Nach der Sicherstellung eines Hundes kommt die Schenkung zu spät

Nach der Sicherstellung eines Hundes stellt sich für den Halter natürlich immer die Frage, welche Möglichkeiten er neben der Anfechtung der Sicherstellung und der dieser zugrundeliegenden Verfügung er hat, damit der Hund nicht im Tierheim bleibt bzw. an Fremde weitergegeben wird.

Das Verwaltungsgericht Göttingen hat nun im Rahmen eines Eilverfahrens entschieden, dass die Idee, den Hund nach der Sicherstellung an eine andere Person (im konkreten Fall der Lebensgefährtin), die Antragstellerin, zu übereignen und dieser Herausgabeansprüche gegenüber der Behörde abzutreten, ein erfolgloses Unterfangen ist.

Warum?

Der Hauptantrag der Antragstellerin, der auf die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Sicherstellung des Dobermanns „E.“ ist nach Auffassung des Verwaltungsgericht Göttingen bereits unzulässig, da es der Antragstellerin an einer Antragsbefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO analog fehlt.

Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, eine Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. § 42 Abs. 2 VwGO ist auf einen aufgrund des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gestellten Eilantrag analog anzuwenden, da die subjektiven Zugangsberechtigungen zum verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren mit denen des Hauptsacheverfahrens deckungsgleich sein müssen, um eine Über- bzw. Untersicherung im Eilverfahren zu vermeiden1.

Die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 VwGO liegen im Falle der Antragstellerin nicht vor, so das Verwaltungsgericht Göttingen.

Sie wendet sich vorliegend gegen einen gegenüber ihrem Lebensgefährten ergangenen Bescheid, durch den u.a. die Sicherstellung des Dobermanns „E.“ unter Anordnung der sofortigen Vollziehung angeordnet worden ist. Gegen diesen Bescheid ist der Lebensgefährte der Antragstellerin gesondert – auch im Wege des Eilrechtsschutzes – gerichtlich vorgegangen2. Durch den vorgenannten Bescheid wird die Antragstellerin nicht in ihren eigenen Rechten verletzt, da die Sicherstellung nicht ihr gegenüber angeordnet worden ist und sie darüber hinaus nicht die Eigentümerin des Dobermanns „E.“ ist.

Soweit die Antragstellerin unter Vorlage eines Schenkungs- und Übereignungsvertrags vom vorträgt, sie sei antragsbefugt, weil ihr Lebensgefährte ihr den Dobermann „E.“ nach erfolgter Sicherstellung geschenkt und ihr seinen Herausgabeanspruch abgetreten habe, ändert auch dies nichts an dem gefundenen Ergebnis. Denn der Lebensgefährte der Antragstellerin konnte ihr einen Herausgabeanspruch vorliegend voraussichtlich nicht wirksam abtreten, so das Verwaltungsgericht Göttingen weiter.

Zum einen hat der Lebensgefährte der Antragstellerin zurzeit keinen eigenen Herausgabeanspruch des Dobermanns. Zur Begründung verweist das Verwaltungsgericht Göttingen auf seinen Beschluss vom selben Tage in dem von dem Lebensgefährten der Antragstellerin geführten Eilverfahren3, nach dem die Sicherstellung des Dobermanns „E.“ aller Voraussicht nach rechtmäßig ist.

Zum anderen ist das Verwaltungsgericht Göttingen der Auffassung, dass eine wirksame Abtretung des Herausgabeanspruchs einer sichergestellten und in behördliche Verwahrung genommenen Sache auch rechtlich nicht möglich ist. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt zu der Möglichkeit der Abtretung des Herausgabeanspruchs einer nach dem bayerischen Polizeiaufgabengesetz (PAG) sichergestellten Sache in seinem Urteil vom 22.5.20174 das Folgende aus:

