Die „ca.“-Angabe im Wohnraummietvertrag

In Mietverhältnissen kommt es immer gerne dann zum Streit, wenn die Miete erhöht wird. Dann kommt der Mieter auch auf die Idee, einma die tatsächliche Wohnfläche auszumessen. Nicht selten kommt man dann zu der Erkenntnis, dass die tatsächliche Wohnfläche von der abweicht, die im Mietvertrag steht.

Nun steht dort aber „ca.“ x m²! Was nun?

Grundsätzlich vertritt der Bundesgerichtsof die Auffassung, dass eine Abweichung von dieser „ca.“-Angabe bis zu 10 % noch keinen Mangel darstellt. Aber gilt das immer?

Nicht ganz, hat der Bundesgerichtshof nun entschieden.

Worum ging es?

Die Beklagten mieteten vom Rechtsvorgänger der Klägerin eine Wohnung in Bonn. In § 1 des Mietvertrags heißt es, dass die Wohnung im „Erd- und Unter- und Zwischengeschoss“ vermietet werde, deren Größe „ca. 180 qm“ betrage. Bei einer im Jahr 2010 begehrten Mieterhöhung legte der Rechtsvorgänger der Klägerin eine Wohnfläche von 177 qm zugrunde. Die von den Beklagten gezahlte Nettomiete belief sich seither auf 1.570,75 €.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin die Beklagten wiederum auf der Grundlage einer Wohnfläche von 177 qm auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung auf monatlich 1.806,37 € sowie auf Nachzahlung von Betriebskosten in Anspruch genommen. Im Wege der Widerklage haben die Beklagten die Erstattung erbrachter Mietzahlungen in Höhe von insgesamt 47.493,50 € begehrt und diese Forderung darauf gestützt, dass die tatsächliche Wohnfläche lediglich 144,50 qm betrage und aufgrund des in dieser erheblichen Abweichung liegenden Mangels die Miete entsprechend gemindert gewesen sei.

Das Amtsgericht Bonn hat der Klage bezüglich eines Teils der Betriebskostennachforderung stattgegeben und im Übrigen die Klage und die Widerklage abgewiesen1. Das Berufungsgericht, das Landgericht Bonn, hat die Berufung der Beklagten, soweit sie gegen die Abweisung der Widerklage gerichtet gewesen ist, sowie die Anschlussberufung, mit der die Klägerin ihr Mieterhöhungsbegehren und den vom Amtsgericht abgewiesenen Teil der Nebenkostennachforderung weiterverfolgt hat, zurückgewiesen2, aber die Revision zugelassen.

Die Entscheidung:

Der Bundesgerichtshof hat mitgeteilt, dass er beansichtigt, die Revision einstimmig gemäß 552a ZPO zurückzuweisen und dies aus folgenden Gründen:

Die vom Berufungsgericht für die Zulassung der Revision gegebene Begründung, den Beklagten solle die Überprüfung ermöglicht werden, ob die Kammer bei der Beurteilung der Widerklageforderung die Ausführungen des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 16.09.20093 zutreffend auf den vorliegenden Fall angewendet habe, füllt keinen Zulassungsgrund im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO aus. Die bloße Anwendung bereits geklärter Grundsätze auf den Einzelfall verleiht der Sache keine grundsätzliche Bedeutung, so der Bundesgerichtshof.

Ebenso wenig gebietet die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung vorliegend die Zulassung der Revision.

Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat Rückzahlungsansprüche aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB wegen überzahlter Miete rechtsfehlerfrei verneint, so der Bundesgerichtshof weiter. Die von den Beklagten geleisteten Mietzahlungen sind insgesamt mit Rechtsgrund erfolgt, weil der von ihnen geltend gemachte Mangel einer zu geringen Wohnfläche nicht besteht und die Miete des-halb nicht gemindert ist.
Allerdings ist die Angabe der Wohnfläche im Mietvertrag nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig nicht als unverbindliche Beschreibung, son-dern als Beschaffenheitsvereinbarung anzusehen, die bei einer Abweichung von mehr als 10 % zu einem Mangel der Mietsache führt4.

Der Begriff der Wohnfläche ist auslegungsbedürftig, denn er hat keinen feststehenden Inhalt, und eine verbindliche Regelung zur Berechnung von Flächen bei preisfreiem Wohnraum fehlt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können für die Auslegung des Begriffs der Wohnfläche grundsätzlich auch beim frei finanzierten Wohnraum die für den preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen herangezogen werden, es sei denn, die Parteien haben dem Begriff der Wohnfläche im Einzelfall eine abweichende Bedeutung beigemessen oder ein anderer Berechnungsmodus ist ortsüblich oder nach der Art der Wohnung naheliegender5. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt somit einer Vereinbarung der Parteien darüber, welche Flächen in die Berechnung der Wohnfläche einzubeziehen sind, Vorrang zu. Eine solche Vereinbarung liegt hier nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts vor.
Das Berufungsgericht hat den Mietvertrag dahin ausgelegt, dass die Parteien mit der Formulierung, die Räume im Erd-, Zwischen- und Untergeschoss würden „zur Benutzung als Wohnraum“ vermietet, vereinbart haben, dass die Grundflächen dieser von den Beklagten auch tatsächlich als Wohnraum genutzten Räume in die Berechnung der im Mietvertrag vereinbarten Wohnfläche ein-fließen sollten. Diese Auslegung kann als tatrichterliche Würdigung einer Individualvereinbarung vom Revisionsgericht nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist oder die Auslegung auf mit der Revision gerügten Verfahrensfehlern beruht6.

