Politische Betätigung vs. Gemeinnützigkeit: Attac ist nicht gemeinnützig

Wir hatten hier bereits über eine Entscheidung berichtet, mit der der Bundesfinanzhof eine Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts aufgehoben hatte, mit dem einem Verein entgegen der Auffassung des Finanzamtes die Gemeinnützigkeit zuerkannt wurde.

Seinerzeit konnte der Bundesfinanzhof die Sache nicht abschliessend entscheiden, sondern musste die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Hessische Finanzgericht zurückverweisen. Im 2. Rechtsgang hat das Hessische Finanzgericht dann die Klage gegen die Verweigerung der Anerkennung als gemeinnützig abgewiesen1.

Die hiergegen gerichtete Revision hat der Bundesfinanzhof nun zurückgewiesen, da die Einflussnahme auf politische Willensbildung und öffentliche Meinung kein eigenständiger gemeinnütziger Zweck i.S. von § 52 AO ist.

Worum ging es?

Der seit 2003 im Vereinsregister eingetragene Kläger verfolgt nach seiner im November 2010 geänderten Satzung folgende Ziele:

die Förderung von Bildung, Wissenschaft und Forschung, die Förderung des Schutzes der Umwelt und des Gemeinwesens, der Demokratie und der Solidarität unter besonderer Berücksichtigung der ökonomischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Globalisierung. Der Verein fördert die Völkerverständigung und den Frieden„.

Der Kläger ist nach seiner Satzung zudem

„in Trägerschaft des Netzwerks“ A tätig.

Er befasste sich in den Jahren 2010 bis 2012 (Streitjahre) öffentlichkeitswirksam mit unterschiedlichen Themen: Finanz- und Wirtschaftskrise, die Besteuerung von Finanzmärkten, die Umverteilung von Reichtum, eine Finanztransaktionssteuer, Steuern gegen Armut, Spekulation mit Lebensmitteln, Blockupy, Regulierung der Finanzmärkte, Finanzmarkttagung Geld, Bankentribunal, Geschäftspraktiken von Banken, Wechsel der Hausbank („Krötenwanderung“), Arabischer Frühling, Aktionstag Banken, Krise des Euro und der Finanzmärkte, europaweiter Sozialabbau, Wege aus der Krisenfalle, Umverteilung (finanzieller Mittel), Regulierung der Finanzmärkte, feministische Ökonomie, Public Private Partnerships, Anti-Atom-Bewegung, Atomwirtschaft, unbedingtes Grundeinkommen, Klimaschutz, globale Klimagerechtigkeit sowie alternative Formen des Lebens und Wirtschaftens.
Im Bereich von Steuerpolitik und öffentlichen Finanzen ging es bei der Kampagne „Sparpaket/Finanztransaktionssteuer/Umverteilen“ gegen Gesetzesvorschläge, die später zum Haushaltsbegleit- und Haushaltsgesetz 2011 führten. Mit der Kampagne „H stoppen“ wurde das Ziel verfolgt, ökologische Nachhaltigkeit durch umweltfreundliche Textilproduktion mit wirtschaftlicher Nachhaltigkeit zu verbinden. Der Kläger nahm das Verkehrsprojekt „Stuttgart 21“ zum Anlass für einen Demokratie-Kongress. Beim Thema „30-Stunden-Woche“ plädierte er für eine entsprechende Arbeitszeitbegrenzung „für alle“ bei vollem Lohnausgleich für untere und mittlere Einkommen.

