Ist auf den Verkauf von Messekatalogen der ermäßigte Steuersatz von 7 % anzusetzen oder die „normalen“ 19 %?
Voraussetzung für eine Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ist, dass der Schwerpunkt in der Werbung liegt. Dies hat der Bundesfinanzhof nun erneut bestätigt (wir hatten hier bereits über einen entsprechenden Fall berichtet).
Der Bundesfinanzhof hat ein Urteil des Hessischen Finanzgerichts1 aufgehoben, mit dem dieses den regulären Steuersatz von 19 % angenommen hat.
Eine Messegesellschaft hatte sich gegen die Anwendung des Regelsteuersatzes auf den Verkauf von Messekatalogen gewandt.
Nach erfolglosem Einspruchs- und Klageverfahren gab ihr der Bundesfinanzhof nun Recht.
Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit Nr. 49 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ist bei Umsätzen mit Waren der Pos. 4901 KN die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes vorgesehen. Die hier streitgegenständlichen Messekataloge sind als Erzeugnisse des graphischen Gewerbes, die nicht überwiegend Werbezwecken dienen, in diese einzureihen.
Wie der Bundesfinanzhof bereits wiederholt entschieden hat2, richtet sich die Auslegung der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG allein nach zolltariflichen Vorschriften und Begriffen, soweit die Verweisung auf den Zolltarif reicht. Die hier einschlägige Nr. 49 Buchst. a der Anlage verweist auf den Zolltarif („aus Pos. 4901 KN …“) und damit auch auf die (Abgrenzungs-)Vorschriften zu Kap. 49 KN3. Dazu gibt es die Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS), die ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen4.
Zu Pos. 4901 KN gehören Bücher, Broschüren und ähnliche Drucke, gemäß der Anm. 3 zu Kap. 49 jedoch nicht Veröffentlichungen, die überwiegend Werbezwecken dienen. Diese sind in die Pos. 4911 KN („Andere Drucke …“ bzw. dort Unterpos. 4911 10 KN „Werbedrucke und Werbeschriften, Verkaufskataloge und dergleichen“) einzureihen (Anm. 5 zu Kap. 49).
Nach ständiger Rechtsprechung darf bei der zolltariflichen Einreihung auf den Verwendungszweck einer Ware nur insoweit abgestellt werden, als im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird und er der Ware innewohnt, was sich anhand der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware bemisst5. Ob ein Buch oder eine Broschüre überwiegend Werbezwecken dient, ist somit allein anhand der Druckschrift zu beurteilen. Nicht maßgeblich ist, wie der Begriff „Werbung“ außerhalb des Zolltarifs verstanden wird. Entscheidend ist, ob ein Druck nach seiner Beschaffenheit und seiner erkennbaren Zweckbestimmung, also nach Art der Aufmachung, des Inhalts und Herausgabezwecks, soweit diese ihren Niederschlag in dem Druck gefunden haben, überwiegend Werbezwecken dient6. Dies ist der Fall, wenn der Druck überwiegend darauf ausgerichtet ist, durch zwangfreie und absichtliche Beeinflussung den Adressaten zur Erfüllung des Werbeziels, d.h. insbesondere zur Inanspruchnahme entgeltlicher Waren oder Dienstleistungen zu veranlassen7. Dabei ist nicht allein das Raumverhältnis zwischen werbendem und anderem Text bzw. Illustrationen maßgebend. Ergibt sich etwa aus der Aufmachung, dem Inhalt oder auch dem Herausgabezweck der Druckschrift, dass die Werbung im Vordergrund steht, so ließe selbst ein nennenswerter Anteil von redaktionellem Text, Suchanzeigen o.Ä. den Werbecharakter nicht entfallen. Bei Zweifeln kann indessen das Raumverhältnis bei der Beurteilung von Beschaffenheit oder Zweck der Schrift herangezogen werden.
Nach diesen Grundsätzen dienen die im Streitjahr verkauften Kataloge nicht überwiegend Werbezwecken. Es handelt sich insbesondere bei den Verzeichnissen, die dem Umfang und der Relevanz nach den wesentlichen Teil der Kataloge ausmachen, nicht um Werbung. Denn das Finanzgericht hat festgestellt, dass in ihnen keine Waren oder Dienstleistungen angepriesen werden und dass sie auch sonst nicht überwiegend darauf ausgerichtet sind, die Adressaten zur Inanspruchnahme entgeltlicher Waren oder Dienstleistungen zu veranlassen.
