EU-Verschmelzungsrichtlinie

Am 25.11.2005 ist im Amtsblatt der Europäischen Union die Richtlinie über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten veröffentlicht worden. Sie tritt am 15. Dezember 2005 in Kraft.

Bei den europäischen Kapitalgesellschaften besteht ein Bedarf an Kooperation und Reorganisation. Im Hinblick auf Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten stoßen sie jedoch innerhalb der Gemeinschaft auf zahlreiche rechtliche und administrative Schwierigkeiten. Daher wurde eine gemeinschaftsrechtliche Regelung als erforderlich angesehen, die eine Verschmelzung von Kapitalgesellschaften unterschiedlicher Rechtsform, die dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen, erleichtert, um auf diese Weise zur Vollendung und zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beizutragen.

Mit dieser Richtlinie wird die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften im Sinne dieser
Richtlinie erleichtert. Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten müssen die grenzüberschreitende Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft aus einem Mitgliedstaat mit einer Kapitalgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat gestatten, wenn das innerstaatliche Recht der betreffenden Mitgliedstaaten Verschmelzungen zwischen Unternehmen solcher Rechtsformen erlaubt.

Um grenzüberschreitende Verschmelzungen zu erleichtern, ist in der Richtlinie vorgesehen, dass für jede an einer grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligte Gesellschaft und jeden beteiligten Dritten weiterhin die Vorschriften und Formalitäten des innerstaatlichen Rechts gelten, das im Falle einer innerstaatlichen
Verschmelzung anwendbar wäre, sofern diese Richtlinie nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften und Formalitäten des innerstaatlichen Rechts, auf die in dieser Richtlinie Bezug genommen wird, sollen keine
Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit oder des freien Kapitalverkehrs einführen, es sei denn, derartige
Beschränkungen lassen sich im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs und insbesondere durch die Erfordernisse des Gemeinwohls rechtfertigen und sind zur Erfüllung solcher vorrangigen Erfordernisse erforderlich und angemessen.

Der gemeinsame Plan für die grenzüberschreitende Verschmelzung muss für alle an der grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligten Gesellschaften, die verschiedenen Mitgliedstaaten angehören, gleich lauten. Es wird daher festgelegt, welche Angaben der gemeinsame Verschmelzungsplan mindestens enthalten muss, wobei den Gesellschaften gleichzeitig die Möglichkeit zu geben ist, weitere Angaben zu vereinbaren.

Zum Schutz der Interessen der Gesellschafter und Dritter muss für jede der sich verschmelzenden Gesellschaften sowohl der gemeinsame Plan für die grenzüberschreitende Verschmelzung als auch der Abschluss der grenzüberschreitenden Verschmelzung im entsprechenden öffentlichen Register offen gelegt werden.

Die Rechtsvorschriften aller Mitgliedstaaten sollen vorsehen, dass auf einzelstaatlicher Ebene für jede der sich verschmelzenden Gesellschaften von einem oder mehreren Sachverständigen ein Bericht über den gemeinsamen Plan für die grenzüberschreitende Verschmelzung erstellt wird. Um die im Zusammenhang mit einer grenzüberschreitenden Verschmelzung anfallenden Sachverständigenkosten zu begrenzen, wird die Möglichkeit vorgesehen, einen gemeinsamen Bericht für alle Gesellschafter der an einer grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligten Gesellschaften zu erstellen. Die Gesellschafterversammlung jeder Gesellschaft muss dem gemeinsamen Verschmelzungsplan zustimmen.

Um grenzüberschreitende Verschmelzungen zu erleichtern, soll die Kontrolle des Abschlusses und der
Rechtmäßigkeit des Beschlussfassungsverfahrens jeder der sich verschmelzenden Gesellschaften von der für
die einzelne Gesellschaft jeweils zuständigen einzelstaatlichen Behörde vorgenommen werden, während die
Kontrolle des Abschlusses und der Rechtmäßigkeit der grenzüberschreitenden Verschmelzung von der einzelstaatlichen Behörde vorgenommen werden soll, die für die aus der grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgehende Gesellschaft zuständig ist. Bei dieser einzelstaatlichen Behörde kann es sich um ein Gericht, einen Notar oder jede andere von dem betreffenden Mitgliedstaat benannte Behörde handeln. Es wird auch festgelegt, nach welchem einzelstaatlichen Recht sich der Zeitpunkt bestimmt, zu dem die grenzüberschreitende Verschmelzung wirksam wird, nämlich das Recht, das für die aus der Verschmelzung hervorgehende Gesellschaft maßgebend ist.