Das beklagte Finanzamt verneinte in der Folge in diversen Bescheiden die Gemeinnützigkeit des Klägers. Die hiergegen gerichtete Klage blieb im 2. Rechtsgang vor dem Hessischen Finanzgericht erfolglos.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Er habe zu keinem Zeitpunkt politische, sondern immer nur seine satzungsmäßigen gemeinnützigen Zwecke verfolgt. Der Bundesfinanzhof habe in seinem Urteil im ersten Rechtsgang die Auffassung vertreten, dass möglicherweise einige Aktionen des Klägers politische Zwecke und nicht seine satzungsmäßigen gemeinnützigen Zwecke verfolgt hätten und daher dem Kläger die Gemeinnützigkeit abzuerkennen sei. Der Bundesfinanzhof habe ausgeführt, dass es dem Kläger möglicherweise bei seinen verschiedenen Aktionen im Schwerpunkt nicht um die Vermittlung von Bildungsinhalten zu diesen Themen gegangen sei, sondern um die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und auf die öffentliche Meinung, da diese Tätigkeiten keinerlei Bezug zur Bildungspolitik i.S. von § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO gehabt hätten. Der Bundesfinanzhof habe aber wohlweislich dies nicht entschieden, sondern den Rechtsstreit an das Finanzgericht zurückverwiesen, da die Wertung, welche Zwecke eine gemeinnützige Körperschaft mit ihren Aktionen verfolge, nicht dem Bundesfinanzhof als Revisionsgericht obliege, sondern dem Tatsachengericht. Das Hessische Finanzgericht habe das Urteil des Bundesfinanzhofs missverstanden, indem es davon ausgegangen sei, dass der Bundesfinanzhof unter dem gemeinnützigen Zweck der politischen Bildung nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO ausschließlich bildungspolitische Fragestellungen verstehe. Es sei ein Missverständnis, dass der Bundessfinanzhof entschieden habe, dass die „ökonomische Alphabetisierung“ nicht unter § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO falle. Zum einen sei die Beschränkung auf bildungspolitische Fragen abwegig, wie die Anerkennung der Gemeinnützigkeit bei politischen Parteistiftungen zeige. Zum anderen stehe dies im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der sich hieraus ergebenden Bindung nach § 11 FGO. Auch nach Auffassung des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages messe das Gemeinnützigkeitsrecht der freien Meinungsäußerung besondere Bedeutung zu. Der Bundesfinanzhof habe zu der Frage, ob er, der Kläger, mit seinen Maßnahmen politische Zwecke verfolgt habe und ein allgemeinpolitisches Mandat in Anspruch genommen habe, nicht durchentschieden, sondern an das Hessische Finanzgericht zurückverwiesen. Aufgrund eines Missverständnisses habe sich das Hessische Finanzgericht „gezwungen gesehen, die Verfolgung des gemeinnützigen Zwecks der politischen Bildung durch den Kläger als Verfolgung eines politischen Zwecks“ zu verstehen.
Sollte das Hessische Finanzgericht den Bundesfinanzhof demgegenüber zutreffend verstanden haben, so dass sich der Begriff der politischen Bildung in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO auf die Bildungspolitik beschränke, so wäre diese Auslegung verfassungswidrig. Daher sei der Bundesfinanzhof zur konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 GG verpflichtet. Bei einer verfassungskonformen Auslegung sei der Revision stattzugeben. Auf dieser Grundlage verkenne der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 10.01.20192 die Bedeutung des Grundrechts auf Vereinigungsfreiheit, des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes und des Demokratieprinzips für die Auslegung der AO. Bei einer verfassungskonformen Auslegung müsse der Bundesfinanzhof seine Grundsätze revidieren. Bei zivilgesellschaftlichen Organisationen gehe es nicht um die Frage der Verwendung von Mitgliedsbeiträgen bei einer Zwangsmitgliedschaft. Die Abgrenzung sei „schwammig und unspezifisch“ und genüge nicht den Anforderungen an eine verfassungskonforme Auslegung. Es bleibe unklar, weshalb das Engagement für Frieden und Umweltschutz gemeinnützig sei, gehe es doch auch dort um staatliche Willensbildung. Es sei schleierhaft, wie sich dies von der Stellungnahme gegen Sozialkürzungen unterscheide. Die Abgrenzung gehe an der Praxis und Realität der Arbeitsweise zivilgesellschaftlicher Organisationen vorbei. Der Bundesfinanzhof unterschätze zudem die Bedeutung der Kommunikationsgrundrechte und einer aktiven Zivilgesellschaft für die Demokratie. Versammlungs-, Meinungs- und Vereinigungsfreiheit seien Kommunikationsgrundrechte, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konstitutiv für die Demokratie seien. Die Zivilgesellschaft trage zur Meinungsbildung der Gesellschaft bei. Aktionen und Stellungnahmen zu politischen Fragen gehörten zu dem für eine Demokratie konstitutiven Meinungsstreit. § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO sei verfassungskonform in diesem Sinne zu verstehen. Die Vorschrift sei in der Weise auszulegen, dass Chancengleichheit bei der Vereinsgründung bestehe, um in gleicher Weise die eigene Position in die Öffentlichkeit zu bringen. Die Finanzverwaltung gehe selektiv dazu über, nur einzelnen Vereinigungen die Gemeinnützigkeit zu entziehen. In Zeiten von „Fake-News“ falle zivilgesellschaftlichen Vereinigungen die Aufgabe zu, auf die gesellschaftliche Willensbildung Einfluss zu nehmen und ihre speziellen Zwecke dabei gerade nicht neutral zu verfolgen. Die Analogie zur Finanzierung von Bildungsveranstaltungen der Parteien sei unzutreffend. Politische Bildung sei in der Regel nicht neutral. Zivilgesellschaftliche Bildungsarbeit sei sinnvollerweise darauf angelegt, die in der jeweiligen Auffassung existierenden Lücken der öffentlichen Bildung zu füllen. Demokratieprinzip und Vereinigungsfreiheit seien bei der Auslegung der steuerrechtlichen Begünstigung von Vereinigungen, die Bildungsarbeit betreiben, zu würdigen. Zweck der Vereinigungsfreiheit sei es, sich mit Menschen mit gleichen Interessen zusammenzuschließen. Auf ein Verhältnis von Wissensvermittlung zur Beeinflussung der gesellschaftlichen Meinungsbildung komme es nicht an.