Zu Unrecht hat das Finanzgericht bei der Frage, ob die streitgegenständlichen Messekataloge überwiegend Werbezwecken dienen, berücksichtigt, dass sie von einer Messebetreiberin auf bzw. im Zusammenhang mit einer Messe vertrieben werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hat die Beurteilung, wie ausgeführt, allein nach dem Inhalt der Druckschrift, d.h. u.a. losgelöst von der Person des oder der Werbungtreibenden zu erfolgen. Im Übrigen ist auch die Annahme, die (Fach-)Messen, deren Kataloge streitgegenständlich sind, seien reine (einseitige) Werbeveranstaltungen, nicht zutreffend. Messen sind auch ein Nachfrageforum, ähnlich wie Anzeigenblätter, in denen auch Suchanzeigen veröffentlicht werden.
Die Feststellungen des Finanzgerichts zur (schlichten) Aufmachung und zum Inhalt der Kataloge zeigen, dass die Sachinformation in den streitgegenständlichen Katalogen überwog bzw. der „unterrichtende Charakter“ im Vordergrund stand8. Es lag in erster Linie im Interesse der (Fach-)Besucher, rasch Ansprechpartner, Telefonnummern, Lagepläne u.Ä. sowie Firmen oder Produktbereiche zu finden und, wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat, schneller zum Ziel bzw. zum jeweiligen Messestand zu gelangen, unterwegs die besuchten Aussteller „abhaken“, sich Notizen machen, sich die Mitnahme und das spätere Sortieren und Archivieren mancher Prospekte, Flyer und Visitenkarten sparen zu können. Deshalb waren sie sogar – bei Werbeschriften unüblich (wenn auch möglich) – bereit, für die Kataloge zu bezahlen, obwohl auf Messen regelmäßig kostenlos Prospekte, Kataloge etc. verteilt werden. Weshalb das Finanzgericht meint, die Schlichtheit der Darstellung – das Fehlen der zum Kauf oder Vertragsschluss motivierenden Elemente – zeige, dass der von den Ausstellern gezahlte Preis einem von den Listen ausgehenden Werbeeffekt geschuldet sein müsse, ist nicht nachvollziehbar. Auch ist nicht jede Namensnennung eines Unternehmens geeignet, dessen Absatz zu steigern.
Die Überlegung des Finanzgerichts, dass Messekataloge stets für die Messe bzw. für die Veranstalterin werben, trägt angesichts der vom Finanzgericht festgestellten Schlichtheit der Aufmachung nicht, zumal sich aus den Katalogen ggf. auch eine geringe Ausstellerzahl, das Fehlen der Branchenführer oder ähnliche „Mängel“ der Messe ergeben können.
Umstände, die darauf hindeuten, dass die streitgegenständlichen Kataloge indirekte oder versteckte Werbung im Sinne der ErlHS zu Pos. 4901 Rz 13.1 enthielten, hat das Finanzgericht nicht festgestellt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.06.2016 – VII R 12/15
- Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 08.12.14 – 7 K 1457/12 [↩]
- BFH, Urteile vom 17.08.1993 – VII R 34/93; vom 26.02.1991 – VII R 127/89; BFH, Beschluss vom 20.03.1998 – V B 138/97 [↩]
- BFH, Urteil vom 20.02.1990 – VII R 121/86 [↩]
- BFH, Urteile vom 07.07.2015 – VII R 65/13; vom 14.11.2000 – VII R 83/99 [↩]
- BFH, Urteil vom 13.01.2015 – VII R 25/13 [↩]
- BFH, Urteil vom 28.09.1988 – X R 49/81 [↩]
- BFH, Beschlüsse vom 27.10.2014 – VII B 206/13; vom 24.11.2005 – V B 197/04; BFH, Urteil vom 18.02.1997 – VII R 26/96 [↩]
- BFH, Urteil vom 10.12.1974 – VII K 2/73 [↩]