Haltung eines großen Hundes und die Folgen eines Verstosses gegen die Anzeigepflicht

Jeder Hundehalter sollte seine Pflichten nach den einschlägigen Landeshundegesetzen (einen Überblick finden Sie bei uns hier) beachten. Hierzu zählen insbesondere auch die Pflicht zur Anzeige des Haltens eines großen oder gefährlichen Hundes und die Ablegung eventuell erforderlicher Sachkundenachweise.

Das Verwaltungsgericht Köln hat in einem Eilverfahren gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Leinen- und Maulkorbzangs die über Jahre fehlende Meldung der Haltung eines großen Hundes dem Halter nun (u.a.) zum Vorwurf gemacht und als Zeichen der Unzuverlässigkeit gewertet mit der Folge, dass trotz Bedenken gegen die erst mehr als eineinhalb Jahre nach einem Beissvorfall ausgesprochene Anordnung selbige nicht aufgehoben wurde.

Im Einzelnen:

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels – in dem entschiedenen Fall hatte der Kläger gleichzeitig Klage gegen die Ordnungsverfügung erhoben – ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn wie die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO von der Behörde angeordnet worden ist. Bei der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht das öffentliche Vollziehungs- und das private Aussetzungsinteresse gegeneinander abzuwägen und dabei die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Während bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit des Rechtsbehelfs ein schutzwürdiges Aussetzungsinteresse nicht in Betracht kommt, besteht umgekehrt kein öffentliches Interesse am Vollzug einer offensichtlich rechtswidrigen Verfügung. Lassen sich die Erfolgsaussichten nur abschätzen, ohne eindeutig zu sein, bildet der Grad der Erfolgschance ein wichtiges Element der vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung.

In dem entschiedenen Fall ist das Verwaltungsgericht Köln zu der Auffassung gelangt, dass die Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung im Rahmen der hier allein gebotenen und möglichen summarischen Prüfung nicht abschließend beurteilt werden könne. Im Ergebnis hat es aufgrund einer Interessenabwägung gegen den Antragsteller entschieden.

Zwar bestehen nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Köln keine durchgreifenden Bedenken dagegen, dass die Anordnung eines Leinen- und Maulkorbzwangs auf der Grundlage des § 12 Abs. 1 LHundG NRW im Hinblick auf den Beißvorfall vom 14.02.2014 und unter Berücksichtigung der Ausführungen der Amtsveterinärin in ihrem Gutachten vom 17.10.2014 gerechtfertigt gewesen wäre. Denn es bestanden aufgrund dessen hinreichende Anhaltspunkte für eine konkrete, von dem Hund des Antragstellers ausgehende Gefährdung für Menschen. Es ist nach Aktenlage insbesondere unstreitig, dass der Hund des Antragstellers am 14.02.2014 den seinerzeitigen Beschwerdeführer in die rechte Wade gebissen hat, als dieser mit seinem Fahrrad an dem Antragsteller und seinem Hund vorbeifahren wollte. Ausweislich eines vorhandenen Arztberichts erlitt der Beschwerdeführer eine 1 cm klaffende Bisswunde, die notfallmäßig behandelt wurde.

