Handelt es sich bei einem sog. „Winterdienstvertrag“ um einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag? Der Bundesgerichtshof hat diese, von den Instanzgerichten unterschiedlich beurteilte Frage nun dahingehend entschieden, dass ein Werkvertrag vorliegt, wenn sich ein Unternehmer verpflichtet, eine bestimmte Fläche von Schnee- und Eisglätte freizuhalten.
In dem entschiedenen Fall verlangte die Klägerin von dem Beklagten, der Eigentümer eines Hausgrundstücks ist, Restvergütung aufgrund eines sogenannten „Reinigungsvertrages Winterdienst“. Die Klägerin hatte sich vertraglich verpflichtet, während der Zeit vom 1. November des Jahres bis zum 30. April des Folgejahres die vereinbarten Flächen gemäß den Pflichten des Straßenreinigungsgesetzes des Bundeslandes bzw. der kommunalen Satzung von Schnee freizuhalten und bei Glätte zu bestreuen. Der Beklagte hat eingewandt, dass die Klägerin die vereinbarte Leistung an näher bezeichneten Tagen nicht vollständig erbracht habe, und einen Teil der vereinbarten Vergütung einbehalten.
Die Vergütungsklage der Klägerin hatte in den Vorinstanzen1 ohne Beweisaufnahme Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, dass der Vertrag überwiegend dienstvertraglichen Charakter habe; bei Schlechtleistung sei eine Minderung der Vergütung nicht zulässig.
Auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten hat der Bundesgerichtshof das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass die Parteien einen Werkvertrag geschlossen haben.
Die Klägerin schuldete nämlich einen Erfolg. Nach der getroffenen Vereinbarung hatte sie unter Übernahme der Pflichten des Straßenreinigungsgesetzes die vereinbarten Flächen von Schnee- und Eisglätte „freizuhalten“. Die Klägerin schuldete danach ein bestimmtes Arbeitsergebnis. Es kam den Vertragsparteien darauf an, dass die vereinbarten Flächen in der Wintersaison gefahrlos benutzt werden konnten. Vertragsgegenstand war die erfolgreiche Bekämpfung von Schnee- und Eisglätte.
Das Berufungsgericht hat als entscheidend angesehen, dass die Klägerin auch die Verkehrssicherungspflicht des Beklagten übernommen hat. Um dem nachzukommen, so hat das Berufungsgericht gemeint, schulde die Klägerin vor allem die Überwachung der Wetterlage und vereinbarten Fläche, so dass der Vertrag überwiegend dienstvertraglichen Charakter habe2. Das ist nicht richtig. Die Übernahme der Verkehrssicherungspflicht ändert nichts an der Rechtsnatur des Vertrages. Diese wird maßgeblich durch den Werkerfolg geprägt, der darin besteht, dass die Gefahrenquelle beseitigt wird3. Wetterbeobachtungen und -prognosen dienen lediglich dazu, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem ein Winterdienst notwendig ist.
Das Berufungsgericht hat weiter gemeint, es spreche gegen einen Werkvertrag, dass eine Vergütung auch dann geschuldet sein solle, wenn witterungsbedingt kein Winterdienst notwendig wird. Das überzeugt nicht. Ein Werkvertrag liegt auch dann vor, wenn die Leistung des Unternehmers nur unter bestimmten Umständen zu erbringen ist. Der Einordnung eines sogenannten Winterdienstvertrages als Werkvertrag steht auch nicht entgegen, dass der Auftraggeber ein pauschales, nach Zeitabschnitten bemessenes Entgelt zu entrichten hat. Ebenso wenig ist entscheidend, dass der Vertrag auf eine bestimmte Zeitdauer angelegt ist und somit Züge eines Dauerschuldverhältnisses aufweist. Angesichts des auf einen Erfolg bezogenen Vertragszwecks kommt diesen Umständen kein entscheidendes Gewicht zu4.
Nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag des Beklagten ist die Klägerin ihrer Räumpflicht an mehreren Tagen teilweise, nämlich im Hinblick auf bestimmte Flächen, nicht bzw. nicht vollständig nachgekommen. Wie die Revision zu Recht geltend macht, ist die Vergütung deshalb herabzusetzen.
Der Beklagte hat die Minderung konkludent durch Zurückhaltung eines Teils der Vergütung erklärt.
Die Minderung richtet sich im Streitfall nach dem werkvertraglichen Sachmängelrecht (§§ 634 ff. BGB), nicht nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht (§ 326 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2, § 441 Abs. 3 BGB).
Im Grundsatz markiert die Abnahme des Werkes den maßgebenden Zeitpunkt, von dem an die Mängelrechte des Bestellers eingreifen. Der Bundesgerichtshof musste nicht entscheiden, ob dem Besteller bereits vor der Abnahme Mängelrechte gemäß § 634 BGB zustehen. Eine Abnahme des von der Klägerin geschuldeten Winterdienstes scheidet seiner Natur nach aus, vgl. auch § 646 BGB. Sinn und Zweck des Winterdienstvertrages ist es, dass der Auftragnehmer den Winterdienst versieht, ohne dass der Auftraggeber jedes Einsatzergebnis billigen soll. Der Auftraggeber soll gerade davon freigestellt werden, seinerseits die Witterung im Blick zu behalten und bei Schneefall bzw. Eisglätte am Ort der Winterdienstleistung zu erscheinen. Auch zum Ende der vereinbarten Wintersaison (30. April des Jahres) ist das Werk nicht mehr abnahmebedürftig. An einer Abnahme zu diesem Zeitpunkt besteht für den Auftraggeber kein Interesse mehr. Denn er kann die Leistung nicht mehr mit dem Ziel als nicht vertragsgerecht zurückweisen, dass eine ordnungsgemäße Erfüllung nachgeholt wird.
