Gewerbeimmobilie: Nebenkosten mit oder ohne Umsatzsteuer?

Vermieter von Gewerbeimmobilien können zur Umsatzsteuer optieren, so dass zu der Miete noch eine zu zahlende Umsatzsteuer hinzukommt (die der Mieter dann wieder als Vorsteuer im Rahmen seiner Umsatzsteuererklärung abziehen kann).

Wie sieht es nun aber mit den Nebenkosten aus? Darf oder muss hierauf auch Umsatzsteuer aufgeschlagen werden?

Mit dieser Frage hatte sich nun der Bundesgerichtshof zu beschäftigen.

In dem konkreten Fall vermietete die Klägerin dem Beklagten für dessen Unternehmen eine Gewerbeimmobilie. In § 4 des Mietvertrags ist vereinbart, der Mietzins betrage monatlich 10.500 € zuzüglich der jeweils gültigen Umsatzsteuer.

In § 6 ist vereinbart:

Die Mieterin trägt alle auf dem Grund-und Gebäudebesitz ruhenden öffentlichen und privaten Lasten einschließlich Grundsteuern, … [und] Versicherungsprämien… Die Mieterin wird dazu, soweit als möglich, in direkte Vertragsbeziehungen zu den zuständigen Versorgern und Entsorgern und sonstigen Dienstleistern treten. Soweit Betriebs- und Nebenkosten gegenüber der Vermieterin abgerechnet werden, berechnet die Vermieterin diese zur sofortigen Begleichung bzw. Erstattung an die Mieterin weiter.

Die Klägerin erteilte eine Nebenkostenabrechnung über Grundbesitzabgaben und Versicherungskosten für das Jahr 2018 zuzüglich darauf entfallender Umsatzsteuer. Der Beklagte zahlte den Rechnungsbetrag ohne den Umsatzsteueranteil, da die Steuer seiner Auffassung nach nur für die Nettomiete, nicht aber für die Nebenkosten geschuldet sei.

Das Amtsgericht Mettmann hat die auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags gerichtete Klage abgewiesen 1. Das Landgericht Wuppertal hat als Berufungsinstanz das Urteil abgeändert und den Beklagten antragsgemäß verurteilt 2.

Hiergegen richtet sich seine vom Landgericht Wuppertal zugelassene Revision.

Diese blieb beim Bundesgerichtshof ohne Erfolg.

Das Landgericht Wuppertal hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Zwar sei die Verpflichtung zur Zahlung des jeweils gültigen Umsatzsteuersatzes im Mietvertrag nur für die (Netto-)Miete selbst geregelt, nicht jedoch für die Nebenkosten. Habe der Vermieter jedoch für die Umsatzsteuerpflicht optiert, gelte das im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auch für alle Nebenkosten, unabhängig davon, ob diese im Einzelnen mit Vorsteuern belastet seien. Die Nebenkosten seien nämlich nicht lediglich durchlaufende Kosten und würden nicht nuran den Mieterweitergeleitet, sondern sie seien eigenerAufwand des Vermieters und deren Umlage Teil der Gesamtmiete. Eine Umsatzsteueroption nur für einzelne unselbständige Bestandteile der einheitlichen Leistung oder für einzelne Nebenleistungen sei grundsätzlich nicht möglich.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand, so der Bundesgerichtshof.

Gemäß § 535 Abs. 2 BGB ist der Mieter verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten.Wie sich aus dem in § 556 Abs. 1 Satz 1 BGB niedergelegten Rechtsgedanken ergibt, können die Vertragsparteien auch vereinbaren, dass der Mieter Betriebskosten trägt. Da § 556 BGB zum Unterkapitel „Vereinbarungen über die Miete“ gehört, sind Betriebskosten nach der Systematik des Gesetzes als Bestandteil der Miete anzusehen. Die vom Mieter zu erbringenden Leistungsentgelte (Grundmiete und Nebenkosten) sind die Gegenleistung für die vom Vermieter geschuldete Gesamtleistung. Außerdem können die Parteien eines gewerblichen Mietverhältnisses vereinbaren, dass der Mieter die Umsatzsteuer auf Miete und Nebenkosten übernimmt, wenn eine solche anfällt 3.

