Durch eine undichte Silikonfuge tritt Wasser nicht bestimmungsgemäß aus – Pech für den Versicherungsnehmer

Hauseigentümer tun gut daran, eine Wohngebäudeversicherung abzuschliessen  (und dabei auch darauf zu achten, was konkret alles versichert ist). Dies hat man nicht nur aktuell bei den Schäden durch das Hochwasser dieses Jahr gesehen. Dies wird aber auch dann jedem Hauseigentümer klar, wenn z.B. Rohrbrüche auftreten. Dann sind nämlich Kosten für Reparaturarbeiten, gegebenenfalls für erhebliche Folgeschäden und Trocknungsarbeiten etc. aufzuwenden. Diese können erheblich werden. Es steht aber immer die Frage im Raum: Was ist versichert?

Ist es zum Beispiel vom Versicherungsumfang gedeckt, wenn ein Wasserschaden durch eine undichte Silikonfuge zwischen Duschtasse und Fliesen entstanden ist?

Der Bundesgerichtshof hat diese Frage für die üblichen Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen verneint.

Worum ging es konkret?

Der Eigentümer nahm den beklagten Versicherer auf Versicherungsleistungen wegen eines Wasserschadens in Anspruch.
Der Wohngebäudeversicherung lagen die Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen der Beklagten (im Folgenden: VGB 2008) zugrunde. In Teil A VGB 2008 heißt es:

§ 3 Leitungswasser
1. Bruchschäden innerhalb von Gebäuden
Der Versicherer leistet Entschädigung für innerhalb von Gebäuden eintretende

b) frostbedingte Bruchschäden an nachfolgend genannten Installationen:
aa) Badeeinrichtungen, Waschbecken, Spülklosetts, Arma-turen …
2. Bruchschäden außerhalb von Gebäuden

3. Nässeschäden
Der Versicherer leistet Entschädigung für versicherte Sachen, die durch bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden oder abhanden kommen.
Das Leitungswasser muss aus Rohren der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen) oder damit verbundenen Schläuchen, den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrich-tungen oder deren wasserführenden Teilen, aus Einrichtungen der Warmwasser- oder Dampfheizung, aus Klima-, Wär-mepumpen oder Solarheizungsanlagen, aus Wasserlösch- und Berieselungsanlagen sowie aus Wasserbetten und Aquarien ausgetreten sein.

In dem versicherten Gebäude kam es aufgrund der Undichtigkeit ei-ner Silikonfuge im Duschbereich einer Wohnung zu einem Wasserschaden.

Das Landgericht Aschaffenburg hat die Klage abgewiesen 1. Mit seiner dagegen zum Oberlandesgerict Bamberg erhobenen Berufung hatte der Kläger zum Teil Erfolg 2.

Diese Entcheidung hat der Bundesgerichtshof aufgehoben und die Klage in Gänze abgewiesen.

Die Entscheidung:

Die Beklagte hat nicht für Schäden aufgrund der undichten Fuge einzustehen. Das ergibt die Auslegung von Teil A § 3 Nr. 3 Satz 2 VGB 2008.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versi-cherungsnehmer erkennbar sind 3.

Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich um ein versichertes Ereignis handelt, wenn Wasser durch eine undichte Fuge zwischen einer Duschwanne und einer angrenzenden Wand gelangt, wird ein Versicherungsnehmer Teil A § 3 VGB 2008 mit der Überschrift „Leitungswasser“ finden, der unter Nr. 1 und 2 Näheres zu „Bruchschäden“ und unter Nr. 3 zu „Nässeschäden“ bestimmt. Da der Versicherungsnehmer eine undichte Fuge nicht als Bruchschaden einordnet, wird er seine Aufmerksamkeit auf Teil A § 3 Nr. 3 VGB 2008 richten, so der Bundesgerichtshof.

Nach Teil A § 3 Nr. 3 Satz 1 VGB 2008 leistet der Versicherer Entschädigung für versicherte Sachen, die durch bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden oder abhanden kommen. Gemäß Satz 2 der Klausel muss das Leitungswasser aus Rohren der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen) oder damit verbundenen Schläuchen, den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen oder deren wasserführenden Teilen, aus Einrichtungen der Warmwasser- oder Dampfheizung, aus Klima-, Wärmepumpen oder Solarhei-zungsanlagen, aus Wasserlösch- und Berieselungsanlagen sowie aus Wasserbetten und Aquarien ausgetreten sein. Ein Versicherungsnehmer wird sich an diesem Wortlaut orientieren und feststellen, dass bei einer undichten Fuge Wasser nicht aus Rohren der Wasserversorgung oder da-mit verbundenen Schläuchen ausgetreten ist. In Betracht wird er – so die Auffassung des Bundesgerichtshofs – dagegen die Alternative ziehen, dass Wasser aus „den mit diesem Rohrsystem ver-bundenen sonstigen Einrichtungen“ ausgetreten ist, zumal er die im An-schluss hieran aufgeführten weiteren Alternativen für nicht einschlägig halten wird.

Der Versicherungsnehmer wird sich fragen, ob im Fall einer undichten Fuge zwischen einer Duschwanne und einer angrenzenden Wand Wasser aus „den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrich-tungen“ ausgetreten ist. Er wird annehmen, dass eine Einrichtung eine (technische) Vorrichtung oder Anlage ist 4, wobei er dem Wortlaut von Teil A § 3 Nr. 3 Satz 2 VGB 2008 entnehmen wird, dass die Vorrichtung mit dem Rohrsystem der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen) verbunden sein muss. Diese Voraussetzung wird er hinsichtlich einer undichten Fuge, die keine Verbindung mit dem Rohrsystem aufweist, verneinen 5.

