die Übereignung, sondern der Einbau eines Treppenlifts als funktionsfähige Einheit im Vordergrund, für dessen Verwirklichung die Lieferung der Einzelteile einen zwar notwendigen, aber untergeordneten Zwischenschritt darstellt.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.10.2021 – I ZR 96/20
Anmerkung:
Auch unabhängig von den rechtlichen Überlegungen ist diese Entscheidung zu begrüssen im Hinblick auf die in der Regel erheblichen Kosten, die der Zielgruppe – Senioren und Behinderte – durch den Einbau eines solchen Liftes entstehen und die möglicherweise bei dem Besuch eines Vertreters voreilig unterschrieben haben.
- LG Köln, Urteil vom 03.12.2019 – 81 O 72/19 [↩]
- OLG Köln, Beschluss vom 13.05.2020 – 6 U 300/19 [↩]