Die Entscheidung des Bundesfinanzhof:

Der Bundesfinannzhof hält die Revision einstimmig für unbegründet.

Das Hessische Finanzgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger nach seiner tatsächlichen Geschäftsführung keine gemeinnützigen Zwecke nach § 52 AO verfolgt hat.

Die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die Gestaltung der öffentlichen Meinung ist kein eigenständiger gemeinnütziger Zweck i.S. von § 52 AO. Daher darf sich eine gemeinnützige Körperschaft in dieser Weise nur betätigen, wenn dies der Verfolgung eines der in § 52 Abs. 2 AO ausdrücklich genannten Zwecke dient, wie der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 10.01.20192 entschieden hat. Dem Urteil wird im Schrifttum überwiegend zugestimmt3.

Aufgrund des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 10.01.20192 und der sich daraus nach § 126 Abs. 5 FGO für den zweiten Rechtsgang ergebenden Bindungswirkung ist nur noch darüber zu entscheiden, ob die fraglichen Tätigkeiten dem Kläger zuzurechnen sind, nicht aber, ob mit diesen Tätigkeiten steuerbegünstigte Zwecke verfolgt wurden.

Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vo 10.01.20192 entschieden, dass mit den Kampagnen und weiteren Tätigkeiten, die unter dem Namensbestandteil „A“ des Klägers ausgeübt wurden, auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) keine nach § 52 AO steuerbegünstigten Zwecke verfolgt wurden. Er hat daher das im ersten Rechtsgang der Klage stattgebende Urteil des hessischen Finanzgerichts aufgehoben2.

Zudem hat der Bundesfinanzhof die Sache an das Hessische Finanzgericht zurückverwiesen. Gegenstand dieser Zurückverweisung war dabei ausschließlich die Frage, ob die unter dem Namensbestandteil des Klägers ausgeübten Tätigkeiten dem Kläger als Träger des so bezeichneten Netzwerks zuzurechnen sind. Dies ist für die Frage bedeutsam, ob der Kläger i.S. von § 56 AO nur seine steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verfolgt hat und ob seine tatsächliche Geschäftsführung gemäß § 63 Abs. 1 AO auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung seiner steuerbegünstigten Zwecke gerichtet war. Damit war im zweiten Rechtsgang nur noch zu entscheiden, ob zwischen dem Kläger als „Träger“ eines „Netzwerks“ und den Tätigkeiten des unter dem gleichen Namen auftretenden „Netzwerks“, die ihm u.U. nicht zuzurechnen sind, zu unterscheiden sein könnte2.
Daher ist die Annahme des Klägers, der Bundesfinanzhof habe in seinem Urteil vom 10.01.20192 lediglich entschieden, dass möglicherweise einige Aktionen (des Klägers) politische Zwecke und nicht seine satzungsmäßigen gemeinnützigen Zwecke verfolgt hätten und dass dem Hessischen Finanzgericht die Entscheidung über das Vorliegen einer steuerbegünstigten Zweckverfolgung überantwortet worden sei, unzutreffend.

Der Kläger kann, so der Bundesfinanzhif weiter, das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10.01.20192 nicht durch sein Begriffsverständnis von politischer Bildung in Frage stellen.