Zum Schutz der Interessen der Gesellschafter und Dritter sollen die Rechtsfolgen einer grenzüberschreitenden Verschmelzung angegeben werden, wobei danach zu unterscheiden ist, ob es sich bei der aus der Verschmelzung hervorgehenden Gesellschaft um eine übernehmende oder um eine neue Gesellschaft handelt. Im Interesse der Rechtssicherheit wird vorgeschrieben, dass eine grenzüberschreitende Verschmelzung nach ihrem Wirksamwerden nicht mehr für nichtig erklärt werden kann.

Diese Richtlinie lässt die Anwendung des Fusionskontrollrechts sowohl auf Ebene der Gemeinschaft durch
die Verordnung (EG) Nr. 139/2004 (1) als auch auf Ebene der Mitgliedstaaten unberührt. Die für Kreditvermittlungsgesellschaften und andere Finanzgesellschaften geltenden Rechtsvorschriften der
Gemeinschaft und die gemäß diesen Rechtsvorschriften erlassenen einzelstaatlichen Vorschriften bleiben von dieser Richtlinie unberührt.

Diese Richtlinie lässt desweiteren die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten unberührt, nach denen anzugeben ist, welches der Ort der Hauptverwaltung oder der Hauptniederlassung der aus der grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgehenden Gesellschaft sein soll.

Die Rechte der Arbeitnehmer mit Ausnahme der Mitbestimmungsrechte unterliegen weiterhin den Vorschriften der Mitgliedstaaten, die in der Massenentlassungs-Richtlinie des Rates (98/59/EG), der Unternehmensübergangs-Richtlinie des Rates (2001/23/EG), der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer (2002/14/EG) sowie der Richtlinie des Rates über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats (94/45/EG) genannt sind. Haben die Arbeitnehmer Mitbestimmungsrechte in einer an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaft nach
Maßgabe dieser Richtlinie und sieht das innerstaatliche Recht des Mitgliedstaats, in dem die aus der grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgehende Gesellschaft ihren Sitz hat, nicht den gleichen Umfang an Mitbestimmung vor wie in den jeweiligen an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften — einschließlich in mit Beschlussfassungsbefugnissen ausgestatteten Ausschüssen des Aufsichtsorgans — oder sieht dieses Recht nicht den gleichen Anspruch auf Ausübung von Mitbestimmungsrechten durch die Arbeitnehmer der aus der grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgehenden Betriebe vor, so muss die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der aus der grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgehenden Gesellschaft neu geregelt werden. Hierbei sind die Grundsätze und Verfahren der Verordnung und der Richtlinie zur Europäischen Gesellschaft (SE) hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer anzuwenden, jedoch mit den Änderungen, die für notwendig erachtet werden, weil die aus der Verschmelzung hervorgehende Gesellschaft dem einzelstaatlichen Recht des Sitzmitgliedstaats unterliegen wird. Die Mitgliedstaaten können gemäß Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 2001/86/EG für eine
rasche Aufnahme der in Artikel 16 der vorliegenden Richtlinie vorgesehenen Verhandlungen sorgen, damit
Verschmelzungen nicht unnötig verzögert werden. Bei der Ermittlung des Umfangs der Mitbestimmung der
Arbeitnehmer in den an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften soll auch der Anteil der die Arbeitnehmer vertretenden Mitglieder des Leitungsgremiums berücksichtigt werden, das für die Ergebniseinheiten der Gesellschaften zuständig ist, wenn eine Mitbestimmung der Arbeitnehmer besteht.

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