Wie erst jetzt bekannt wurde, hat das Oberlandesgericht Hamm bereits Anfang 2017 entschieden, dass eine Erbin gegenüber der Pflichtteilsforderung eines Pflichtteilsberechtigten mit einer zum Nachlass gehörenden Darlehensforderung aufrechnen kann, so dass sie an diesen keinen Pflichtteil (wenn er geringer ist als die Darlehensforderung) mehr zahlen muss.
In dem entschiedenen Fall stritten zwei Geschwister um den Nachlass ihrer Mutter.
Der Kläger verlangte den Pflichtteil nach der im September 2011 im Alter von 86 Jahren verstorbenen Mutter der Parteien.
Nach dem Tode ihres 74-jährigen Ehemanns im Jahre 1994 war die ihren Mann allein beerbende Mutter Alleineigentümerin eines Hausgrundstücks in Kirchlengern. Auf diesem hatte der Kläger in den 1970er Jahren einen Anbau an das Wohnhaus seiner Eltern errichtet.
Im Rahmen einer Umschuldung des Klägers Anfang der 1990er Jahre erwarb sein im Jahre 1970 geborener Sohn das Teilgrundstück mit dem Anbau. Von seinen Eltern erhielt der Kläger nach einem notariell beurkundeten Vertrag aus dem Jahre 1992 ein Darlehen, welches in Höhe von 95.000 DM (entspricht 48.572,73 Euro) noch nicht getilgt ist.
Mit einem im Jahre 1998 errichteten Testament bestimmte die ihren Ehemann allein beerbende Mutter die Beklagte zu ihrer Alleinerbin und ordnete an, dass sich der Kläger den nicht zurückgezahlten Darlehnsbetrag auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen müsse.
Nach dem Tode der Mutter hat der Kläger von der Beklagten einen mit ca. 44.650 Euro berechneten Pflichtteil geltend gemacht, dessen Zahlung die Beklagte nach Aufrechnung mit dem zwischenzeitlich gekündigten Darlehen verweigerte.
Zur Begründung seiner gegen die Beklagte erhobenen Zahlungsklage hat der Kläger unter anderem vorgetragen, keine Darlehensrückzahlung zu schulden. Der Darlehensvertrag aus dem Jahre 1992 sei ein Scheingeschäft gewesen, von seiner damaligen Bank erzwungen worden. Seine Bankschulden hätten seine Eltern gegen seinen Willen bezahlt und eine Erstattung von ihm, dem Kläger, nie eingefordert.
Die Zahlungsklage des Klägers ist vor dem Landgericht Bielefeld erfolglos geblieben1. Seine Berufung zum Oberlandesgericht Hamm wurde zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht Hamm stellte zwar auch fest, dass dem Kläger zwar ein Pflichtteilsanspruch in der geltend gemachten Höhe zustand, dieser jedoch durch die Aufrechnung der Beklagten mit der Darlehensrückzahlungsforderung erloschen.
Als Sohn der Erblasserin sei der Kläger pflichtteilsberechtigt. Die Erblasserin habe die Beklagte als Alleinerbin eingesetzt und den Kläger so enterbt.
Die Erblasserin habe ein Nachlass im Wert von ca. 178.600 Euro hinterlassen, aus dem sich – ausgehend von einem hälftigen gesetzlichen Erbteil – ein Pflichtteilsanspruch des Klägers in Höhe von ca. 44.650 Euro errechne.
Dieser Anspruch sei allerdings aufgrund der von der Beklagten erklärten Aufrechnung erloschen. Infolge des Erbfalls habe die Beklagte den Darlehensrückzahlungsanspruch ihrer Mutter gegen den Kläger erworben. Mit diesem Rückzahlungsanspruch könne sie gegenüber dem Pflichtteilsanspruch aufrechnen.
Dem Kläger sei 1992 von seinen Eltern ein Darlehen zur Ablösung seiner Schulden gewährt worden, das in Höhe von 95.000 DM (48.572,73 Euro) noch nicht getilgt sei. Die notarielle Vereinbarung aus dem Jahre 1992 bestätige diese Rückzahlungsverpflichtung, die der Kläger in der Urkunde anerkannt habe. Dass die beurkundete Vereinbarung ein Scheingeschäft gewesen oder vom Kläger seinerzeit durch ein unlauteres Verhalten seiner Bank erzwungen worden sei, habe der Kläger nicht bewiesen. Insoweit folgte das Oberlandesgericht Hamm der vom Landgericht Bielefeld in erster Instanz vorgenommenen Beweiswürdigung. Das Landgericht Bieliefeld habe sich nach der Vernehmung des Sohnes des Klägers und des den Vertrag aus dem Jahre 1992 beurkundenden Notars von der Richtigkeit der Darstellung des Klägers nicht überzeugen können.
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 14.03.2017 – 10 U 62/16
Das Urteil ist per heute nicht rechtskräftig – Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wurde eingelegt (BGH IV ZR 118/17)
- LG Bielefeld, Urteil vom 13.07.2016 – 5 O 248/14 [↩]