Verein: Auch „Rebellen“ haben Anspruch auf Mitgliederliste

Auch in Vereinen müssen die Datenschutzvorschriften eingehalten werden, da sonst Ungemach droht.

Darf aber ein Vereinsvorstand die Mitgliederliste einschliesslich der darin enthaltenen email-Adressen der Mitglieder Vereinsmitgliedern vorenthalten, wenn diese die Daten benötigen, um eine Opposition im Vorfeld einer Mitgliederversammlung aufzubauen?

Anders als die Vorinstanz, das Landgericht Dortmund1, ist das Oberlandesgericht Hamm der Auffassung, dass

  • einem Vereinsmitglied ein aus dem Mitgliedschaftsverhältnis fließendes Recht gegen den Verein auf Übermittlung einer Mitgliederliste zusteht, die auch E-Mail-Adressen der Mitglieder enthält, soweit es ein berechtigtes Interesse hat und dem keine überwiegenden Geheimhaltungsinteressen des Vereins oder berechtigte Belange der Vereinsmitglieder entgegenstehen,
  • ein berechtigtes Interesse an dem Erhalt der Mitgliederliste u. a. dann gegeben ist, wenn eine Kontaktaufnahme mit anderen Vereinsmitgliedern beabsichtigt ist, um eine Opposition gegen die vom Vorstand eingeschlagene Richtung der Vereinsführung zu organisieren und
  • ein Vereinsmitglied in dem Fall nicht auf ein vom Verein eingerichtetes Internetforum verwiesen werden kann; es ist auch nicht auf die Auskunftserteilung an einen Treuhänder beschränkt;
  • der Beitritt zu einem Verein die Vermutung begründet, auch zu der damit einhergehenden Kommunikation – auch per E-Mail – bereit zu sein;
  • die Übermittlung von Mitgliederlisten mit dem Datenschutz vereinbar ist.

 

Aber im Einzelnen:

In dem entschiedenen Fall hatte der Kläger (Mitglied des Vereins) von dem beklagen Verein die Übergabe einer Liste der Mitglieder des Vereins mit näher bezeichneten Angaben an sich selbst verlangt.

Der Kläger ist eines von etwa 5.500 Mitgliedern des Beklagten, einem eingetragenen Verein.

Die Satzung des Beklagten nimmt wiederholt auf die Möglichkeit einer Kommunikation des Beklagten mit seinen Mitgliedern per E-Mail Bezug. Eine ausdrückliche Verpflichtung der Mitglieder, eine E-Mail-Adresse mitzuteilen, sieht die Satzung des Beklagten nicht vor. Der Beklagte kommuniziert mit seinen Mitgliedern selbst auch per E-Mail. Der Beklagte stellt den Mitgliedern im Internet einen Mitgliederbereich zur Verfügung. Die Vereinsmitglieder können dort Gruppen einrichten und ihre Konzepte bzw. Vorschläge veröffentlichen. Die Einträge in diesem Bereich kontrolliert der Beklagte insofern, als er dort lediglich sachlich gehaltene Beiträge zulässt.

Der Kläger hatte in Vorbereitung der Mitgliederversammlung des Beklagten 2021 das Anliegen, mit den anderen Mitgliedern des Beklagten in Kontakt zu treten, um eine Opposition gegen das Vorgehen des Vorstands des Beklagten zu organisieren. Im Anschluss an die Mitgliederversammlung 2021 hatte er das Anliegen, mit den anderen Mitgliedern in Kontakt zu treten, um ggf. die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zu initiieren (§ 37 Abs. 1 BGB). Der Kläger verfolgt auch weiterhin das Interesse, mit den anderen Mitgliedern des Vereins im Hinblick auf die derzeitige „Vereinspolitik“ in Kontakt zu treten, um die aktuelle Meinungsbildung zu beeinflussen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe einen Anspruch auf Übermittlung einer Mitgliederliste mit Namen, Adressen und E-Mail-Adressen unmittelbar an sich – ohne die Einschaltung eines Treuhänders –, um mit den weiteren Vereinsmitgliedern eigenständig in Verbindung und Diskussion zu treten und klagte daher gegen den Verein auf Übermittlung einer Liste seiner Mitglieder bestehend aus den Vor- und Zunamen, bei juristischen Personen den Namen dieser juristischen Person, sowie die Anschriften und die E-Mail-Adressen in elektronisch verwertbarer Form.

Das Landgericht Dortmund hat die Klage abgewiesen1.

Nach Auffassung des Landgerichts Dortmund stünden dem Interesse des Klägers überwiegende Interessen des Beklagten und Belange seiner Mitglieder entgegen. Die Mitglieder könnten darauf vertrauen, nicht von anderen Mitgliedern über andere als die vom Verein bereitgestellten Kommunikationskanäle kontaktiert zu werden. Sie müssten nicht damit rechnen, dass der Beklagte ihre E-Mail-Adresse weitergeben. Die Belästigung durch E-Mail sei besonders hoch. Das ergebe sich auch aus der gesetzgeberischen Wertung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Das gelte besonders mit Blick darauf, dass bei der (vom Landgericht noch mit 7.000 angenommenen) Mitgliederzahl des Beklagten jedes Mitglied potentiell mit 7.000 E-Mails rechnen müsste. Dem Kläger gegenüber sei das nicht unbillig. Ihm stünden die Kommunikationsmöglichkeiten auf der Website des Beklagten zur Verfügung. Auch die Möglichkeit der Übermittlung der Kontaktdaten an einen Treuhänder – die der Kläger nicht beantragt habe – sei ein milderes Mittel, den berechtigten Interessen des Klägers Rechnung zu tragen. Die anderslautende Rechtsprechung, die der Kläger zitiert habe, betreffe Gesellschaften, und dort sei die Situation anders. Auf die Frage, ob der Kläger auch die Übermittlung der E-Mail-Adressen beanspruchen könne, komme es nicht an, da der Kläger schon keinen Anspruch auf die – von ihm allein begehrte – Übermittlung von Mitgliederdaten an sich selbst habe. Auch die Frage, ob die Übermittlung einer Mitgliederliste mit dem Datenschutzrecht vereinbar sei, könne dahinstehen.

