Wir hatten hier bereits darüber berichtet, dass das Oberverwaltungsgericht Münster im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bestätigt hat, dass eine Hundeschule aufgrund der Coronaschutzverordnung NRW (CoronaSchVO) zur Zeit nicht betrieben werden darf.
Mit dieser Thematik hatte sich das Oberverwaltungsgericht Münster nun erneut zu beschäftigen. Anders, als in dem vorgenannten Fall, in dem in erster Instanz das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen das Verbot schon für rechtmässig erachtete, hatte im aktuellen Fall das Verwaltungsgerichts Arnsberg einem Eilantrag einer Hundeschule stattgegeben1. Die hiergegen erhobene Beschwerde hatte beim Oberverwaltungsgericht Münster Erfolg – und zwar aus folgenden Gründen:
Das für die Beschwerde erforderliche Rechtsschutzbedürfnis liegt vor. Das Verwaltungsgericht Arnsberg hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass die Antragsgegnerin vorläufig verpflichtet ist, der Antragstellerin den Betrieb ihrer Hundeschule sowie ihre Tätigkeit als Hundeausbilderin in im Tenor des Beschlusses näher bezeichnetem Umfang zu gestatten. Diese Feststellung ist nicht dadurch gegenstandlos geworden, dass die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 30.10.20202 in der Fassung der zweiten Änderungsverordnung vom 09.11.20203, wonach „andere Bildungsangebote“ (als Ausbildungs- und berufsbezogene Aus- und Weiterbildungsangebote usw., vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1) untersagt waren und deren Anwendungsbereich sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht auf die von der Antragstellerin betriebene Hundeschule erstreckte, zwischenzeitlich außer Kraft getreten ist. Denn diese wurde durch eine nunmehr „sämtliche Bildungs-, Aus- und Weiterbildungsangebote“ betreffende Verbotsregelung ersetzt4). Die Tenorierung des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Beschluss ist unter Berücksichtigung dessen so zu verstehen, dass die Antragsgegnerin auch weiterhin verpflichtet ist, der Antragstellerin den Betrieb ihrer Hundeschule sowie ihre Tätigkeit als Hundeausbilderin in im Tenor des Beschlusses näher bezeichnetem Umfang zu gestatten. Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig.
Das Verwaltungsgericht Arnsberg hat zu Unrecht festgestellt, dass die Antragsgegnerin vorläufig verpflichtet sei, der Antragstellerin den Betrieb ihrer Hundeschule sowie ihre Tätigkeit als Hundeausbilderin unter den vom Verwaltungsgericht näher bezeichneten Maßgaben zu gestatten. Die Antragstellerin hat den erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Ihre Hundeschule stellt ein außerschulisches Bildungsangebot in Präsenz dar, das gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO untersagt ist, so das Oberverwaltungsgericht Münster. Zur Begründung verweist das Oberverwaltungsgericht Münster auf seine Ausführungen zum Regelungsgehalt und hinreichenden Bestimmtheit des § 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 vom 30.11.20205 in seinem Beschluss vom 30.12.20206:
„Sie ist inhaltlich hinreichend bestimmt. § 7 Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO liegt ein weites Begriffsverständnis außerschulischer Bildungsangebote zugrunde, das jegliche Art von (Präsenz-)Unterricht umfasst, sofern er nicht bereits der Regelung in § 6 der Verordnung unterliegt. Dies folgt zum einen aus dem Wortlaut der Regelung, die umfassend „sämtliche Bildungs-, Aus- und Weiterbildungsangebote einschließlich kompensatorischer Grundbildungsangebote sowie Angebote, die der Integration dienen, und Prüfungen von 1. Einrichtungen der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit, 2. Volkshochschulen sowie 3. sonstigen nicht unter § 6 fallenden öffentlichen, kirchlichen oder privaten außerschulischen Anbietern, Einrichtungen und Organisationen sowie Angebote der Selbsthilfe und musikalische[n] Unterricht in Präsenz“ untersagt. Klarstellend wird in § 7 Abs. 1 Satz 2 CoronaSchVO darauf hingewiesen, dass hiervon sogar Sportangebote der Bildungsträger sowie Freizeitangebote, wie etwa Ferienreisen für Kinder, erfasst sein sollen, also Angebote, die einem engen Verständnis von Bildung bzw. Unterricht nicht ohne weiteres entsprechen würden. Zum anderen ist auch der Regelungssystematik zu entnehmen, dass § 7 CoronaSchVO jegliche Art von Unterricht einbeziehen soll, wird doch in § 7 Abs. 3 CoronaSchVO auch der Betrieb von Fahrschulen den außerschulischen Bildungsangeboten zugerechnet.
Unter das danach zugrunde zu legende weite Begriffsverständnis außerschulischer Bildungsangebote ist auch der Betrieb einer Hundeschule, in der Einzel- und Gruppenausbildung in Präsenz angeboten wird, zu subsumieren. Dies gilt auch, soweit mit Blick auf die in § 7 Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO aufgezählten Einrichtungen sowie die in § 7 Abs. 1 Satz 2 CoronaSchVO genannten Beispiele davon auszugehen sein sollte, dass von § 7 CoronaSchVO nur Bildungsangebote für Menschen erfasst sind7.
