Der Mischlingshund als „gefährlicher Hund“ und die Rasselisten

Für sogenannte „gefährliche Hunde“ gibt es Sondervorschriften für die Haltung und die Hundesteuer, weshalb es für den Hundehalter wesentlich ist, ob sein Hund als „gefährlicher Hund“ eingestuft wird.

Hunde werden nicht nur dann als „gefährlich“ eingestuft, wenn es zuvor zu einem Beissvorfall gekommen ist, sondern in den den meisten Bundesländern auch dann, wenn sie zu einer bestimmten Rasse gehören. Problematisch wird es dann natürlich bei Mischlingshunden, bei denen in der Regel niemand weiß, welche Rassen an der Zeugung beteiligt waren.

Hierüber wurde nun auch vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im Rahmen eines Antrages auf Zulassung der Berufung gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin (mit dem eine Klage gegen eine Einstufung eines Mischlingshundes als „gefährlicher Hund“ abgewiesen worden war) gestritten.

In dem konkreten Fall streiten die Beteiligten darüber, ob es sich bei dem vom Kläger gehaltenen Hund Max, einem 2010 geborenen Mischlingsrüden, um die Kreuzung mit einem American Staffordshire Terrier und damit um einen gefährlichen Hund im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über das Halten und Führen von Hunden in Berlin 2004 (HuHG BE) handelt. Für derartige so genannte Listen-Hunde gilt von Gesetzes wegen u.a. ein genereller Leinen- und Maulkorbzwang, den der Kläger seinem Hund nicht zumuten möchte.

Während zwei Amtstierärzte (Dr. H und Dr. R) bei der Vorstellung des Hundes die Rasse des Hundes als American Staffordshire-Labrador-Mischling bestimmten, kam der vom Kläger beauftragte Hunderassen-Sachverständige Z in seinem Privatgutachten zu der Einschätzung, es seien Einkreuzungen gefährlicher Hunderassen entsprechend dem Berliner Hundegesetz nicht erkennbar. Das vom Kläger ebenfalls beauftragte Labor für klinische Diagnostik kam nach einer DNA-Untersuchung zu dem Befund, die Wahrscheinlichkeit, dass der Hund der Rasse American Staffordshire Terrier zuzuordnen sei, sei kleiner als 30%. In einem daraufhin vom Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf angeforderten Obergutachten kamen der Amtstierarzt Dr. N und der amtliche Tierarzt K aufgrund eines Vergleichs des äußeren Erscheinungsbildes des Hundes Max mit den Rassestandards der Fédération Cynologique Internationale (FCI) zu der Einschätzung, es überwögen eindeutig die Körpermerkmale des American Staffordshire Terriers, so dass der Hund als American Staffordshire Terrier-Mischling (mit Anteilen eines Labrador Retrievers) einzustufen sei. Gestützt auf dieses Obergutachten wies das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg den Widerspruch des Klägers gegen die Feststellung der Rassezugehörigkeit durch das Veterinäramt zurück.

Hiergegen klagte der Hundehalter.

Ein seitens des Verwaltungsgericts Berlin beauftragter Gutachter (auch über die Verwertbarkeit des Gutachtens stritten die Parteien, jedoch hat das Oberverwaltungsgericht die Verwertbarkeit bejaht, so dass dieser Streit an dieser Stelle nicht von Relevanz ist) ist zu dem Ergebnis gelangt, der Hund weise der Phänotypik nach Anteile des American Staffordshire Terriers auf.II.

Daraufhin hat das Verwaltungsgericht Berlin die Klage des Hundehalters abgewiesen.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen diese Entscheidug zurückgewiesen.

Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vermag der Kläger – so das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg – nicht mit dem Vorbringen zu wecken, die mit der Feststellung einer Zugehörigkeit zu einer als unwiderleglich gefährlich geltenden Hunderasse verbundene Rechtsfolge eines generellen Leinen- und Maulkorbzwanges sei unverhältnismäßig. Die damit verbundenen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung geklärt. Dass sich eine erhöhte Gefährlichkeit von Hunden aus ihrer Rassezugehörigkeit ergeben kann, mag zwar in der fachwissenschaftlichen Literatur umstritten sein, ist aber in der höchstrichterlichen Rechtsprechung1 sowie in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgericts Berlin-Brandenburg geklärt2.

Klargestellt hat die Rechtsprechung auch, dass der im ausnahmslosen Anlein- und Maulkorbzwang liegende Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Hundehalter gefährlicher Hunde und die Beeinträchtigung der artgerechten Haltung der Hunde aufgrund der hohen potentiellen Gefährlichkeit der Hunde, insbesondere in überraschenden Umweltsituationen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Die mit dem Leinen- und Maulkorbzwang verbundene Einschränkung der Möglichkeit des Hundehalters, seinen Hund in der Öffentlichkeit frei umherlaufen zu lassen, ist Ausdruck seiner Gemeinschaftsbezogenheit und -gebun-denheit und der insoweit vom Normgeber zu berücksichtigenden legitimen und schutzwürdigen Interessen anderer. Auch wenn – wie vom Kläger vorgetragen – insbesondere mit der Maulkorbpflicht eine Beeinträchtigung des Sozialverhaltens und des Wohlbefindens seines Hundes verbunden ist, durfte der Normgeber im Rahmen der von ihm vorzunehmenden Gefahrabschätzung dem Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit von Menschen oberste Priorität einräumen3.