Dies sieht das Oberlandesgericht Hamm anders und hat die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und den Verein verurteilt, dem Kläger eine Liste seiner Mitglieder, bestehend aus den Vor- und Zunamen, bei juristischen Personen den Namen dieser juristischen Person, sowie die Anschriften und die E-Mail-Adressen, in elektronisch verwertbarer Form zu übermitteln.

 

Warum?

Der Kläger hat einen aus dem Mitgliedschaftsverhältnis fließenden Anspruch auf Übermittlung einer Mitgliederliste mit den Vor- und Zunamen, bei juristischen Personen deren Namen, Adressen und E-Mail-Adressen der Mitglieder.

Der Kläger hat als Vereinsmitglied des Beklagten grundsätzlich einen aus der Mitgliedschaft fließenden Anspruch auf die begehrte Information. Ob der Anspruch auch analog § 810 BGB begründet werden kann, kann dahingestellt bleiben. § 810 BGB hat im Übrigen keinen abschließenden Charakter2 und steht dem mitgliedschaftlichen Auskunftsanspruch nicht entgegen.

Nach ganz h.M. in der Literatur und in der Rechtsprechung steht einem Vereinsmitglied kraft seines Mitgliedschaftsrechts ein Recht auf Einsicht in die Bücher und Urkunden des Vereins zu, wenn und soweit es ein berechtigtes Interesse darlegen kann, dem kein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse des Vereins oder berechtigte Belange der Vereinsmitglieder entgegenstehen3.

Sind die Informationen, die sich das Mitglied durch Einsicht in die Unterlagen des Vereins beschaffen kann, in einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert, kann es zum Zwecke der Unterrichtung einen Ausdruck der geforderten Informationen oder auch deren Übermittlung in elektronischer Form verlangen4.

Rechtsprechung und Literatur billigen dem einzelnen Vereinsmitglied insbesondere auch einen Anspruch auf Einsicht bzw. Herausgabe der Mitgliederliste jedenfalls dann zu, wenn es ein berechtigtes Interesse geltend machen kann5.

Unter welchen Voraussetzungen ein berechtigtes Interesse des einzelnen Vereinsmitglieds anzunehmen ist, Kenntnis von Namen und Anschriften der anderen Vereinsmitglieder zu erhalten, ist keiner abstrakt-generellen Klärung zugänglich, sondern auf Grund der konkreten Umstände des einzelnen Falls zu beurteilen. Ein solches Interesse ist jedenfalls gegeben, wenn es darum geht, das nach der Satzung oder nach § 37 BGB erforderliche Stimmenquorum zu erreichen, um von dem in dieser Vorschrift geregelten Minderheitenrecht, die Einberufung einer Mitgliederversammlung zu verlangen, Gebrauch zu machen6. Als berechtigtes Interesse hat der Bundesgerichtshof ferner anerkannt, mit der Vielzahl von Mitgliedern, von denen regelmäßig nur ein kleiner Teil an der Mitgliederversammlung teilnimmt, in Kontakt zu treten, um eine Opposition gegen die vom Vorstand eingeschlagene Richtung der Vereinsführung zu organisieren6. Dabei müssen sich die auskunftbegehrenden Mitglieder nicht auf die Möglichkeit der Kontaktaufnahme über eine Vereinszeitschrift oder ein vom Verein eingerichtetes Internetforum verweisen lassen6.

Das auskunftbegehrende Mitglied kann dabei die Auskunft über Mitgliederliste an einen von ihm eingeschalteten Treuhänder begehren6. Das auskunftbegehrende Mitglied ist indes darauf nicht beschränkt, sondern kann auch selbst Einsicht in die Mitgliederliste nehmen und Übermittlung der darin enthaltenen Informationen in elektronischer Form an sich selbst verlangen ((BGH, Beschluss vom 25.10.2010 – II ZR 219/09)).

Nach diesen Grundsätzen hat nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm der Kläger vorliegend Anspruch auf die begehrte Information, da er berechtigte Interessen geltend machen kann, denen keine überwiegenden Interessen des Beklagten oder seiner Mitglieder gegenüberstehen.

Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Überlassung einer Mitgliederliste unter Angabe auch der E-Mail-Adressen an sich selbst.

Allerdings macht der Kläger derzeit nicht mehr geltend, die Auskunft zu benötigen, um das für ein Einberufungsverlangen erforderliche Quorum gem. § 37 Abs. 1 BGB zu erreichen6. Um das Einberufungsverlangen als Mitgliedschaftsrecht wirksam ausüben zu können, muss der Kläger auch außerhalb der Mitgliederversammlung mit seinen Kon-Mitgliedern in Verbindung treten können. Dafür benötigt er deren Namen und Kontaktdaten.

Ein berechtigtes Interesse des Klägers ergibt sich jedoch daraus, dass er eine Opposition gegen die Politik des Vorstands der Beklagten organisieren möchte6. Dieses Anliegen hat der Kläger bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Hamm deutlich und plausibel zum Ausdruck gebracht. Auch das macht es erforderlich, mit den anderen Mitgliedern auch außerhalb der Mitgliederversammlung in Kontakt zu treten. Das folgt schon daraus, dass es dabei auch darum geht, Mitglieder zur Teilnahme an der Mitgliederversammlung zu motivieren und zu gewinnen.

Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse, die – vorhandenen – E-Mail-Adressen der Kon-Mitglieder zu erhalten. Bei der Bewertung von Interessen als berechtigt kommt es nicht nur darauf an, was als Mindestmaß erforderlich ist, um einen Kontakt herzustellen. Die Berechtigung eines geltend gemachten Interesses ist auch im Lichte technischer Möglichkeiten und gesellschaftlicher Gepflogenheiten zu bewerten.

