Auch die Sachverständigenkosten sind beim Verkehrsunfall zu quoteln

Der Bundesgerichtshof hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass Sachverständigenkosten im Rahmen der Regulierung eines Verkehrsunfallschadens ebenso wie die übrigen Schadenspositionen des Geschädigten nur im Umfang der Haftungsquote zu ersetzen sind.

Wird ein Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall beschädigt, hat der Schädiger, soweit zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs eine Begutachtung des beschädigten Fahrzeugs durch einen Sachverständigen erforderlich und zweckmäßig ist, grundsätzlich auch die dadurch entstehenden Kosten zu ersetzen. Trifft den geschädigten Fahrzeughalter an dem Unfall aber ein Mitverschulden, ist sein Ersatzanspruch gegebenenfalls auf eine Haftungsquote begrenzt.

In diesem Fall stellt sich die Frage, ob auch die Sachverständigenkosten wie die übrigen Schadenspositionen des Geschädigten zu quoteln sind oder ob der Geschädigte die Sachverständigenkosten trotz seines Mitverschuldens in voller Höhe beanspruchen kann.

Diese Frage ist in der Rechtsprechung in jüngster Zeit unterschiedlich beurteilt worden. Aus diesem Grunde hatte das Oberlandesgericht Celle, welches die Auffassung vertrat, dass die Sachverständigenkosten auch im Falle eines Mitverschulden des Geschädigten in Gänze von dem Schädiger zu tragen sind, in einem Urteil vom 24.08.20111 die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Dieser hat sich nun der gegenteiligen Auffassung angeschlossen.

Nach der vom Oberlandesgericht Rostock2 und dem Oberlandesgericht Frankfurt a. M.3 im Anschluss an das AG Siegburg4 und vereinzelten Stimmen in der Literatur vertretenen Auffassung ist der Anspruch auf Ersatz der Sachverständigenkosten nicht entsprechend der Verursachungsquote zu kürzen. Diese Kosten seien vielmehr in vollem Umfang erstattungsfähig, weil sie nur entstünden, wenn der Geschädigte seinen erstattungsfähigen Anteil des Gesamtschadens gegenüber dem Schädiger beziffern und belegen müsse; sie fielen überhaupt nicht an, wenn der Geschädigte den Unfall allein verursacht habe, und dienten ausschließlich dazu, den aufgrund der jeweiligen Haftungsquote erstattungsfähigen Anteil von dem Schädiger ersetzt zu bekommen. Auch könne hier nicht – anders als bei den Rechtsanwaltskosten – ein Anteil entsprechend den Schadensverursachungsbeiträgen errechnet werden, weil der Sachverständige seine Leistung insoweit nicht teilen könne.

Diese Auffassung ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs abzulehnen, denn sie finde im Gesetz keine Stütze und sei mit den Grundsätzen des Schadensersatzrechts nicht vereinbar. Der Bundesgerichtshof argumentiert folgender Massen:

Wird ein Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall beschädigt, hat der Schädiger dem Geschädigten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Soweit zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs eine Begutachtung durch einen Sachverständigen erforderlich und zweckmäßig ist, gehören die Kosten eines vom Geschädigten eingeholten Schadensgutachtens zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen5. Ebenso können diese Kosten zu dem nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist6. Unter beiden Gesichtspunkten sind diese Kosten grundsätzlich in vollem Umfang erstattungsfähig.

Ist der geschädigte Fahrzeughalter in erheblicher Weise für den Schaden mitverantwortlich, so führt dies nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG allerdings zu einer Beschränkung von Grund und Umfang des Schadensersatzanspruchs. Die Bestimmung statuiert – ebenso wie § 254 Abs. 1 BGB, § 9 StVG und § 4 HaftPflG – eine Ausnahme von dem Grundsatz der Totalreparation (Alles-oder-Nichts-Prinzip des Schadensersatzrechts). Sie hat zur Folge, dass auch der Anspruch auf Ersatz der Kosten eines Sachverständigengutachtens nur ungeschmälert fortbestehen kann, wenn sich aus „den Umständen“, insbesondere aus der Feststellung, „inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist“ (§ 17 Abs. 1 StVG) ein solches Ergebnis rechtfertigen lässt.

Aus den „Umständen“, insbesondere den Verursachungsbeiträgen, ergibt sich eine solche Rechtfertigung hier nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht. Auch die Kosten des Sachverständigengutachtens sind durch den Unfall verursacht, denn ohne die Unfallbeteiligung des Geschädigten wäre es dazu nicht gekommen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens dient nicht allein dem Nachweis des vom Schädiger zu tragenden Schadensanteils, sondern liegt auch im eigenen Interesse des Geschädigten, weil das Gutachten ihm Gewissheit über das Ausmaß des Schadens und die von ihm zu tragenden Kosten verschafft. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Grundsätzen zur Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Anwaltskosten, denn bei dieser Schadensposition handelt es sich um eine Nebenforderung, deren Höhe sich erst bestimmen lässt, wenn die Hauptforderung konkretisiert ist. Das trifft auf Sachverständigenkosten nicht zu, denn diese sind, wie oben ausgeführt, dem Sachschaden zuzurechnen und damit auch Bestandteil der Hauptforderung7. Zudem hängt ihre Höhe nicht in gesetzlich bestimmter Weise vom Umfang des übrigen Schadens ab. Während bei den Anwaltskosten eine Berücksichtigung der Mitverantwortung des Geschädigten nicht durch eine Quotierung der Kosten, sondern durch eine Quotierung des Streitwerts erfolgt, der nach dem Rechtsanwaltsvergütungsge-setz die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren bestimmt, kennt das für den Ersatz von Sachverständigenkosten maßgebende Schadensersatzrecht eine solche Differenzierungsmöglichkeit nicht. Hier kann die Mitverantwortung des Geschädigten für die Schadensentstehung nicht anders als durch eine Quotierung dieser Kosten Berücksichtigung finden. Einer solchen Quotelung steht auch die sogenannte Differenzhypothese nicht entgegen, wonach die Frage, ob ein zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, grundsätzlich durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen ist8, denn diese Grundsätze betreffen allein die Frage der Schadenshöhe, nicht aber die Frage der Haftungsverteilung.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 07. Februar 2012 – VI ZR 249/11

  1. Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 24. August 2011 – 14 U 47/11 []
  2. vgl. Oberlandesgericht Rostock, DAR 2011, 263, 264 und NJW 2011, 1973 f. []
  3. Oberlandesgericht Frankfurt, SP 2011, 255 []
  4. vgl. AG Siegburg, NJW 2010, 2289 []
  5. vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 30. November 2004 – VI ZR 365/03, Urteil vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06, Urteil vom 29. November 1988 – X ZR 112/87 []
  6. vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. November 1973 – VI ZR 27/73, Urteil vom 29. Januar 1985 – VI ZR 59/84, Urteil vom 30. November 2004 – VI ZR 365/03 und Urteil vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06 []
  7. vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06 []
  8. vgl. Bundesgerichtshof, Urteile vom 18. Januar 2011 – VI ZR 325/09 und vom 15. November 2011 – VI ZR 4/11 []

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