Es mag zutreffen, dass es sich bei der von Hunden ausgehenden Gefahren um eine komplexe Gefährdungslage handelt, über die verlässliche wissenschaftliche Erkenntnisse noch nicht vorliegen, und der Berliner Gesetzgeber deshalb gehalten ist, die weitere Entwicklung zu beobachten und die Norm zu überprüfen und ggf. zu revidieren, falls sich erweist, dass die ihr zugrunde liegenden Annahme nicht mehr zutrifft4. Der Kläger hat jedoch nicht substantiiert dargetan, so das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandeburg, dass die vom Bundesverfassungsgericht wiedergegebene Annahme, dass bestimmte Zuchtmerkmale eines Hundes neben anderen Faktoren die Gefährlichkeit eines Hundes bestimmen, und dass die Fachwissenschaft nicht generell ausschließt, dass die Gefährlichkeit genetische Ursachen haben kann, sich nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als unzutreffend erwiesen hätte. Der Vortrag, die Berliner Rechtslage hänge mehr als zwanzig Jahre hinter dem Stand der Wissenschaft zurück, erschöpft sich in einer bloßen Behauptung. Allein die Tatsache, dass der niedersächsische Gesetzgeber, wie auch die Gesetzgeber in Schleswig-Holstein und in Thüringen auf eine Hunderassenliste verzichtet haben, lässt die Hunderassenlisten der übrigen Bundesländer nicht rechtswidrig erscheinen. Daran vermag auch die von Prof. Dr. H bei seiner Anhörung im Niedersächsischen Landtag geäußerte Auffassung, die der Kläger für seine Auffassung heranzieht, nichts zu ändern, wonach die Gefährlichkeit eines Hundes nicht von seiner Rasse abhänge. Die zahlreichen Expertenäußerungen zu dieser Frage hat der Senat in seinen o.g. Entscheidungen gewürdigt. Neue Erkenntnisse hat der Kläger nicht angeführt.

Ebenso „ins Blaue“ hinein behauptet der Kläger nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, dass der Berliner Normgeber seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts untätig geblieben sei. Letztlich schließt er dies allein aus der Tatsache, dass der Berliner Normgeber nach wie vor an der Rasseliste festgehalten hat. Dieser Schluss trägt allerdings nicht. Der Berliner Gesetzgeber hat das Gesetz über das Halten und Führen von Hunden in Berlin vom 29. September 2004 novelliert und dabei auch die Rasseliste einer Prüfung unterzogen. Er hat in § 32 Nr. 2 des Gesetzes über das Halten und Führen von Hunden in Berlin (HundeG) vom 07.07.2016 den Verordnungsgeber ermächtigt, durch Rechtsverordnung eine Liste der Rassen und Kreuzungen von Hunden zu regeln, die als gefährlich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 HundeG 2016 gelten, also Hunde, bei denen aufgrund rassespezifischer Merkmale oder Abstammung von einer über das natürliche Maß hinausgehenden Kampfbereitschaft, Angriffslust, Schärfe, einem nicht ständig kontrollierbaren Jagdtrieb oder einer anderen in ihrer Wirkung vergleichbaren, Mensch oder Tier gefährdenden Eigenschaft auszugehen ist. Der Verordnungsgeber hat die Rasseliste gegenüber der bisher geltenden und der Entscheidung zugrunde liegenden Rechtslage, wonach zehn Hunderassen unwiderleglich als gefährlich gelten, auf drei Rassen und ihre Kreuzungen reduziert, wobei der American Staffordshire Terrier nach wie vor gelistet ist (vgl. § 1 Nr. 2 der Verordnung zur Bestimmung der gefährlichen Hunde im Sinne des § 5 Absatz 1 Satz 1 des Hundegesetzes [Gefährliche-Hunde-Verordnung – GefHuVO] vom 22.08.2016 [GVBl. 2016, 543]). Der Aufnahme dieser Rasse ging eine Prüfung voraus, nach deren Ergebnis es sich bei den gelisteten Rassen Pittbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier und Bullterrier um zwar nicht überdurchschnittlich große, jedoch um äußerst muskulöse, relativ schwere und kraftvolle Rassen handele. Die anatomische Beschaffenheit des Kopfes (u.a. kräftige Muskulatur) belege die große Beißkraft dieser Hunde. Beschrieben werde zudem ein Beißverhalten wie langes Verbeißen und starkes Zerren des Bissopfers. Allein aufgrund dieses Beißverhaltens und ihrer physischen Merkmale bestehe bei Beißvorfällen mit diesen Hunden ein erhöhtes Risiko schwerer Verletzungen. Die reduzierte Liste orientiere sich maßgeblich an den im Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz des Bundes genannten Rassen und berücksichtige den sehr geringen Anteil der aus der Liste gestrichenen Rassen an der Gesamthundepopulation Berlins sowie die Tatsache, dass Hunde dieser Rassen laut Berliner Beißstatistik in den vergangenen Jahren zudem kaum auffällig geworden seien (vgl. Einzelbegründung zu § 1 der Verordnung in der Vorlage zur Kenntnisnahme an das Abgeordnetenhaus von Berlin, Abghs.-Drs. 17/3118).

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.11.2018 – OVG 5 N 4.16
ECLI:DE:OVGBEBB:2018:1114.OVG5N4.16.00

  1. BVerfG, Urteil vom 16.03.2004 – 1 BvR 1778/01; Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Urteil vom 12.07.2001 – 152/00 []
  2. OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 15.11.2007 – OVG 5 A 1.06, bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 07.07.2008 – 6 BN 1.08; vom 06.09.2012 – OVG 5 A 2.06, bestätigt BVerwG, Beschluss vom 02.08.2013 – 6 BN 1.13 []
  3. Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Urteil vom 12.07.2001 – 152/00 []
  4. BVerfG, Urteil vom 16.03.2004 – 1 BvR 1778/01 []

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