Einen derartigen Rechtsfehler legt die Revision nicht dar, so der Bundesgerichtshof. Soweit sie geltend macht, die Bezeichnung der Räume als Wohnraum habe lediglich der Abgrenzung zu einer hier nicht vorgenommenen gewerblichen Vermietung gedient, setzt sie revisionsrechtlich unbehelflich lediglich ihre eigene Würdigung an die Stelle der Beurteilung des Berufungsgerichts, zeigt aber einen Rechtsfehler nicht auf. Entsprechendes gilt für den weiteren Einwand der Revision, die Streichung der hälftigen Anrechnung der Flächen von Balkon, Terrasse und Loggia könne verschiedene Gründe haben und lasse eindeutige Rückschlüsse nicht zu.
Ohne Erfolg rügt die Revision ferner, die Räume im Kellergeschoss seien wegen unterdurchschnittlicher Beleuchtung nicht als Wohnraum genehmigungsfähig und wegen einer daraus folgenden eingeschränkten Nutzbarkeit auch nur als Gästezimmer genutzt, was lediglich einer Nutzung von 50 % entspreche und einer Anrechnung der gesamten Grundfläche entgegenstehe. Die Revision verkennt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs, dass sich aus einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsbeschränkung mangels Einschreitens der Behörde keine zur Minderung berechtigende Einschränkung der Nutzbarkeit ergibt7.

Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist es den Mietvertragsparteien unbenommen, im Rahmen einer Wohnflächenvereinbarung auch die Anrechnung von Flächen wie hier solche mit unterdurchschnittlicher Beleuchtung vorzusehen, die etwa nach der II. Berechnungsverordnung oder der Wohnflächenverordnung nicht oder nicht vollständig zu berücksichtigen sind.
Fehl geht schließlich der weitere Einwand der Revision, das Berufungsgericht hätte bei der Auslegung des Mietvertrags bezüglich der Wohnfläche berück-sichtigen müssen, dass die Klägerin das im vorliegenden Prozess mit der Klage verfolgte Mieterhöhungsbegehren auf eine Wohnfläche von 177 qm gestützt habe. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, bei der Mieterhöhung auf die tatsächliche Wohnfläche abzustellen, es den Beklagten aber zu verwehren, sich bei der Frage des Mangels und der Mietminderung auf die tatsächliche Wohnfläche zu berufen, sei widersprüchlich.
Die Revision verkennt insoweit die grundlegenden Unterschiede zwischen einer für die Frage des Sachmangels maßgeblichen Vereinbarung der Mietvertragsparteien über die Wohnfläche einerseits und einer Mieterhöhung nach dem Vergleichsmietenverfahren (§ 558 BGB) andererseits. Bei einer Beschaffenheits-vereinbarung über die Wohnfläche bestimmen die Parteien, wie sie die Wohnflä-che verstanden wissen wollen und welche Flächen nach ihren Vorstellungen dahin einzurechnen sind. Bei der Mieterhöhung nach § 558 BGB ist dagegen die nach objektiven Kriterien ermittelte tatsächliche Wohnfläche der streitigen Wohnung maßgeblich. Etwaige abweichende Vereinbarungen der Parteien über die Wohnfläche beziehungsweise deren Berechnung sind insoweit gemäß § 558 Abs. 6 BGB unwirksam. Zu Recht verweist die Revisionserwiderung insoweit auf die (neuere) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach jede in einem Mietvertrag über die Wohnfläche enthaltene Angabe für das Mieterhöhungsverfahren nach § 558 BGB ohne jede Bedeutung und insofern vielmehr allein die tatsächliche Wohnfläche maßgeblich ist8.
Somit weist die Auslegung des Berufungsgerichts, dass die Grundflächen des Untergeschosses nach der Vereinbarung der Parteien im Mietvertrag bei der Wohnfläche miteinzurechnen waren, einen Rechtsfehler nicht auf. Dass bei dieser Berechnung der geltend gemachte Sachmangel einer erheblich zu geringen Wohnfläche nicht besteht, steht zwischen den Parteien nicht in Streit.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.06.2021 – VIII ZR 26/20

ECLI:DE:BGH:2021:220621BVIIIZR26.20.0

  1. AG Bonn, Urteil vom 14.06.2019 – 203 C 262/16 []
  2. LG Bonn, Urteil vom 30.01.2020 – 6 S 82/19 []
  3. BGH, Urteil vom 16.09.2009 – VIII ZR 275/08, NJW 2009, 3421 []
  4. BGH, Urteile vom 24.03.2004 – VIII ZR 295/03, NJW 2004, 1947; vom 23.05.2007 – VIII ZR 138/06, NJW 2007, 2626; vom 16.09.2009 – VIII ZR 275/08, NJW 2009, 3421). Dies gilt anders als das Berufungsgericht meint auch dann, wenn die Angabe der Wohnfläche im Mietvertrag wie hier mit dem Zusatz „circa“ versehen ist ((BG, Urteil vom 17.04.2019 – VIII ZR 33/18, NZM 2019, 536 []
  5. BGH, Urteile vom 24.03.2004 – VIII ZR 44/03, NJW 2004, 2230; vom 23.05.2007 – VIII ZR 231/06, NJW 2007, 2624; vom 16.09.2009 – VIII ZR 275/08; vom 17.04.2019 – VIII ZR 33/18 []
  6. BGH, Urteile vom 23.04.1997 – VIII ZR 212/96, BGHZ 135, 269, 273; vom 16.09.2009 – VIII ZR 275/08; vom 06.12.2017 – VIII ZR 219/16, NJW-RR 2018, 822 []
  7. BGH, Urteil vom 16.09.2009 – VIII ZR 275/08 []
  8. BGH, Urteile vom 18.11.2015 – VIII ZR 266/14, BGHZ 208, 18; vom 27.02.2019 – VIII ZR 255/17, NZM 2019, 334 []