„[…] Denn dabei wird schon verkannt, dass eine wirksame Abtretung des Herausgabeanspruchs bezüglich des (bestandskräftig) sichergestellten und in behördliche Verwahrung genommenen Bargelds hier rechtlich gar nicht möglich war. Misst man (auch) der polizeilichen präventiven Sicherstellung die Wirkung eines Veräußerungs- bzw. Verfügungsverbots zu (zur entsprechenden ausdrücklichen Klarstellung für die strafprozessuale Beschlagnahme vgl. § 111c Abs. 5 StPO: relatives Veräußerungsverbot nach § 136 BGB5, entsteht das Veräußerungsverbot bereits mit dem Vollzug der Sicherstellung. Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man die in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG begründete Herausgabepflicht und den damit korrespondierenden Herausgabeanspruch als (rein) persönliche Forderung des früheren Gewahrsamsinhabers verbunden mit einem Abtretungsverbot versteht6 […]

[…] Im Übrigen ist es schon aus systematischen Gründen nicht möglich, den Wegfall der Voraussetzungen für die Sicherstellung im Sinne von Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG allein durch eine entsprechende Verfügung wie die Abtretung des Herausgabeanspruchs herbeizuführen mit der Begründung, damit sei die im Fall der Herausgabe der Sache an den Betroffenen der Sicherstellung (hier: Kläger) andernfalls anzunehmende gegenwärtige Gefahr im Sinne des Art. 25 Nr. 1 PAG nicht mehr gegeben. Denn nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG sind die Sachen, sobald die Voraussetzungen für die Sicherstellung weggefallen sind, an denjenigen herauszugeben, bei dem sie sichergestellt worden sind. Eine Herausgabe an eine andere Person kommt gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 PAG überhaupt nur dann in Betracht, wenn die Herausgabe an die in Satz 1 der Vorschrift bezeichnete Person nicht möglich ist. Die Herausgabepflicht ist also die (gesetzlich angeordnete) Folge des Wegfalls der Voraussetzungen für die Sicherstellung gegenüber dem von der Maßnahme Betroffenen, umfasst aber gerade nicht den Fall, in dem wie hier der ursprüngliche Sicherstellungzweck unter Umständen erst bei einer Herausgabe der Sache an einen vom Betroffenen „ermächtigten“ Dritten wegfallen würde […]“

Diesen – nach Auffasung des Verwaltungsgerichts Göttingen – überzeugenden Ausführungen schließt sich das Verwaltungsgericht Göttingen an, da die bayerischen Regelungen zur Sicherstellung im PAG mit den niedersächsischen Regelungen zur Sicherstellung im NPOG vergleichbar sind.

Da der Lebensgefährte der Antragstellerin ihr einen Herausgabeanspruch des Dobermanns „E.“ nicht abtreten konnte, hat auch der hilfsweise gestellte Antrag der Antragstellerin auf vorläufige Herausgabe des Dobermanns keinen Erfolg, so das Verwaltungsgericht Göttingen abschliessend.

Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 04.04.2024 – 1 B 36/24

ECLI:DE:VGGOETT:2024:0404.1B36.24.00

  1. Schoch in: Schoch/Schneider, VwGO, 44. EL März 2023, § 80, Rn. 462 []
  2. VG Göttingen – 1 A 15/24 und 1 B 16/24 []
  3. VG Göttingen, Beschluss vom 04.04.2024 – 1 B 16/24 []
  4. BayVGH, Urteil vom 22.05.2017- 10 B 17.83 []
  5. vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, Kommentar, 60. Aufl. 2017, § 111c Rn. 10 auch unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/700 S. 17 []
  6. vgl. Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, Bayrisches Polizeiaufgabengesetz, Kommentar, 4. Aufl. 2014, PAG Art. 28 Rn. 8; vgl. insoweit auch die Begründung zu § 24 Abs. 1 MEPolG in v. Brauchitsch, Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. III: Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl. 1982, Teil A Musterentwurf § 24 Rn. 1, wonach der Polizei nicht zugemutet werden kann, die Berechtigung an der Sache zu prüfen []

Sie sind derzeit offline!