Zu den nach § 52 Abs. 2 AO eigenständig steuerbegünstigten Zwecken gehört weder die Einflussnahme auf die politische Willensbildung (§ 2 Abs. 1 PartG) noch die Gestaltung der öffentlichen Meinung (§ 1 Abs. 2 PartG). Dementsprechend ist der steuerbegünstigten Körperschaft – nach einer durch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29.08.1984 ((BFH, Urteil vom 29.08.2984 – I R 203/81, BFHE 142, 51, BStBl II 1984, 844)) begründeten und seit Jahrzehnten fortgeführten Rechtsprechung – eine eigenständige Befassung mit Fragen der politischen Willensbildung verwehrt. Die Körperschaft darf mit ihrer tatsächlichen Geschäftsführung weder ausschließlich noch überwiegend einen politischen Zweck verfolgen2.

Gleichwohl darf eine gemeinnützige Körperschaft auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung Einfluss nehmen, wenn dies der Verfolgung eines der in § 52 Abs. 2 AO genannten Zwecke – wie z.B. der Förderung des Umweltschutzes (Nr. 8) – dient. Eine derart dienende und damit ergänzende Einwirkung muss aber gegenüber der unmittelbaren Förderung des steuerbegünstigten Zwecks in den Hintergrund treten. Die Tagespolitik darf nicht im Mittelpunkt der Tätigkeit der Körperschaft stehen. Die Beschäftigung mit politischen Vorgängen muss im Rahmen dessen liegen, was das Eintreten für die steuerbegünstigten Ziele und deren Verwirklichung erfordert2.
Wenn damit die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung einem in § 52 Abs. 2 AO aufgeführten steuerbegünstigten Zweck dienen muss, führt dies entgegen der Auffassung des Klägers zu keinen besonderen Abgrenzungsschwierigkeiten, da der erforderliche Bezug zu den steuerbegünstigten Zwecken stets vorliegen muss.

Die vorstehende Abgrenzung ist auch im Bereich der in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO angeführten Volksbildung zu beachten.
Im Zusammenhang mit der Förderung des demokratischen Staatswesens in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO gehört zur Volksbildung auch die sog. politische Bildung. Diese umfasst die Schaffung und Förderung politischer Wahrnehmungsfähigkeit und politischen Verantwortungsbewusstseins sowie die Diskussion politischer Fragen „in geistiger Offenheit“. Dabei können auch Lösungsvorschläge für Problemfelder der Tagespolitik erarbeitet werden2. Insoweit bestehen keinerlei thematische Einschränkungen. Sie ergeben sich entgegen der Annahme des Klägers auch nicht aus dem im ersten Rechtsgang ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs.

Zudem kann die Körperschaft auch auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung Einfluss nehmen. Dies muss hier dann allerdings dienenden Charakter für die Volksbildung und die politische Bildung haben und hat sich daher auf bildungspolitische Fragestellungen zu beschränken2.
Demgegenüber kommt eine Erweiterung des sich aus § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und Nr. 24 AO ergebenden Begriffs der politischen Bildung in der Weise, dass sich hieraus die eigenständige steuerrechtliche Förderung einer Einflussnahme auf die politische Willensbildung in frei gewählten Politikfeldern ergibt, nicht in Betracht2. § 52 Abs. 2 AO würde sonst faktisch um den dort nicht angeführten Zweck der Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung ergänzt werden. Dagegen spricht einfachgesetzlich bereits, dass § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO die Verfolgung von „Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art“ ausdrücklich von der steuerbegünstigten Zweckverfolgung ausschließt.

Hiergegen kann der Kläger nicht geltend machen, er habe steuerbegünstigte Zwecke durch Aufklärung der Gesellschaft über alternative ökonomische Gestaltungsmöglichkeiten verfolgt und sich damit im originären Bereich der politischen Bildung betätigt. Denn eine derartige Tätigkeit muss in „geistiger Offenheit“ erfolgen – und daran fehlt es für die Kampagnen und weiteren Betätigungen, da mit diesen eine Einflussnahme auf die politische Willensbildung und auf die öffentliche Meinung bezweckt wird, wie der Bundesfinanzhof bereits im ersten Rechtsgang entschieden hat2. Zudem bestätigt der Revisionsvortrag des Klägers zum Verfassungsrecht, dass es ihm bei seiner Tätigkeit maßgeblich um eine Beeinflussung der gesellschaftlichen Meinungsbildung zu unterschiedlichen Themen ging.