Nach der vom Landgericht Wuppertal vorgenommenen ergänzenden Vertragsauslegung hat sich der Beklagte verpflichtet, neben der Grundmiete auch die Betriebskosten in Form von Grundbesitzabgaben und Versicherungskosten zuzüglich darauf entfallender Umsatzsteuer zu tragen. Diese Auslegung einer Individualvereinbarung gemäß §§ 133, 157 BGB ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Dessen Auslegung ist für das Revisionsgericht bindend, wenn sie rechtsfehlerfrei vorgenommen worden ist und zu einem vertretbaren Auslegungsergebnis führt, selbst wenn ein anderes Auslegungsergebnis möglich erscheint. Sie kann deshalb vom Revisionsgericht grundsätzlich nur darauf überprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt worden ist, ob gesetzliche Auslegungsregeln oder allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder die Denkgesetze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht 4. Solche Fehler liegen hier nicht vor, so der Bundesgerichtshof.

Zutreffend hat das Landgericht Wuppertal seiner Auslegung zugrunde gelegt, dass die hier umgelegten Betriebskosten der Umsatzbesteuerung unterliegen.

Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen die Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Ausgenommen hiervon ist gemäß § 4 Nr. 12 lit. a UStG die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken. Jedoch kann der Unternehmer einen Umsatz, der nach dieser Bestimmung steuerfrei ist, gemäß § 9 Abs.1, 2 UStG als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird und der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin gemäß § 9 UStG zur Umsatzbesteuerung der von ihr erbrachten Leistung optiert. Infolgedessen ist die Steuer auf den gesamten Umsatz entstanden, somit auf die gesamte Miete einschließlich der Nebenkosten 5. Soweit der Beklagte einwendet, auf Versicherungsbeiträge seien bereits Versicherungssteuern erhoben, steht dies einer Umsatzsteuerpflicht nicht nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 UStG entgegen, so der Bundesgerichtshof. Denn bei der Versicherungssteuer handelt es sich nicht um eine Umsatzsteuer im Sinne dieser Vorschrift 6. Die Klägerin ist somit verpflichtet, die Steuer zu entrichten. Dies geschieht entweder im Wege der Vorsteuer oder, wie bei den Grundbesitzabgaben und Versicherungskosten, im Wege der Abführung der darauf entfallenden Umsatzsteuer an das Finanzamt 7. Die Steuerpflicht entfällt mithin nicht anteilig insoweit, als einzelne Nebenkosten nicht mit Vorsteuern vorbelastet sind 8. Eine derartige Differenzierung ist insbesondere nicht gemeinschaftsrechtlich geboten. Zwar sind Art. 14 Abs. 1, 15 Abs. 1 und 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2009/162/EU des Rates vom 22. Dezember 2009 geänderten Fassung dahin auszulegen, dass die Vermietung einer Immobilie und die Lieferung etwa von Wasser, Elektrizität und Wärme sowie die Abfallentsorgung, die diese Vermietung begleiten, grundsätzlich als mehrere unterschiedliche und unabhängige Leistungen anzusehen sind, die unter Mehrwertsteuergesichtspunkten getrennt zu beurteilen sind.

Das gilt aber dann nicht, wenn gewisse Bestandteile des Umsatzes einschließlich derer, die die wirtschaftliche Grundlage des Vertragsabschlusses bilden, so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs 9 obliegt es dem nationalen Gericht, die notwendigen Bewertungen unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, unter denen die Vermietung und die sie begleitenden Leistungen abgewickelt werden, und insbesondere des eigentlichen Vertragsinhalts vorzunehmen. Für das deutsche Recht sind die Gebrauchsüberlassung und die hier in Rede stehenden Aufwendungen des Vermieters insoweit als eine – auch umsatzsteuerrechtlich – einheitliche Leistung an den Mieter anzusehen, die dieser durch die Grundmiete und die Nebenkostenumlage einheitlich vergütet.

Schließlich nehmen die hier streitgegenständlichen Positionen auch nicht eine umsatzsteuerrechtliche Sonderrolle als „durchlaufende Posten“ein, die gemäß § 10 Abs. 1 Satz 5 UStG nicht zum Entgelt gehören. Solche liegen nur vor, wenn der Unternehmer im Zahlungsverkehr lediglich die Funktion einer Mittelsperson ausübt, ohne selbst Anspruch auf den Betrag gegen den Leistenden zu haben und auch nicht zur Zahlung an den Empfänger verpflichtet zu sein. Daran fehlt es hier, weil in der direkten Leistungsbeziehung nicht der Beklagte als Mieter, sondern die Klägerin als Vermieterinzur Begleichung der Grundsteuer und Versicherungsprämie verpflichtet ist.