Anhaltspunkte dafür, die Duschwanne, die Fugen, die angrenzen-den Wände und die sonstigen Bauteile einer Dusche als einheitliche Einrichtung anzusehen, die über den Zulauf (Duschkopf) und Ablauf (Abwasserleitung) mit dem Rohrsystem verbunden ist, wird der Versicherungsnehmer der Klausel entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung nicht entnehmen können 6. Eine Einbeziehung der Dusche als Sachgesamtheit, wie sie von der Gegenauffassung mit Blick auf das Interesse des Versicherungsnehmers angenommen wird, wird der Versicherungsnehmer für ausgeschlossen halten, weil er im Klauselwortlaut keinen Hinweis auf eine funktionale Betrachtung findet, nach welcher sämtliche dem Zweck der Dusche dienenden, den Luftraum über der Duschwanne umgrenzenden Bauteile einzubeziehen wären. Teil A § 3 Nr. 3 Satz 2 VGB 2008 erwähnt in keiner Alternative eine funktionale, auf einen Raum bezogene Sachgesamtheit; vielmehr stellt die Klausel auf konkrete Gegenstände ab. Das Wort „sonstigen“ vor dem Begriff „Einrichtungen“ verdeutlicht – so die Auffassung des Bundesgerichtshofs – dem Versicherungsnehmer, dass diese Einrichtungen eine mit den zuvor genannten Rohren und Schläuchen vergleichbare Qualität haben, also gleichfalls abgrenzbare Einzelgegenstände sein müssen. Er wird annehmen, dass die Einrichtungen eine physische Verbindung mit dem Rohrsystem aufweisen müssen, wobei mittelbare, über andere Be-standteile einer Funktionseinheit vermittelte Verbindungen nicht genügen.

Soweit die Revisionserwiderung auf Teil A § 3 Nr. 1 b) aa) VGB 2008 hinweist, wonach als „Installationen“, deren Bruchschäden zu entschädigen sind, „Badeeinrichtungen, Waschbecken, Spülklosetts“ genannt werden, gilt nichts Anderes. Jener Klausel, die sich nicht zu Nässeschäden verhält und andere Begriffe als der hier in Rede stehende Teil A § 3 Nr. 3 Satz 2 VGB 2008 verwendet, lässt sich nichts für die Einbezie-hung einer Dusche als Sachgesamtheit hinsichtlich der Abdeckung von Nässeschäden entnehmen.
Die Erkenntnis, dass Duschen in ganz unterschiedlicher baulicher Gestaltung ausgeführt werden, wird den Versicherungsnehmer in dem Verständnis bestärken, dass es nicht auf eine dem Duschen dienende Sachgesamtheit ankommt, welche etwa bei niveaugleichen und barriere-frei ausgeführten, gegebenenfalls seitlich offenen Duschen ohne Duschwanne im Einzelfall kaum räumlich begrenzt werden könnte und bei Duschräumen in Schwimmbädern oder Sporteinrichtungen den gesamten Raum umfassen müsste. Kaum abgrenzbare Teile eines Raumes oder sogar ganze Räume wird der Versicherungsnehmer nicht als mit dem Rohrsystem verbundene sonstige Einrichtungen im Sinne von Teil A § 3 Nr. 3 Satz 2 VGB 2008 ansehen, weshalb er das von der Gegenauffassung herangezogene funktionale Kriterium, das bei jeder Dusche unabhängig von ihrer baulichen Ausführung bejaht werden müsste, als untauglich ansehen würde.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erwartet von seiner Wohngebäudeversicherung einen umfassenden und soweit sich aus ihr keine Einschränkungen ergeben lückenlosen Schutz 7. In dieser Erwartung sieht er sich durch sein Verständnis von Teil A § 3 Nr. 3 Satz 2 VGB 2008 nicht getäuscht. Vielmehr wird er den Zweck dieser Klausel und ihren Sinnzusammenhang mit dem voranstehenden Satz dahingehend verstehen, das dort gewährte Leistungsversprechen für Schäden durch austretendes Leitungswasser insofern zu konkretisieren, als dieses nur für Leitungswasser aus bestimmten, abschließend aufgezählten Quellen gilt.

Die Beklagte ist demnach leistungsfrei, weil Wasser nicht aus einer in Teil A § 3 Nr. 3 Satz 2 VGB 2008 genannten Quelle ausgetreten ist. Auf die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB kommt es entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ebenso wenig an wie auf die von dem Berufungsgericht und den Parteien erörterten weiteren Fragen, so der Bundesgerichtshof abschliessend.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.10.2021 – IV ZR 236/20

ECLI:DE:BGH:2021:201021UIVZR236.20.0


  1. LG Aschaffenburg, Urteil vom 04.12.2019 – 15 O 324/18
  2. OLG Bamberg, Urteil vom 27.08.2020 – 1 U 14/20
  3. BGH, Urteil vom 04.11.2020 – IV ZR 19/19, VersR 2021, 21
  4. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Aufl. Band 3 Stichwort Einrichtung
  5. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.07.2013 – 4 U 24/13; LG Mönchengladbach, Urteil vom 17.01.2013 – 1 O 130/12; AG Aachen, Urteil vom 10.07.2013 – 109 C 19/13
  6. LG Mönchengladbach, Urteil vom 17.01.2013 – 1 O 130/12; AG Aachen, Urteil vom 10.07.2013 109 – C 19/13
  7. BGH, Urteil vom 12.07.2017 – IV ZR 151/15, VersR 2017, 1076

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