Insoweit ist eingangs ganz grundsätzlich festzustellen, dass E-Mail in vielen – gerade auch geschäftlichen und behördlichen – Bereichen den Postbrief und das Telefax abgelöst hat. Das gilt nicht nur für den Bereich der Internetökonomie, sondern auch für „stationäre“ Geschäftsbereiche, etwa in der Kommunikation mit Banken, Versicherungen, Hotels, Ärzten oder Krankenhäusern. Daher hat die E-Mail-Adresse heute in vielen Bereichen mindestens denselben Stellenwert wie die postalische Adresse. Die Kommunikation per Telefax ist demgegenüber weithin ausgestorben.

E-Mail ist ein nach gesellschaftlicher Übung sehr weitgehend genutztes, jedermann mit minimalem Aufwand und praktisch ohne (monetäre) Kosten zugängliches Kommunikationsmedium. Die Kommunikation per E-Mail ist auch in der Anwendung weitgehend kostenfrei, weil (und soweit) die dafür erforderliche Infrastruktur (Computer, Internetzugang) typischerweise vorhanden oder (etwa in einem Internet-Café oder auch in öffentlichen Bibliotheken) zugänglich ist. Sie ermöglicht einen unmittelbaren Kontakt zwischen Erklärendem und Adressaten, und zwar praktisch ohne Zeitverzögerung. Gleichzeitig ermöglicht E-Mail aber auch in dem Sinne einen asynchronen Austausch, dass Erklärender und Adressat nicht zur gleichen Zeit mitwirken müssen. Hinzu kommt, dass E-Mail-Kommunikation in dem Sinne umweltfreundlich ist, dass Papier, Druck und physischer Transport entfallen; demgegenüber fallen die – freilich nicht zu leugnenden – Umweltbelastungen durch den Stromverbrauch weniger ins Gewicht. Diesem Aspekt wird in der Gesellschaft hohe Bedeutung beigemessen, und daran anknüpfend haben sich auch die Kommunikationsgepflogenheiten geändert.

Demgegenüber ist die Kommunikation im Wege der Publikation eines Beitrags in einer Vereinszeitschrift ein Aliud und insofern nicht vollständig kommensurabel. Auch eine solche Publikation ist zwar in einem weiteren Sinne ein Kommunikationsvorgang. Dieser ist aber weitergehend entindividualisiert und lädt nicht in gleichem Maße zum Dialog ein. Außerdem ist nicht sichergestellt, dass die Nachricht die gewünschten Adressaten auch erreicht. Zudem können mit einer solchen Publikation auch unerwünschte Effekte einhergehen. So werden Vereinszeitschriften vielfach auch von Dritten (Nicht-Mitgliedern) zur Kenntnis genommen. Daher müssen bei dieser Kommunikation Erwägungen wie die Außenwirkung für den Verein in Rechnung gestellt werden, die der Erklärende bei der Individualkommunikation nicht in gleichem Maße zu beachten braucht.

E-Mail unterscheidet sich auch qualitativ von der Kommunikation über ein vom Verein zur Verfügung gestelltes internetbasiertes Mitgliederforum. Auch dieses ist in höherem Maße entindividualisiert, einer Publikation vergleichbar. Hinzu kommt, dass es im Regelfall – und auch im vorliegenden Fall – in gewissem Maße kuratiert wird, etwa indem Beiträge daraufhin überprüft werden, ob sie bestimmte Standards achten oder indem Antworten auf eine Kommentarfunktion kanalisiert werden. Auch bei der E-Mail-Kommunikation wird der Nutzer freilich in der Regel gehalten sein, gewisse Kommunikationsstandards zu achten. Allerdings können diese sich – da die Kommunikationsform anders, nämlich nicht auf Publikation gerichtet ist – schon inhaltlich von jenen bei der Kommunikation über ein Mitgliederforum unterscheiden. Außerdem ist der Sanktionsmechanismus ein anderer: Bei einem Mitgliederforum erfolgt die Kuratierung durch den Verein, bei der E-Mail-Kommunikation ist die Beachtung der Kommunikationsstandards zunächst der Eigenverantwortung des Nutzers anheimgestellt (und ggf. durch eine persönliche Haftung sanktioniert). Damit ist auch ein solcher Kommunikationsweg ein Aliud zur E-Mail-Kommunikation, die vollständig individualisiert und direkt erfolgt oder jedenfalls erfolgen kann. E-Mail-Kommunikation belässt den Grad der Individualisierung in der Hand des Nutzers. Auch der Bundesgerichtshof hat anerkannt, dass „die den Vereinsmitgliedern zur Verfügung stehenden vereinsinternen Foren (…) keine – einer Kontaktaufnahme mit den übrigen Vereinsmitgliedern über einen Treuhänder gleichwertige – Möglichkeit“ bieten, ihr Mitgliedschaftsrecht auszuüben7.

Der Kläger hat – so das Oberlandesgericht Hamm weiter – auch ein berechtigtes Interesse daran, selbst eine Mitgliederliste zu erhalten und nicht nur einen Mittler darin Einsicht nehmen bzw. disponieren (E-Mail-Versand) lassen zu können. So hat der Kläger plausibel dargelegt, dass er möglicherweise nicht sämtliche, sondern nur einige Vereinsmitglieder kontaktieren möchte. Dabei kann er etwa auch ein Interesse daran haben, die zu kontaktierenden Mitglieder nach bestimmten, aus der Mitgliederliste ersichtlichen Gesichtspunkten auszuwählen. Z.B. mag er Adressaten nach regionalen Gesichtspunkten auswählen, die für die (Präsenz-)Teilnahme an der Mitgliederversammlung von Bedeutung sind. Er mag – je nach Vereinsgegenstand – auch ein Interesse haben, nach z.B. aus den Namen erkennbaren Gesichtspunkten wie Alter, Herkunft und Geschlecht auszuwählen. Dies zu bewerten ist weder Sache des Vereins noch des Gerichts, sondern privatautonome Entscheidung des Mitglieds. Die Einschaltung eines Mittlers kann zudem nicht unerhebliche Kosten verursachen, die der Wahrnehmung des Mitgliedschaftsrechts auf Teilnahme an der Meinungsbildung entgegenstehen können.