Ein abweichendes Verständnis des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 10.01.20192 ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht daraus, dass ansonsten von einer Abweichung von der Rechtsprechung anderer Senate des Bundesfinanzhofs auszugehen wäre.
Soweit sich der Kläger auf das Urteil des Bundesfinanofs vom 23.09.19994 bezieht, übersieht er, dass es dort nicht um wiederholte Tätigkeiten, sondern um eine einmalige Anzeigenkampagne ging, mit der zudem an das allgemeine Erfordernis der Einhaltung von Wahlversprechen erinnert wurde, ohne zu Sachfragen einzelner Politikfelder Position zu beziehen. Eine Divergenz zum Urteil des Bundesfinanzhofs vom 20.03.2017 (BFH, Urteil vom 20.03.2017 – X R 13/15, BFHE 257, 486, BStBl II 2017, 1110)) kommt nicht in Betracht, da es dort zwar auch um die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung ging, diese aber eindeutig „dienenden Charakter“ für die Förderung des Umweltschutzes nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AO hatte.

Auch die weiteren Einwendungen des Klägers greifen nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht durch. Soweit es dabei um verfassungsrechtliche Fragen zur Auslegung von § 52 AO geht, kommt es hierauf im Hinblick auf die auch insoweit nach § 126 Abs. 5 FGO bestehende Bindung im zweiten Rechtsgang nicht mehr an, wie das Hessische Finanzgericht unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung5 in seinem Urteil zutreffend entschieden hat. Das Erfordernis einer konkreten Normenkontrolle ist zu verneinen.
Der Bundesfinanzhof hat sich in seinem Urteil vom 10.01.20192 der dort zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur staatlichen Finanzierung der politischen Bildungsarbeit parteinaher Stiftungen, die als i.S. von § 52 AO gemeinnützig anzuerkennen sein können, ausdrücklich angeschlossen und diese Rechtsprechung bei der Bestimmung des Bildungsbegriffs und der Auslegung von § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und Nr. 24 AO berücksichtigt.
Zudem entspricht die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dem Verfassungsgrundsatz, dass die politischen Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes nur „mitwirken“ (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG), dadurch, dass auch gemeinnützigen Körperschaften eine Einflussnahme auf die politische Willensbildung ohne Gefährdung der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit gestattet ist, wenn dies – lediglich ergänzend – der Förderung eines der in § 52 Abs. 2 AO genannten steuerbegünstigten Zwecke dient. Damit wird der vom Kläger verfassungsrechtlich abgeleitete Teilhabeanspruch an der politischen Willensbildung gewahrt, wobei allerdings die Einschränkung zu beachten ist, dass diese Einflussnahme der nach § 52 AO steuerbegünstigten Zweckverfolgung dienen muss. Dabei hat der Bundesfinanzhof auch die unterschiedlichen Finanzierungs- und Transparenzbedingungen berücksichtigt, die für politische Parteien einerseits und gemeinnützige Körperschaften andererseits bestehen2.

Soweit der Kläger aus der für ihn verneinten Gemeinnützigkeit eine Beeinträchtigung des Gleichheitsgrundsatzes im Verhältnis zu den nach § 52 AO gemeinnützigen Körperschaften ableitet, wird übersehen, dass es für die Zulässigkeit einer Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Rahmen der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit stets darauf ankommt, dass diese der Verwirklichung eines der in § 52 Abs. 2 AO bezeichneten steuerbegünstigten Zwecke dient, woran es im Streitfall fehlt.
Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) als Kommunikationsgrundrecht. Dass die Absicht, auf die Meinungsbildung des Volkes Einfluss zu nehmen, expliziter Grund sein kann, um eine Gemeinnützigkeit auszuschließen, folgt daraus, dass nach § 52 AO nur das gemeinnützig ist, was in § 52 Abs. 2 AO als steuerbegünstigt benannt ist. Ein von den Voraussetzungen dieser Vorschrift unabhängiges Teilhaberecht besteht im Rahmen der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit nicht und lässt sich auch nicht über eine erweiternde Auslegung des Begriffs der politischen Bildung begründen. Im Übrigen besteht auch keine Pflicht des Staates zur Vereinsförderung durch Subventionen oder steuerrechtliche Gemeinnützigkeitsprivilegien6.

