Werbungskosten: regelmäßige Arbeitsstätte im Ausland?

Eine regelmäßige Arbeitsstätte im Ausland im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG begründet ein Arbeitnehmer dort noch nicht, wenn er zunächst für drei Jahre und anschließend wiederholt befristet von seinem Arbeitgeber dorthin entsandt worden ist – auch wenn er mit dem ausländischen Unternehmen für die Dauer des Entsendungszeitraums einen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, so der Bundesfinanzhof in einer aktuellen Entscheidung.

Aufwendungen für Übernachtungen sind zudem nur anteilig als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG zu berücksichtigen, wenn der Arbeitnehmer bei seiner Auswärtstätigkeit von Familienangehörigen begleitet wird.

In dem entschiedenen Fall war zwischen dem Kläger K und dem beklagten Finanzamt streitig, ob Mietaufwendungen und Fahrtkosten, die im Rahmen einer zeitlich befristeten (nichtselbständigen) Tätigkeit im Ausland entstanden sind, als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

Während des Zeitraums vom 01.04.2006 bis 31.12.2011 entsandte den K seine deutsche Arbeitgeberin AG zu ihrer ausländischen Tochtergesellschaft T. Die AG war im Streitjahr zu 90 % an der T beteiligt. Der Entsendezeitraum war ursprünglich auf drei Jahre befristet. Auf Grund von ungeplanten Verzögerungen musste er dreimal verlängert werden und endete schließlich am 31.12.2011. K wurde ab dem 01.01.2012 wieder in der betrieblichen Einrichtung der AG eingesetzt.

Ausweislich des Entsendungsvertrags zwischen K und der AG verpflichtete sich K, die ihm übertragenen Aufgaben nach besten Kräften zu erfüllen, seine gesamte Arbeitskraft seinem Arbeitgeber (der AG) und der T zur Verfügung zu stellen und die Interessen des Arbeitgebers in jeder Hinsicht zu fördern.

Neben dem Entsendungsvertrag schloss K einen auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag mit der T ab. Der Arbeitsvertrag wurde am 08.04.2008 um zwei Jahre und am 22.07.2010 unbefristet verlängert. Das von der T gezahlte – ausländische – Gehalt rechnete die AG auf das deutsche Gehalt an und zahlte K sein insoweit gekürztes inländisches Gehalt aus.

Zum 01.04.2006 gründete K zusammen mit seiner Ehefrau und den beiden schulpflichtigen Kindern einen Wohnsitz in X. Die Kinder besuchten dort die deutsche Schule. Der Wohnsitz lag 51 km vom Beschäftigungsort des K entfernt. Ihre Wohnung im Inland behielt K während der Entsendungszeit bei und benutzte sie während der ausländischen Schulferien an ca. zwei bis drei Wochen pro Jahr.

Das beklagte Finanzamt rechnete im Rahmen der Einkommensteuer die von K in X erzielten Einkünfte seinen inländischen Einkünften hinzu- und die dort entrichtete Einkommensteuer an. Die als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend gemachten Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in X, im Wesentlichen Aufwendungen für die dortige Wohnung, hat das Finanzamt hingegen nicht berücksichtigt.

Weder der Einspruch noch die Klage zum Finanzgericht Düsseldorf1 hatten Erfolg.

Der Bundesfinanzhof hat die Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf nun aufgehoben

Das Finanzgericht Düsseldorf hat nämlich die Kosten des K für seine Unterkunft in X zu Unrecht nicht nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG und seine Aufwendungen für Fahrten von seinem Wohnort in X zu seiner ausländischen Tätigkeitsstätte zu Unrecht nur begrenzt im Rahmen des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG zum Abzug als Werbungskosten zugelassen.

K hat während des Entsendezeitraums in Y eine Wohnung beibehalten und benutzt und damit einen Wohnsitz im Inland innegehabt. Sie (K und seine Ehefrau) sind damit im Streitjahr mit ihrem Welteinkommen in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 S. 1 EStG). Zutreffend ist das Finanzamt deshalb bei der angefochtenen Einkommensteuerfestsetzung davon ausgegangen, dass die von K im Ausland erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seinen inländischen Einkünften hinzuzurechnen sind und die in X entrichtete Einkommensteuer auf die deutsche Einkommensteuer anzurechnen ist (§ 34c EStG). Denn in den Streitjahren bestand kein Doppelbesteuerungsabkommen mit X.

Bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind als Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 S. 1 EStG auch beruflich veranlasste Reisekosten abzuziehen. Hierzu zählen auch Aufwendungen für Übernachtungen anlässlich einer Auswärtstätigkeit2.

Eine Auswärtstätigkeit liegt u.a. vor, wenn der Arbeitnehmer vorübergehend außerhalb seiner Wohnung und seiner regelmäßigen Arbeitsstätte (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG) beruflich tätig wird. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs u.a. der Fall, wenn ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber für drei Jahre befristet3 oder wiederholt im Wege der „Kettenabordnung“4 an einem anderen Betriebsteil des Arbeitgebers als seinem bisherigen Tätigkeitsort eingesetzt wird. Eine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG begründet er dort dann nicht.