In den Fällen, in denen die Abnahme nach der Natur der Sache ausgeschlossen ist und der Unternehmer die Leistung in Erfüllung seiner gesamten Verbindlichkeit erbracht hat, ist es gerechtfertigt, das Mängelrecht der §§ 634 ff. BGB anzuwenden, wenn die Leistung unvollständig ist. Eine in zu geringer Menge erbrachte Leistung steht einem mangelhaften Werk gleich (§ 633 Abs. 2 S. 3 Alt. 2 BGB). Dies entspricht auch der Sicht der Gesetzesmaterialien des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, wonach es darauf ankommt, dass der Werkunternehmer die Leistung als Erfüllung seiner Pflicht erbringt5.
Danach ist die Minderung im Streitfall auf der Grundlage des werkvertraglichen Mängelrechts zu beurteilen. Die Klägerin hat sich darauf berufen, alle gebotenen Reinigungsarbeiten vorgenommen zu haben. Sie hat ihr Werk damit als vollständig erfüllt betrachtet, so dass im Fall unvollständiger Befreiung der vereinbarten Flächen von Schnee oder Eis ein Sachmangel anzunehmen ist.
Da der Besteller gemäß § 634 Nr. 3 Alt. 2, § 638 Abs. 1 S. 1 BGB mindern darf „statt zurückzutreten“, muss er dem Unternehmer im Regelfall eine Nachfrist zur Nacherfüllung setzen. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung wegen unzureichender Schnee- oder Glättebeseitigung war hier jedoch gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien aufgrund besonderer Umstände entbehrlich. Die gebotene Abwägung konnte der Bundesgerichtshof selbst vornehmen, da insoweit weitere Feststellungen nicht zu erwarten waren. Für die Auftraggeber der Klägerin steht im Vordergrund, dass sie bei Bedarf unverzüglich tätig wird. Angesichts des mit einer Nachfristsetzung notwendigerweise verbundenen Zeitverlusts ist es dem Auftraggeber nicht zuzumuten, der Klägerin zunächst eine wenn auch kurze Nachfrist zu setzen, weil in diesem Zeitraum nicht hinnehmbare Gefahren für die Gesundheit von Anwohnern, Besuchern und anderen Verkehrsteilnehmern entstehen können.
Nr. 14 der von der Klägerin verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers dahingehend beschränkt werden, dass dieser zunächst nur Nachbesserung und lediglich im Fall ihres wiederholten Fehlschlagens Herabsetzung der Vergütung verlangen kann, steht dem Minderungsbegehren nicht entgegen. Diese Formularbestimmung ist unwirksam. Nach dem Inhalt der Klausel muss der Vertragspartner der Klägerin eine Nachfrist setzen, auch wenn eine Fristsetzung gemäß § 323 Abs. 2, § 326 Abs. 5, § 636 BGB entbehrlich ist. Eine solche Formularbestimmung benachteiligt die Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil sie von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweicht (§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Das Berufungsurteil konnte somit keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da Feststellungen zum Umfang der von der Klägerin nicht erbrachten Leistungen notwendig sind, war es aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO). Der Bundesgerichtshof hat darauf hingewiesen, dass die Minderung, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln ist, § 638 Abs. 3 S. 2 BGB, § 287 Abs. 2 ZPO. Ausgehend davon, dass der Wert der vereinbarten Leistung dem wirklichen Wert entspricht, bestimmt sich die Minderung nach dem Wert des nicht erbrachten Teils. Im vorliegenden Fall bietet es sich an, so der Bundesgerichtshof, nicht erbrachte Teilleistungen im Ausgangspunkt nach Maßgabe des offen gelegten Preisgefüges des Vertrages zu bewerten6.
Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 06.06.2013 – VII ZR 355/12
- AG Wedding, Urteil vom 18.08.2011 – 17 C 433/10; LG Berlin, Urteil vom 27.04.2012 – 50 S 53/11 [↩]
- ebenso LG Hamburg, WuM 1989, 622; LG Berlin, GE 2011, 201; LG Berlin, GE 2011, 953; LG Potsdam, GE 2012, 347 [↩]
- KG, GE 1980, 1059; KG, GE 1981, 143; OLG Brandenburg, GE 2012, 1558; AG Spandau, GE 2011, 1624; AG Tempelhof-Kreuzberg, GE 2012, 407; AG Berlin-Mitte, GE 2012, 408 [↩]
- OLG Brandenburg, GE 2012, 1558 [↩]
- BT-Drs. 14/6040, S. 261 unter Hinweis auf S. 216 [↩]
- BGH, Urteil vom 14.01.2010 – VII ZR 106/08 [↩]