Auf den Einwand des Klägers, es liege ein selektiver Entzug der Gemeinnützigkeit bei nur einzelnen Körperschaften vor, kommt es nicht an. Selbst wenn die Finanzverwaltung anderen Körperschaften, die nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs keine steuerbegünstigten Zwecke verfolgen, die Steuerbegünstigung nicht entziehen würde, wird die Versagung der Gemeinnützigkeit in Bezug auf den Kläger hierdurch nicht rechtswidrig. Denn hieraus ergibt sich für den Kläger kein Anspruch aus Art. 3 Abs. 1 GG, ebenfalls als gemeinnützig anerkannt zu werden. Eine sog. Gleichheit im Unrecht besteht wegen des Vorrangs des Gesetzes nicht, so dass es keinen Anspruch auf Fehlerwiederholung bei der Rechtsanwendung gibt7. Dies gilt auch für den Bereich der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit8. Hiervon ist auch das Hessische Finanzgericht – unabhängig davon, dass es insoweit einen Grund zur Zulassung der Revision gesehen hat9 – in seinem Urteil zutreffend ausgegangen.

Im Streitfall hat das FG somit die Klage im zweiten Rechtsgang rechtsfehlerfrei abgewiesen.
Auf der Grundlage der im Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10.01.20192 ausgesprochenen Zurückverweisung hat das Hessische Finanzgericht im zweiten Rechtsgang begründet, weshalb die unter dem Namensbestandteil des Klägers erfolgten Betätigungen dem Kläger auch zuzurechnen sind. Das Finanzgericht hat hierfür angeführt, dass sich der Kläger finanziell an den einzelnen Aktionen beteiligt hatte und die Maßnahmen in den Geschäftsberichten des B-Rates aufgeführt waren. Der Kläger habe zudem die Zurechnung der Kampagnen nie in Abrede gestellt und auf Anfrage schriftlich und auch in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich betont, dass er die Kampagnen sowohl finanziell als auch inhaltlich zu verantworten habe, was auch durch Ausdrucke des Internetauftritts des Klägers bestätigt werde.
Die hieraus abgeleitete Würdigung, dass die fraglichen Betätigungen („Kampagnen“) dem Kläger als eigenes Handeln zuzurechnen sind, ist möglich und verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze, so dass sie den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindet. Sie wird vom Kläger mit seiner Revision auch nicht angegriffen. Damit steht fest, dass der Kläger nicht i.S. von § 56 AO nur seine steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verfolgt hat und zudem auch seine tatsächliche Geschäftsführung gemäß § 63 Abs. 1 AO nicht auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung seiner steuerbegünstigten Zwecke gerichtet war.
Unter Berücksichtigung des Umfangs der danach nicht steuerbegünstigten Tätigkeiten bestehen gegen die Versagung der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit auch im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den der Senat bereits bei der Prüfung der Mittelverwendung nach § 55 AO berücksichtigt hat10, keine Bedenken.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.12.2020 – V R 14/20
ECLI:DE:BFH:2020:B.101220.VR14.20.0

  1. Hessisches FG, Urteil vom 26.02.2020 – 4 K 179/16 []
  2. BFH, Urteil vom 10.01.2019 – V R 60/17, BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301 [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] []
  3. Hüttemann, DB 2019, 744 ff.; Seer, JZ 2019, 513, Tipke/Kruse, § 52 AO Rz 53a; Weitemeyer, Zeitschrift für das Recht der Non Profit Organisationen 2019, 97; Gersch, AO-Steuerberater 2019, 109; Fischer, juris PraxisReport Steuerrecht 12/2019, Anm. 1; Zimmermann/Raddatz, NJW 2020, 517 ff., 520 f.; kritisch demgegenüber Hornung/Vielwerth, Deutsches Steuerrecht 2019, 1497; Droege, Kritische Justiz 2019, 349; vgl. auch Leisner-Egensperger, NJW 2019, 964 []
  4. BFH, Urteil vom 23.09.1999 – XI R 63/98, BFHE 190, 338, BStBl II 2000, 200 []
  5. BVerfG, Beschluss vom 23.06.1970 – 2 BvL 49/69, BVerfGE 29, 34 []
  6. Löwer in: v. Münch/Kunig, GGK, 6. Aufl., 2012, Rz 29 zu Art. 9 []
  7. BFH, Beschluss vom 18.07.2002 – V B 112/01, BFHE 199, 77, BStBl II 2003, 675; BFH, Urteile vom 24.01.2013 – V R 34/11, BFHE 239, 552, BStBl II 2013, 460; vom 18.04.2013 – V R 48/11, BFHE 241, 270, BStBl II 2013, 697 []
  8. BFH, Urteil vom 17.05.2017 – V R 52/15, BFHE 258, 124, BStBl II 2018, 218 []
  9. Wackerbeck, EFG 2020, 1370 []
  10. BFH, Urteil vom 12.03.2020 – V R 5/17, BFHE 268, 415 []

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