Man kann insoweit den ihm für die (elektronische) Übermittlung der Mitgliederliste entstehenden Aufwand in Rechnung stellen. Bei einem Verein der Größe des Beklagten ist aber davon auszugehen, dass die Mitgliederliste schon aus vereinsrechtlichen Gründen in professioneller Weise aktuell geführt wird und daher unschwer zur Verfügung steht. Bei den gegebenen Möglichkeiten der Datenverarbeitung ist die Übermittlung daher mit nur minimalem Arbeits-, Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Das gilt auch dann, wenn man erwägt, dass die Mitgliederliste noch aufzubereiten sein könnte, soweit sie nicht zu übermittelnde Angaben (wie beispielsweise die Geburtsdaten oder Kontonummern) der Mitglieder enthalten. Die dafür erforderliche Löschung einzelner Spalten einer Tabelle erfordert ebenfalls nur minimalen Aufwand. Vertretbar ist schließlich auch der für die – wohl gebotene – Prüfung der Mitgliederliste vor der Weitergabe erforderliche Aufwand.

Der Beklagte beruft sich denn auch auf die Interessen seiner übrigen Mitglieder. Insoweit hat das Landgericht Dortmund auf das „Vertrauen“ abgestellt, keine E-Mails von den anderen Mitgliedern zu erhalten. In anderer Formulierung heißt es in seinem Urteil, die Mitglieder hätten nicht mit der Weitergabe ihrer Daten „rechnen“ müssen. Darin liegt indes eine petitio principii, da es gerade um die Frage geht, ob ein solches Vertrauen begründet ist.

Richtigerweise kann es daher, so das Oberlandesericht Hamm, nur darum gehen, dass Mitglieder keine E-Mails von anderen Mitgliedern erhalten wollen. Zur Begründung, dass die (übrigen) Vereinsmitglieder nicht „belästigt“ werden wollten, zieht das Landgericht die Wertung von § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG heran. Nach dieser Vorschrift ist „[e]ine unzumutbare Belästigung stets anzunehmen (…) 2. bei Werbung unter Verwendung (…) elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt“. Dieser Begründungsansatz trägt jedoch nicht. Erstens geht es bei dem dort perhorreszierten Verhalten um ein solches außerhalb der Sonderverbindung. Das Mitgliedschaftsverhältnis begründet eine solche jedoch8. Darauf hat auch der Bundesgerichtshof hingewiesen: „Die Vereinsmitglieder sind mit ihrem Beitritt zum Beklagten, der einen bestimmten Zweck verfolgt (…), in eine gewollte Rechtsgemeinschaft zu den anderen, ihnen weitgehend unbekannten Mitgliedern des Beklagten getreten (…)6. Und zweitens ist dort vorausgesetzt, was gerade zu klären ist, nämlich dass eine Form der Konsentierung fehlt.

Damit geht es um die Frage, ob die (übrigen) Mitglieder wünschen, von Kon-Mitgliedern in Vereinsangelegenheiten nicht kontaktiert zu werden. Dafür, dass dies bei einer größeren Zahl der Mitglieder der Fall sein könnte, gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt. Der Beklagte hat das nicht vorgetragen (sondern nur seine eigene Interessenbewertung). Und anders als das Landgericht meint, kann das auch nicht normativ vorausgesetzt werden. Im Gegenteil begründet die eigenverantwortliche Entscheidung jedes Mitglieds, einem Verein beizutreten, die Vermutung, auch zu der damit einhergehenden Kommunikation bereit zu sein. Soweit der Vorstandsvorsitzende des Beklagten im Senatstermin erklärt hat, einige wenige Mitglieder hätten sich gegen die Weitergabe ihrer E-Mail-Adressen ausgesprochen und für den Fall des Verstoßes mit Klagen gedroht, steht dies dem berechtigten Interesse des Klägers an der Übermittlung der E-Mail-Adressen im Übrigen nicht entgegen.

Allerdings man davon ausgehen, dass niemand unbegrenzt und zu jedem Thema E-Mails erhalten möchte. Es ist gerichtsbekannt, dass die Überschwemmung mit unerwünschten E-Mails eine Plage unserer Zeit ist. Darum geht es indes nicht. In Rede steht allein die Kontaktierung per E-Mail durch einzelne Mitglieder in Vereinsangelegenheiten.

Insbesondere lässt sich das Ausmaß der drohenden Belästigung – entgegen der Ansicht des Landgerichts Dortmund und auch des Amtgserichts Itzehoe9 – nicht dadurch bestimmen, dass man schlicht die Zahl der Mitglieder heranzieht und unterstellt, wenn dem Klagebegehren stattgegeben würde, würden künftig alle Mitglieder von dem entsprechenden Recht Gebrauch machen und sodann jedes Mitglied jedem andere kurzfristig eine E-Mail schicken. Das widerspricht aller Lebenserfahrung. Tatsächlich hat der Vorstandsvorsitzende des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch mitgeteilt, dass kein weiterer Antrag auf Übermittlung der Mitgliederliste vorliegt. Freilich ist nicht auszuschließen, dass eine Praxis, wenn sie einmal bekannt wird, künftig zu einem Problem führen kann. Das kann indes die Interessen für den vorliegenden Fall nicht bestimmen. Wenn sich ein Übermaß an E-Mails einstellen würde, lägen die Dinge anders und wären die Interessen anders zu bestimmen. Derzeit ist dafür – oder für eine realistische Wahrscheinlichkeit, dass sich ein solches Drohszenario realisieren würde – nichts ersichtlich.