Der Bezug einer Unterkunft am Ort der Auswärtstätigkeit begründet keine doppelte Haushaltsführung5. Die Kosten hierfür sind deshalb in der im Streitjahr geltenden Fassung des Einkommensteuergesetzes als Übernachtungskosten in tatsächlicher Höhe abzugsfähig, wenn sie beruflich veranlasst sind; bei einer privaten Mitveranlassung sind sie nach den Grundsätzen des Großen Senats des Bundesfinanzhofs – notfalls durch Schätzung – aufzuteilen6.

Fahrtkosten eines Arbeitnehmers im Rahmen einer beruflich veranlassten Auswärtstätigkeit sind Erwerbsaufwendungen und gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 EStG in Höhe des dafür tatsächlich entstandenen Aufwands als Werbungskosten zu berücksichtigen. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG kommt insoweit nicht zur Anwendung. Denn ein Arbeitnehmer, der außerhalb einer dem Arbeitgeber zuzuordnenden Betriebsstätte oder an einer solchen nur vorübergehend und damit auswärts tätig ist, hat typischerweise nicht die Möglichkeit, seine Wegekosten gering zu halten7.

Im konkreten Fall stellt daher der Arbeitsort in X nicht die regelmäßige Arbeitsstätte des K dar; vielmehr liegt eine Auswärtstätigkeit vor.

Denn K ist von seinem inländischen Arbeitgeber zunächst für drei Jahre und mit dreimaliger Verlängerung zweieinhalb weitere Jahre zu der ausländischen Tochtergesellschaft entsandt worden. Nach Ablauf der Entsendung sollte der für die Zeit der Entsendung ruhende Arbeitsvertrag wieder aufleben und K wieder im Inland tätig werden. Aufgrund der Befristung des Auslandseinsatzes in der Entsendevereinbarung und dem Fortbestehen seines – wenn auch ruhenden – inländischen Arbeitsverhältnisses hat K an seinem Beschäftigungsort in X jedenfalls keine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG begründet. Er ist dort nicht dauerhaft, sondern vielmehr nur vorübergehend tätig gewesen.

An der vorübergehenden Natur der vorliegenden Arbeitnehmerentsendung ändert auch der Umstand nichts, dass K mit der ausländischen Tochtergesellschaft seines Arbeitgebers einen zunächst befristeten, später unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hat. Denn die (vorübergehende) Dauer seines Auslandseinsatzes ist nicht dort geregelt, sondern bestimmt sich nach den mit seinem inländischen Arbeitgeber geschlossenen Vereinbarungen; im Streitfall der Entsendungsvereinbarung. Ihr Inhalt ist vorliegend maßgeblich, wenn zu beurteilen ist, ob sich der Arbeitnehmer zu Beginn der jeweiligen Tätigkeit aus ex ante Sicht darauf hatte einrichten können, dort dauerhaft tätig zu sein, und damit, ob der Arbeitnehmer lediglich „vorübergehend“ oder von Anbeginn dauerhaft an den neuen Beschäftigungsort entsandt wurde.

Dass die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen mit der ausländischen Tochter für die Abgrenzung einer vorübergehenden von einer dauerhaften Tätigkeit ohne Aussagekraft sind, macht vorliegend nicht zuletzt der Umstand deutlich, dass K von seinem inländischen Arbeitgeber zunächst für drei Jahre entsandt worden ist, mit der ausländischen Tochter jedoch zu Beginn des Entsendungszeitraums lediglich einen auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag geschlossen hat.

Damit, so der Bundesfinanzhof, der nicht selbst abschließend entscheiden konnte, hat das Finanzgericht im zweiten Rechtsgang die Aufwendungen des K für die Fahrten von seinem Wohnort in X nach seinem dortigen Beschäftigungsort nicht nach der Entfernungspauschale, sondern nach Dienstreisegrundsätzen mit den tatsächlichen Kosten zu bemessen und als Werbungskosten zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind die Übernachtungskosten des Klägers für Übernachtungen anlässlich einer Auswärtstätigkeit dem Grunde nach als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzusetzen. Insoweit ist die Sache jedoch nicht spruchreif. Denn als Werbungskosten abzugsfähig sind diese Aufwendungen nur insoweit, als sie beruflich veranlasst sind. Soweit die Übernachtungskosten auf dem Umstand beruhen, dass der Kläger bei seiner Auswärtstätigkeit von seiner Familie begleitet worden ist, weisen die Aufwendungen keinen Erwerbsbezug auf und sind nicht abzugsfähig. Das Finanzgericht hat die geltend gemachten Übernachtungskosten deshalb nach den Grundsätzen der Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs – notfalls durch Schätzung – aufzuteilen6.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.04.2014 – VI R 11/13

  1. FG Düsseldorf, Urteil vom 14.01.2013 – 11 K 3180/11 []
  2. BFH, Urteil vom 28.03.2012 – VI R 48/11 []
  3. BFH, Urteil vom 08.08.2013 – VI R 72/12 []
  4. BFH, Urteil vom 24.09.2013 – VI R 51/12 []
  5. BFH, Urteil vom 13.06.2012 – VI R 47/11 []
  6. BFH, Beschluss des Großen Senats vom 21.09.2009 – GrS 1/06 [] []
  7. BFH, Urteil vom 08.08.2013 – VI R 59/12 []