Steuerrecht: Zahlung einer Abfindung an einen zukünftig Selbständigen

Braucht es für einen Wechsel von einer nichtselbständigen Tätigkeit zu einer selbständigen Tätigkeit keine Zusammenballung der Einkünfte?

In einem vom Finanzgericht Köln entschiedenen Fall war die die steuerliche Behandlung einer vom Kläger erzielten Abfindung streitig.

Der Kläger war bis zum 31.01.2009 als Angestellter nichtselbstständig tätig. Er erhielt für diesen Monat ein Gehalt i.H.v. 10.787 €. Außerdem erhielt er anlässlich der Beendigung seiner Beschäftigung im Januar 2009 eine Abfindung i.H.v. 43.000 €.

In den Vorjahren betrugen seine Einnahmen aus nichtselbstständiger Tätigkeit 129.687 € (in 2006), 146.247 € (in 2007) bzw. 139.834 € (in 2008). Daneben erzielte der Kläger in diesen Jahren als Rechtsanwalt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit und zwar i.H.v. -1.935 € in 2006, 3.310 € in 2007 sowie -20.195 € in 2008.

Ab Februar 2009 widmete sich der Kläger in vollem Umfang seiner selbstständigen Rechtsanwaltstätigkeit und erzielte hieraus im Streitjahr Einkünfte i.H.v. 5.100 €. Daneben erhielt er von der Bundesagentur für Arbeit einen steuerfreien Gründungszuschuss i.H.v. 2.094 € monatlich für die Zeit vom 01.02.2009 bis 31.10.2009 sowie i.H.v. 300 € monatlich für die Zeit vom 01.11.2009 bis 30.04.2010.

Der Beklagte unterwarf im Rahmen des Einkommensteuerbescheides vom 21.10.2010 die gezahlte Abfindung der Regelbesteuerung.

Der hiergegen gerichtete Einspruch war erfolglos; ebenso die Klage zum Finanzgericht Köln.

Nach Auffassung des Finanzgerichts Köln hat der Beklagte  zu Recht die Anwendung des § 34 EStG auf die vom Kläger bezogene Abfindung abgelehnt.

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG ist die auf außerordentliche Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach § 34 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 EStG (Fünftelregelung) zu berechnen. Als außerordentliche Einkünfte kommen nur die in § 34 Abs. 2 EStG aufgeführten Einkünfte in Betracht. Das bedeutet aber nicht, die – hier im Streitjahr vereinnahmte – Entschädigung (§ 24 Nr. 1 EStG) sei ohne weiteres ermäßigt zu besteuern. Vielmehr ist der Wortlaut des § 34 Abs. 2 EStG entsprechend dem Normzweck, die Auswirkungen des progressiven Tarifs abzuschwächen, auf solche Einkünfte zu beschränken, die „zusammengeballt“ zufließen. Davon ist auszugehen, wenn der Steuerpflichtige infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum einschließlich der Entschädigung insgesamt mehr erhält, als er bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, also bei normalem Ablauf der Dinge erhalten hätte1. Dabei ist es für die Erfüllung des genannten Normzwecks gleichgültig, ob der Steuerpflichtige im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine selbständige oder erneut eine nichtselbständige Tätigkeit ergreift, so dass der Streitfall keinen Sonderfall darstellt, der eine Abweichung von der angeführten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs erfordert.

Die für die Prüfung einer Zusammenballung notwendige, hypothetische und prognostische Betrachtung orientiert sich grundsätzlich an den Verhältnissen des Vorjahres, die dem Veranlagungszeitraum, in dem die Entschädigung zufließt, am nächsten liegen. Eine darauf aufbauende Vergleichsberechnung gilt aber nur für den Normalfall, in dem die Verhältnisse des Vorjahres auch diejenigen des Folgejahres mit großer Wahrscheinlichkeit abbilden. Sie gilt dann nicht, wenn die Einnahmesituation des Vorjahres durch außergewöhnliche Ereignisse geprägt ist und sich daraus keine Vorhersagen für den (unterstellten) normalen Verlauf bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ableiten lassen. So beanstandet es der Bundesfinanzhof insbesondere bei variablen Gehaltskomponenten nicht, wenn im Wege einer Prognoseentscheidung (auch) auf die Vorjahre zurückgegriffen wird1.

Im vorliegenden Fall ist es gleichgültig, ob für die Prognoseentscheidung lediglich das Vorjahr (2008) oder darüber hinaus auch die beiden davorliegenden Jahre (2006 und 2007) berücksichtigt werden. In allen drei genannten Jahren lag das Bruttogehalt des Klägers jeweils deutlich über 100.000 €. Es ist daher davon auszugehen, dass das Gehalt des Klägers bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch in 2009 eine ähnliche Höhe erreicht hätte. Tatsächlich hat der Kläger aber in 2009 einschließlich der Abfindung lediglich 53.787 € erhalten, mithin weniger und nicht mehr als er bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erhalten hätte. Es fehlt somit an der vom Bundesfinanzhof geforderten Zusammenballung von Einkünften.

Finanzgericht Köln, Urteil vom 11.04.2013 – 6 K 1129/11

(Nichtzulassungsbeschwerde: BFH -IX R 33/13-)

 

  1. BFH, Urteil vom 27.01.2010 – IX R 31/09, BStBl. II 2011, 28 [] []

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