Zu berücksichtigen ist im Übrigen, dass die Belästigung durch unerwünschte E-Mails in diesem Fall nur verhältnismäßig geringes Gewicht hat. Eine Belästigung durch unerwünschte E-Mails außerhalb der Sonderverbindung rührt zu einem nicht unerheblichen Teil daher, dass der Adressat mit dem Thema nichts zu tun haben möchte (so im Fall von § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG: Werbung), dass er sich mangels Verbindung zu dem Absender belästigt fühlt und dass er unlautere oder sogar feindselige Motive und Handlungen besorgen muss (Betrug, Phishing, Viren u.dgl.). Dem Kläger geht es indessen nur um die Kontaktaufnahme im Rahmen der Vereins-Sonderverbindung und in Vereinsangelegenheiten. Hier besteht die durch den Vereinsbeitritt begründete (normative) Vermutung, dass sich die Kon-Mitglieder für den Inhalt interessieren. Die Besorgnis der Bedrohung kommt nicht auf. Und nicht zuletzt hat der Adressat auch hier die Möglichkeit, sich die von ihm empfundene Belästigung mit einem Mausklick zu beenden, nämlich durch Löschen der E-Mail.

Außerdem haben die Mitglieder die Möglichkeit, sich vor einer wahrgenommenen Belästigung mit einfachen Mitteln zu schützen. Soweit nicht im Einzelfall eine Pflicht zur Angabe besteht, können sie dies schlicht dadurch tun, dass sie dem Beklagten keine E-Mail-Adresse mitteilen. Soweit sie die Vorzüge der E-Mail-Korrespondenz (nur) im Verhältnis zum Verein nutzen wollen, können sie die Mitteilung der E-Mail-Adresse mit einem Weitergabeverbot verbinden. Und schließlich können sie für die Zwecke des Vereinsverhältnisses eine besondere E-Mail-Adresse einrichten oder bestimmte Absender als „Spam“ definieren oder blockieren. Dass dem einzelnen Mitglied damit eine Selbstschutzlast auferlegt wird, ist sach- und systemgerecht, da es sich durch den Beitritt zum Verein der Kommunikation mit den Kon-Mitgliedern grundsätzlich geöffnet hat. Es ist aber auch unter dem Gesichtspunkt einer Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne nicht zu beanstanden, da die Last wirklich minimal ist.

Endlich begründet auch die allgemeine Missbrauchsgefahr kein gewichtiges Gegeninteresse der Kon-Mitglieder. Darauf hat bereits der Bundesgerichtshof hingewiesen: „Die (…) nicht gänzlich auszuschließende, aber eher hypothetische Möglichkeit eines Missbrauchs der übermittelten Informationen genügt nicht, um den Klägern die zur Wahrnehmung ihres vereinsrechtlichen Mitgliedschaftsrechts und zur aktiven Teilnahme an der Vereinspolitik benötigten Informationen zu verweigern“10.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die aus dem Treuegedanken zum Zweck der Effektuierung von Mitgliedsrechte begründete Informationspflicht auch dementsprechend begrenzt ist. Soweit der Kläger sie für die anspruchsbegründenden Zwecke verwendet, handelt er im Rahmen der mitgliedschaftlich begründeten Sonderverbindung, so dass ihn Rücksichtspflichten gem. § 241 Abs. 2 BGB treffen. Kann das Mitglied die Mitgliederliste nur aus einem berechtigten Interesse beanspruchen, so versteht sich, dass es sie auch nur für die Zwecke dieses berechtigten Interesses verwenden darf und nicht etwa für andere Zwecke wie Werbung. Ebenso versteht sich, dass es die Mitgliederliste nicht seinerseits an andere Vereinsmitglieder oder Dritte weitergeben darf. Versendet das Mitglied eine E-Mail zugleich an eine Mehrzahl von Mitgliedern, ist es gehalten, die E-Mail-Adressen zu verdecken (z.B. durch die „bcc-Funktion“). Benötigt es die Mitgliederliste für die anspruchsbegründenden Zwecke nicht mehr, hat es sie sorgfältig und verlässlich zu entsorgen.

Kein Gesichtspunkt, der an dieser Stelle zu berücksichtigen wäre, ist das Interesse der Mitglieder an Datenschutz. Die datenschutzrechtliche Beurteilung kann erst auf der Grundlage der zivilrechtlichen Beurteilung erfolgen, da sie von dieser abhängt.

Bereits die gewichtende Explizierung der von den Parteien vorgetragenen und sich aus dem Vereinszweck ergebenden Interessen indiziert das Ergebnis der Abwägung. Den berechtigten Interessen des Klägers stehen keine ins Gewicht fallenden, jedenfalls keine überwiegenden Eigeninteressen des Beklagten gegenüber, und gegenläufige Interessen der Vereinsmitglieder, auf die sich der Beklagte beruft, haben jedenfalls nur geringes und nicht überwiegendes Gewicht.

Das gilt zunächst für das grundsätzliche Interesse des Klägers am Erhalt einer Mitgliederliste, das, wie dargelegt, vom Bundesgerichtshof anerkannt ist und auch vom Beklagten nicht in Abrede gestellt wird.

Der Kläger hat auch ein überwiegendes Interesse daran, die E-Mail-Adressen der Kon-Mitglieder zu erhalten. Dafür sprechen die aufgezeigten Vorzüge der unmittelbaren, individualisierten und kostengünstigen Kommunikationsform. Eigeninteressen des Beklagten stehen dem nicht entgegen. Dafür spricht außerdem besonders das Kosteninteresse des Klägers. Wäre er auf den postalischen Versand von Erklärungen angewiesen, so würde dies die unmittelbare Kontaktaufnahme mit den (hier: rund 5.500) Kon-Mitgliedern wirtschaftlich weitgehend vereiteln. Das – mögliche – gegenläufige Interesse einzelner Mitglieder an Nichtbelästigung wiegt für sich nicht schwer und überwiegt das Interesse des Klägers nicht.