Anders als die Antragstellerin meint und es der Begriff „Hundeschule“ nahezulegen scheint, dürfte es bei den unter dieser Bezeichnung angebotenen Schulungen regelmäßig jedenfalls auch, wenn nicht gar in erster Linie, um die Unterrichtung von und Wissensvermittlung gegenüber den Hundehaltern gehen. Diesen sollen nicht nur allgemein der richtige Umgang mit ihrem Hund und Kenntnisse der Grunderziehung, sondern auch situationsbedingte Handlungs- und Erziehungsstrategien vermittelt werden. Schulungsobjekt einer Hundeschule dürfte daher jedenfalls nicht ausschließlich der Hund, sondern gerade auch der Hundehalter sein8.
Soweit – etwa in sog. „Welpenkursen“ – auch die Sozialisierung mit Artgenossen, oder – etwa beim „Tricktraining“ – auch das Erlernen spezifischer Kunststücke bzw. Verhaltensweisen durch den Hund eine Rolle spielt, ändert dies nichts daran, dass auch hierbei eine Anleitung der Hundehalter im Umgang mit dem Hund erforderlich sein dürfte. Die hier vertretene Auffassung wird bestätigt durch die von der Antragstellerin vorgelegte „Gutachterliche Stellungnahme bezüglich der Bedeutung des regelmäßigen Hundeschulunterrichts“ von PD Dr. V. H. vom 04.12.2020. Danach widmen sich professionelle Hundeschulen vorwiegend der Erziehung des Hundes bzw. der Anleitung von Hundehalter/innen dazu. Ziel des Hundeschulunterrichts sei die Vermittlung von Kompetenzen.
Der Umstand, dass der gewerbsmäßige Betrieb einer Hundeschule gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 Buchst. f) TierSchG einer Erlaubnis bedarf, soweit dabei für Dritte Hunde ausgebildet werden oder die Ausbildung der Hunde durch den Tierhalter angeleitet wird, führt zu keiner anderen Bewertung. Sofern in diesem Tatbestand überhaupt eine Legaldefinition für den Begriff der Hundeschule zu erblicken ist, kann diese nicht zur Auslegung der hier streitgegenständlichen infektionsschutzrechtlichen Verordnungsregelung herangezogen werden, weil sie in erster Linie auf tierschutzrechtliche Aspekte zielt und daher in einem gänzlich anderen Regelungszusammenhang steht. Im Übrigen stellt auch der Erlaubnistatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 Buchst. f) TierSchG auf eine Anleitung (der Hundehalter bei) der Ausbildung der Hunde ab.
Soweit das Bildungsangebot von Hundeschulen begrifflich auch als Dienstleistung im Sinne von § 12 Abs. 1 CoronaSchVO qualifiziert werden kann, geht § 7 Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO als lex specialis der in § 12 Abs. 1 CoronaSchVO enthaltenen allgemeineren Regelung von Dienstleistungen vor.“6.
Hieran hält das Oberverwaltungsgericht Münster auch für den mit der damaligen Fassung wortgleichen derzeit geltenden § 7 Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO unter Berücksichtigung des Vortrags der Antragstellerin fest. Insbesondere untersagt § 7 Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO nicht nur solche Bildungsangebote, bei denen die Teilnehmer in geschlossenen Räumen zusammentreffen und die daher mit einem erhöhten Infektionsrisiko einhergehen. Vielmehr zielt das vom Verordnungsgeber verfolgte Schutzkonzept nicht (vorrangig) auf die Schließung von in infektionsschutzrechtlicher Hinsicht konkret gefährlichen Betrieben und Einrichtungen, sondern auf die Reduzierung nicht zwingend erforderlicher persönlicher Kontakte durch ein „Herunterfahren“ des öffentlichen Lebens9.
- VG Arnsberg, Beschluss vom 25.11.2020 – 6 L 1007/20 [↩]
- GV. NRW. 2020 S. 044b [↩]
- GV. NRW. 2020 S. 1046a [↩]
- vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 07.01.2021 (GV. NRW. 2021 S. 2b) in der durch Art. 1 der Verordnung vom 21.01.2021 (GV. NRW. 2021 S. 22b) 22b), berichtigt durch Verordnung vom 28.01.2021 (GV. NRW. 2021 S. 46), geänderten Fassung (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO [↩]
- (GV. NRW. 2020 S. 1060a) in der zuletzt durch Art. 1 der Verordnung vom 22.12.2020 (GV. NRW. 2020 S. 1212a) geänderten Fassung [↩]
- OVG NRW, Beschluss vom 30.12.2020 – 13 B 1787/20.NE [↩] [↩]
- VG Arnsberg, Beschluss vom 25.11.2020 – 6 L 1007/20 [↩]
- VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 13.11.2020 – 20 L 1519/20 [↩]
- OVG NRW, Beschluss vom 04.01.2021 – 13 B 1892/20 – bei uns hier [↩]