Ausgehend hiervon ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht Wuppertal den Mietvertrag dahin ausgelegt hat, der Beklagte habe sich zur Tragung der Grundbesitzabgaben und Versicherungskosten zuzüglich darauf entfallender Umsatzsteuer verpflichtet.

DemBeklagten war bekannt, dass die Klägerin nach § 9 UStG zur Umsatzbesteuerung optiert hatte. Das folgt bereits aus der Vereinbarung in §4 des Mietvertrags, worin eine monatliche Miete „zuzüglich der jeweils gültigen Umsatzsteuer“vereinbart war. Zugleich war demBeklagten damit bewusst, dass er eine die Steuer ausweisende Rechnung erhältund seinerseits den Vorsteuerabzug nutzen kann.Wegen der Einheitlichkeit der vom Mieter zu erbringenden Leistungsentgelte (Grundmiete und Nebenkosten) stand damit zugleich fest, dass die Klägerin auch auf die Umlage der Grundbesitzabgaben und Versicherungskosten Um-atzsteuer zu entrichten und diese in ihren Rechnungen auszuweisen hatte, der Beklagte also auch insoweit den Vorsteuerabzug nutzen konnte.

Würde man den Vertrag so auslegen, dass nur der Nettobetrag der Grundbesitzabgaben und Versicherungskosten auf den Beklagten umgelegt sei, bedeutete dies für die Klägerin einen Verlust in Höhe der Umsatzsteuer, welche sie auf diese Beträge in jedem Fall abzuführen hat 10. Gleichzeitig wäre der Beklagte dadurch begünstigt, dass er nur den Nettobetrag an die Klägerin zahlen müsste, hiervon jedoch den darauf entfallenden und in der Rechnung auszuweisenden (§ 14 UStG) Umsatzsteuersatz als Vorsteuerabzug geltend machen könnte. Dem entgegen ist das Landgericht Wuppertal davon ausgegangen, dass die Parteien die der Klägerin entstehenden Aufwendungen an Grundbesitzabgaben und Versicherungskosten insgesamt gewinn- und verlustfrei auf den Beklagten umlegen wollten. Dies konnte nur dadurch bewirkt werden, dass der Beklagte wie auf die Grundmiete auch auf die Nebenkosten die darauf entfallende Umsatzsteuer zu tragen hatte. Eine Vertragsauslegung des Landgerichts Wuppertal, die dies zum Inhalt hat, hält sich im Rahmen einer verbreiteten Rechtsauffassung 11 und verstößt jedenfalls nicht gegen geltende Auslegungsprinzipien oder gegen Denkgesetze.

BGH, Urteil vom 30.09.2020 – XII ZR 6/20

ECLI:DE:BGH:2020:300920UXIIZR6.20.0


  1. AG Mettmann, Urteil vom 07.08.2019 -22 C 100/19
  2. LG Wuppertal, Urteil vom 12.12.2019 -9 S 156/19
  3. BGH, Urteile vom 25.07.2001 -XIIZR 137/99; vom 28.07.2004 -XII ZR 292/02
  4. BGH, Urteil vom 08.04.2020 -XII ZR 120/18, NJW-RR 2020, 656
  5. OFD Köln, DB 1985, 2227; Staudinger/Artz BGB [2018] § 556 Rn. 48a; LG Hamburg ZMR 1998, 294
  6. BFH, Beschluss vom 23.11.2010 -V B 119/09
  7. Wall, Betriebs-und Heizkostenkommentar, 5. Aufl. Rn. 1267b
  8. OFD Köln DB 1985, 2227; Staudinger/Artz BGB [2018] § 556 Rn. 48a
  9. EuGH, Urteil vom 16.04.2015 -C-42/14, NZM 2015, 529
  10. LG Hamburg, ZMR 1998, 294f.; Schmidt-Futterer/Langenberg Mietrecht 14. Aufl. § 556 BGB Rn. 70
  11. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 1035; Schmidt-Futterer/Langenberg Mietrecht 14. Aufl. § 556 BGB Rn.70, 372; Lützenkirchen, Mietrecht, 2. Aufl. § 556 BGB Rn. 857; Westphal ZMR 1998, 262, 264f.; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht-und Leasingrechts, 10. Aufl. Rn.514; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl. Rn. III 26

Sie sind derzeit offline!