Auf andere Kommunikationsformen wie namentlich ein vom Beklagten zur Verfügung gestelltes Internet-Mitgliederforum braucht sich der Beklagte demgegenüber nicht verweisen zu lassen. Diese stellen, wie oben dargelegt, gegenüber dem Begehren des Klägers ein Aliud dar und sind daher schon nicht vollständig kommensurabel. Im Übrigen überwiegen die dargelegten Vorzüge der E-Mail-Kommunikation auch insoweit etwaige gegenläufige Interessen des Beklagten und der anderen Mitglieder.

Entsprechendes gilt für die Übermittlung der Mitgliederliste an den Kläger – und nicht an einen Treuhänder. Auch darin liegt letztlich die Verweisung auf eine andere, nur eingeschränkt vergleichbare Kommunikationsform, die die Vorzüge der E-Mail-Kommunikation nicht aufweist.

Das hat auch der Bundesgerichtshof anerkannt: “[E]s ist den Klägern als Mitgliedern eines Vereins grundsätzlich nicht verwehrt, auch selbst Einsicht in die Mitgliederliste zu nehmen bzw. die Übermittlung der dort enthaltenen Informationen in elektronischer Form an sich selbst zu verlangen (…), sofern sie – wie hier – ein berechtigtes Interesse darlegen und ihrem Interesse nicht überwiegende Interessen des Vereins oder berechtigte Belange der Vereinsmitglieder entgegen stehen”7.

Auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich im Übrigen nicht, dass das Vereinsmitglied nur einen Anspruch auf Übermittlung der Mitgliederliste an einen Treuhänder hätte. Der Bundesgerichtshof hat lediglich den – im konkreten Fall zu beurteilenden – dahingehenden Antrag des Klägers als begründet angesehen, er hat jedoch nicht dargelegt, dass das weitergehende Recht zur Übermittlung an das Mitglied selbst nicht bestünde11.

Wenn der Bundesgerichtshof in einer Wendung sagt, „[e]in weitergehendes schützenswertes Geheimhaltungsinteresse des Beklagten oder seiner Mitglieder ist weder allgemein noch unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten anzuerkennen“, so ist damit unzweideutig nur gesagt, dass jedenfalls die Herausgabe an einen Treuhänder die Geheimhaltungsinteresse ausreichend wahrt. Der vom Bundesgerichtshof für seine Aussage gegebene Beleg durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.02.199112 macht vollends deutlich, dass der Bundesgerichtshof nicht ausdrücken wollte, die Geheimhaltungsinteressen von Verein und Mitgliedern seien nur bei Übergabe der Mitgliederliste an einen Treuhänder gewahrt. Denn das BVerfG hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem das Mitglied selbst Einsicht begehrte – und dies im Übrigen von Verfassungs wegen nicht beanstandet.

Aus der Satzung des Beklagten ergeben sich auch keine Einschränkungen des mitgliedschaftlichen Informationsanspruchs dahingehend, dass die E-Mail-Adressen nicht zu übermitteln wären oder Auskunft nur an einen Treuhänder erfolgen dürfte. Daher kann hier offenbleiben, ob solche Einschränkungen überhaupt zulässig wären. Dagegen spricht, dass man generell davon ausgeht, das mitgliedschaftliche Informationsrecht könne nicht eingeschränkt werden13.

Die Satzung des Beklagten enthält keinen ausdrücklichen Ausschluss eines Rechts des Beklagten, von seinen Mitgliedern die Mitteilung von E-Mail-Adressen zu verlangen. Im Gegenteil ist in der Satzung an mehreren Stellen die Kommunikation per E-Mail vorgesehen. Sie wird von dem Beklagten unstreitig auch genutzt. Für die Annahme einer konkludenten Einschränkung des Informationsrechts (§ 133 BGB) sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Eine bare Selbstverständlichkeit ist im Übrigen, dass der Kläger vom Beklagten nur die Übermittlung der E-Mail-Adressen verlangen kann, die er (der Beklagte) auch hat.

Die Übermittlung der Mitgliederliste mit den begehrten Daten ist auch mit der Datenschutzgrundverordnung vereinbar, so das Oberlandesgericht Hamm weiter.

Die Datenschutzgrundverordnung ist auf diesen Vorgang anwendbar. Die vom Kläger begehrte Mitgliederliste enthält mit Adresse und E-Mail-Adresse Informationen, die sich auf die durch Namen identifizierten Personen beziehen, mithin personenbezogene Daten i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Mit dem vom Kläger begehrten elektronischen Versand ist auch der sachliche Anwendungsbereich von Art. 2 Abs. 1 DSGVO eröffnet, da bereits mit dem Versand an den und der Speicherung beim Kläger eine automatisierte Verarbeitung i.S.v. Art. 2 Nr. 2 DSGVO verbunden ist. Der räumliche Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 1 und 2 DSGVO ist ebenfalls eröffnet, da der Beklagte als Verantwortlicher (Art. 4 Nr. 7 DSGVO) in Deutschland die Daten von betroffenen Personen (Art. 4 Nr. 1 DSGVO) verarbeitet (Art. 4 Nr. 2 DSGVO).

Die Übermittlung der Mitgliederlisten mit den begehrten Inhalten ist aber, so das Oberlandesgericht Hamm, von dem Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO gedeckt, da sie zur Erfüllung eines Vertrags, dessen Partei die betroffenen Personen sind, erforderlich ist.

Datenschutzrecht ist Ermöglichungsrecht, kein Verhinderungsrecht. Es ist, wie Art. 6 Abs. 1 DSGVO ausweist, akzessorisch zum jeweiligen Sachrecht und steht dem, was das Sachrecht verlangt, nicht entgegen, sondern begrenzt es nur der Teleologie des jeweiligen sachrechtlichen Bereichs folgend auf das danach Erforderliche. Für den vorliegenden Zusammenhang heißt das, das Datenschutzrecht ist in diesem Sinne zivilrechtsakzessorisch, wie auch Art. 6 Abs. 1 lit. b) und c) DSGVO ausweisen7. Das, was zivilrechtlich für die Vertragserfüllung erforderlich ist, ermöglicht das Datenschutzrecht auch.