Dennoch ist – so das Verwaltungsgericht Köln weiter – fraglich, ob die Voraussetzungen für die Anordnung eines Leinen- und Maulkorbzwangs im Zeitpunkt des Erlasses der hier streitigen Ordnungsverfügung  noch vorlagen, da zwischen dem Beißvorfall am 14.02.2014 und dem Erlass der Verfügung am 25.11.2015 mehr als eineinhalb Jahre und zwischen der amtstierärztlichen Begutachtung und dem Erlass der Verfügung immer noch mehr als ein Jahr lagen. In diesem verstrichenen erheblichen Zeitraum sind einerseits keine weiteren Beschwerden über die Hundehaltung des Antragstellers aktenkundig geworden und andererseits steht fest, dass der Antragsteller die ihm empfohlenen Hundetrainingsmaßnahmen unternommen hat. Letzteres ist nach Aktenlage zwar nicht durchgängig der Fall gewesen, gerade aber in den Wochen vor Erlass der Verfügung hatte sich dies offenbar nachhaltig geändert. Ausweislich der Bescheinigung des Hundesportvereins Köln-Bocklemünd e.V. hat der Antragsteller vom 01.10.2015 an bis zum 03.11.2015 insgesamt 10 Mal an dem sog. Erziehungstreff des Vereins teilgenommen und die Teilnahme dann aufgrund eines USA-Aufenthalts unterbrochen. Seit seiner Rückkehr aus den USA waren nach seinen Angaben, die noch vor Erlass der Verfügung am 24.11.2015 bei der Antragsgegnerin einging, weitere Termine geplant. Ob diese stattgefunden haben, ist derzeit offen: einerseits hat der Antragsteller hierüber keine weitere konkrete Bescheinigung des Hundesportvereins vorgelegt, andererseits hat aber auch der Hundesportverein der Antragsgegnerin gegenüber keine Fehlanzeige gemacht, was er aber für den Fall eines Abbruchs der Trainingsmaßnahmen der Antragsgegnerin zugesagt hatte. Ob und welchen Erfolg diese Trainingsmaßnahmen hatten, ist derzeit ebenfalls nicht geklärt. Es kann aber jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass dadurch eine nachhaltige Veränderung in dem Verhalten und insbesondere der Gehorsamkeitsstruktur des Hundes eingetreten ist, die zu einer Neubewertung der von dem Hund ausgehenden Gefahren führen muss. Es ist daher gegenwärtig offen, ob die Anordnung eines Leinen- und Maulkorbzwangs noch erforderlich ist. Zweifel bestehen zudem hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der getroffenen Ermessensentscheidung insoweit, als die Antragsgegnerin nunmehr nach über eineinhalb Jahren trotz Verstärkung der Trainingsmaßnahmen seitens des Antragstellers die von ihr eingeschlagene Vorgehensweise – bewusster Verzicht auf ordnungsrechtliche Maßnahmen gegen das Versprechen der Teilnahme an Trainingseinheiten – unvermittelt verändert hat, ohne dass hierfür ausreichende Gründe wie etwa ein weiterer Beißvorfall oder anderweitige klare Erkenntnisse über den fehlenden Erfolg der bisher unternommenen Trainingsmaßnahmen erkennbar sind.

Bei der demnach unabhängig von den Erfolgsaussichten der Klage vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Dies gilt deshalb, weil bei dem zugrunde liegenden Vorfall ein Mensch verletzt wurde, ohne dass dies zur Verteidigung gegen eine strafbare Handlung geschah, und damit die Voraussetzungen für eine Gefährlichkeit des Hundes gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 3 LHundG NRW vorlagen. Zudem hat die Amtsveterinärin in ihrem Gutachten vom 17.10.2014 einen fehlenden Grundgehorsam und unzureichende Leinenführigkeit des Hundes festgestellt. Sichere Erkenntnisse darüber, dass diese Einschätzung nicht mehr tragfähig ist, liegen gegenwärtig mangels belastbarer Belege über den Erfolg der durchgeführten Trainingsmaßnahmen noch nicht vor. Bei ihrer Entscheidung hat die Kammer auch berücksichtigt, dass der Antragsteller der gemäß § 11 Abs. 1 LHundG NRW geltenden Anzeigepflicht für sog. große Hunde nach Aktenlage über mehrere Jahre nicht nachgekommen ist und deshalb zumindest Anhaltspunkte für eine fehlende Zuverlässigkeit des Antragstellers gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 LHundG NRW bestehen. Die Beachtung des angeordneten Leinen- und Maulkorbzwangs bis zur Entscheidung in der Hauptsache diente schließlich der sicheren Vermeidung weiterer Beißvorfälle und ist andererseits mit relativ geringfügigen Einschränkungen der Hundehaltung verbunden, zumal für große Hunde ohnehin gemäß § 11 Abs. 6 LHundG NRW eine weitreichende Leinenpflicht besteht.

Verwaltungsgericht Köln, Beschluss vom 13.01.2016 – 20 L 2872/15 (rechtskräftig)

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