Insbesondere stellt sich im vorliegenden Fall, in dem es um die datenschutzrechtliche Beurteilung einer gesetzlichen Nebenleistungspflicht geht, nicht die umstrittene Frage der Wechselwirkung zwischen Zivilrecht und Datenschutzrecht. Sie stellt sich, wenn die Gefahr besteht, dass die Parteien einen Vertrag in bestimmter Weise gestalten, um auf dieser Grundlage die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung für die Erfüllung (und so die Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO) zu begründen und damit die Anforderungen an die Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a), 7 DSGVO zu unterlaufen14. Bei der Beurteilung der teleologisch zur Erreichung des Vertragszwecks (Vereinszwecks; mitgliedschaftliche Rechte) begründeten Nebenpflichten besteht diese Gefahr von vornherein nicht.

Zulässig ist nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO die Verarbeitung „für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist“. Der Zweck des Erlaubnistatbestands ist es, die privatautonome Gestaltung der Beteiligten zu ermöglichen und nicht zu beschränken. Mit dem datenschutzrechtlichen Anliegen der informationellen Selbstbestimmung ist das deswegen gut vereinbar, weil die vertragliche Verpflichtung im Wege der Selbstbestimmung legitimiert ist15). Damit handelt es sich bei dem Erlaubnistatbestand systematisch um einen Unterfall der datenschutzrechtlichen Einwilligung von Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO.

Der Begriff des “Vertrags” ist dabei nicht zivilrechtlich auszulegen, sondern datenschutzrechtlich und unionsautonom16. Es kommt m.a.W. nicht darauf an, ob das Rechtsverhältnis, zu dessen Erfüllung die Verarbeitung erforderlich ist, ein Vertrag i.S.d. BGB ist, sondern ob das datenschutzrechtliche Telos des Erlaubnistatbestands erfüllt ist. Maßgeblich ist m.a.W., ob das Rechtsverhältnis privatautonom begründet ist und die maßgebliche Verpflichtung daher als Ausdruck der Selbstbestimmung legitimiert ist17. Daher wird zu Recht hervorgehoben, dass der Tatbestand von lit. b) „auf all jene vertragsähnlichen Konstellationen, die gleichermaßen auf willentliche Entscheidungen des von der Verarbeitung Betroffenen zurückgehen“, anzuwenden ist16.

Vereinsgründung und -beitritt begründen einen „Vertrag“ i.S.v. Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO, da es sich dabei um einen selbstbestimmt erklärten Beitritt zu einer privaten Vereinigung handelt18. Das ist auch zivilrechtlich gut begründet. So formuliert etwa Lutter19: „Die Mitgliedschaft einer Person in einem Verband ist ein Rechtsverhältnis, eine auf privatautonomer Entscheidung beruhende privatrechtliche Sonderverbindung zwischen zwei oder mehr Subjekten. Sie wird begründet durch den Organisationsvertrag der Gründung oder durch den Beitrittsvertrag des neu hinzukommenden Mitgliedes, sei es mit dem Vorstand selbst, sei es mit dem bisherigen Mitglied.“ Zudem hat auch der Vereinsbeitritt anerkanntermaßen Vertragscharakter20. Dabei kommt es für den Vertragsbegriff von Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO nicht darauf an, dass nicht sämtliche Mitglieder – gewissermaßen netzförmig – den Beitritt von einander konsentieren (wie bei der Personengesellschaft). Es reicht aus, dass die Mitglieder jeweils im Verhältnis zum Verein als Zentralstelle – gewissermaßen sternförmig – ihr Einverständnis erklären.

Was zur Erfüllung des Vertrags erforderlich ist, bestimmen die Rechte und Pflichten des Vertrags. Eine Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenpflichten ist dabei nicht vorzunehmen21. Bei der Bewertung als „erforderlich“ ist dabei – anders als im Verhältnis zwischen Bürger und Staat – kein objektiver Maßstab anzulegen, sondern der von den Parteien privatautonom gewählte Interessenausgleich zugrunde zu legen. Die dabei im allgemeinen gegebene Gefahr eines Missbrauchs der privatautonomen Gestaltungsmacht besteht dabei im vorliegenden Fall nicht. Zwar beruht auch der aus dem Mitgliedschaftsverhältnis fließende Informationsanspruch auf der Grundlage des Vertrags (i.S.v. Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO; also Beitritt und Satzung). Die Informationspflichten werden jedoch als – weithin sogar zwingende – Nebenpflichten gesetzlich begründet.

Die hier begründete Pflicht des Vereins, dem Mitglied eine Mitgliederliste mit Namen, Adressen und E-Mail-Adressen zu übermitteln, ist dabei bereits im Wege der Interessenabwägung als für die Zwecke der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte erforderlich begründet. Die Begründung beruht ja gerade darauf, dass die Mitgliedschaftsrechte ohne die Informationspflicht nicht effektiv ausgeübt werden könnten oder sogar leerliefen22.

Im Rahmen der datenschutzrechtlichen Prüfung ist ergänzend auf die Grundsätze der Datenverarbeitung nach Art. 5 DSGVO Rücksicht zu nehmen. Hier sind insbesondere die Aspekte der Verarbeitung nach Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 1 lit. a) DSGVO), der Zweckbindung (lit. b) und der Datenminimierung hervorzuheben, die in der Sache auch die Parteien angesprochen haben. Da die Informationspflicht als gesetzlich begründete Nebenpflicht selbst Ausfluss von Treu und Glauben ist, wird damit lediglich ein bereits zivilrechtlich begründeter Aspekt hervorgehoben, der im Hinblick auf die Datenverarbeitung zu konkretisieren ist. Auch die Zweckbindung der Datenverarbeitung ist bereits als zivilrechtliche Nebenpflicht des Mitgliedschaftsverhältnisses begründet. Sie ergibt sich daraus, dass der Kläger die Informationen nur aus „berechtigten Interessen“ beanspruchen kann. Daraus ergibt sich zugleich eine sachlich begründete Begrenzung der Verarbeitung durch den Kläger. Als Verantwortlicher für die Datenverarbeitung darf er die Mitgliederliste nur für die Zwecke verwenden, für die er sie zunächst beanspruchen kann, hier also die Organisation einer Opposition gegen die „Politik“ des Vorstands, ggf. für die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung mit Minderheitenquorum. Auch die Datenminimierung ist bereits bei der zivilrechtlichen Pflichtbegründung mit berücksichtigt. Der Grundsatz darf nicht plump dahin missverstanden werden, es wäre besser, weniger Daten (etwa: nicht die E-Mail-Adressen) zu verarbeiten. Vielmehr ist auch die Datenminimierung im Hinblick auf den jeweiligen Zweck hin zu bestimmen („dem Zweck angemessen“). So ist etwa auch datenschutzrechtlich anzuerkennen, dass der Kläger die E-Mail-Adressen für eine effektive Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte benötigt. In der europarechtlichen Terminologie liegt darin der Gedanke des effet utile, den man auch für die Mitgliedschaftsrechte fruchtbar machen kann. Zwar könnte das Mitglied auch postalisch mit den Kon-Mitgliedern in Verbindung treten. Das würde aber die „praktische Wirksamkeit“ der Mitgliedschaftsrechte wegen der damit verbundenen prohibitiven Kosten und der in den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen unangemessenen Verzögerung nicht gewährleisten.

Selbstverständlich unterliegt das Mitglied, wenn es die Mitgliederliste für seine mitgliedschaftlichen Zwecke verwendet, im Übrigen nicht nur den bereits hervorgehobenen zivilrechtlichen Beschränkungen, wie sie sich insbesondere aus § 241 Abs. 2 BGB ergeben. Er ist dabei zugleich „Verantwortlicher“ i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO mit entsprechenden Pflichten bis hin zur (scharfen) Haftung nach Art. 82 DSGVO.

Oberlandesgericht Hamm, Urtei vom 26.04.2023 – 8 U 94/22
ECLI:DE:OLGHAM:2023:0426.8U94.22.00

  1. LG Dortmund, Urteil vom 06.07.2022 – 1 O 15/22 [] []
  2. MünchKommBGB/Habersack, 8. Aufl. 2020, § 810 BGB Rn. 2 []
  3. BGH, Beschluss vom 21.06.2010 – II ZR 219/09; Soergel/Hadding, BGB 13. Aufl., § 38 Rdnr. 17; MünchHdbGesR/Schöpflin, Band 5: Verein/Stiftung, 5. Aufl. 2021, § 34 Rn. 21; Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 10. Aufl., Rdnr. 1380; 7; Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 14. Aufl. 2018, Rn. 1422; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Aufl. 2023, § 38 Rdnr. 1a; MünchKommBGB/Leuschner, 9. Aufl. 2021, § 38 Rn. 23 a.E. []
  4. BGH, Beschluss vom 21.06.2010 – II ZR 219/09; MünchKommBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, § 716 Rn. 8 (zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts []
  5. BGH, Beschluss vom 21.06.2010 – II ZR 219/09; OLG Saarbrücken, NZG 2008, 677 f.; OLG München, Urteil vom 15.11.1990 – 19 U 3483/90; BVerfG, Beschluss vom 18.02.1991 – 1 BvR 185/91 []
  6. BGH, Beschluss vom 21.06.2010 – II ZR 219/09 [] [] [] [] [] [] []
  7. BGH, Beschluss vom 25.10.2010 – II ZR 219/09 [] [] []
  8. Lutter, AcP 180 (1980), 84, 97 ff., 123 ff.; Riesenhuber, Die Rechtsbeziehungen zwischen Nebenparteien (1997), S. 31 ff. []
  9. AG Itzehoe, Urteil vom 23.01.2019 – 92 C 10/19 []
  10. BGH, Beschluss vom 25.10.2010 – II ZR 219/09; BVerfG, Beschluss vom 18.02.1991 – 1 BvR 185/91 []
  11. BGH, Beschlüsse vom 21.06.2010 – II ZR 219/09; vom 25.10.2010 – II ZR 219/09 []
  12. BVerfG, Beschluss vom 18.02.1991 – 1 BvR 185/91 []
  13. MünchKommBGB/Leuschner, 9. Aufl. 2021, § 38 BGB Rn. 24 []
  14. dazu grundlegend Wendehorst/Graf von Westphalen, NJW 2016, 3745 ff.; ferner BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Art. 6 DSGVO Rn. 44 []
  15. BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Art. 6 DSGVO Rn. 41 („Resultate privatautonomer Entscheidungen“ []
  16. BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Art. 6 DSGVO Rn. 42 [] []
  17. BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Art. 6 DSGVO Rn. 41 []
  18. so i.Erg. auch Kühling/Buchner/Buchner/Petri, DSGVO BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 6 DSGVO Rn. 29 f.; Gola/Heckmann/Schulz, DSGVO BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 6 DSGVO Rn. 33 []
  19. Lutter, AcP 180 (1980), 84, 97 []
  20. Neuner, Allgemeiner Teil, 13. Aufl. 2023, § 17 Rn. 80 ff. []
  21. BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Art. 6 DSGVO Rn. 43; Ehmann/Selmayer/Heberlein, DSGVO, 2. Aufl. 2018, Art. 6 DSGVO Rn. 13; Gola/Heckmann/Schulz, DSGVO BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 6 DSGVO Rn. 30 []
  22. BGH, Beschluss vom 19.11.2019 – II ZR 263/18 []

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