Wenn der Arbeitgeber den Zugang einer email nicht beweisen kann …

… dann hat er Pech gehabt. Und das kann teuer werden.

In einem aktuell vom Landesarbeitsgericht Köln entschiedenen Fall stritten die Parteien um die Verpflichtung des Klägers (des Arbeitnehmers), ein ihm zur Finanzierung einer Fortbildung gewährtes Darlehen an die Beklagte (die Arbeitgeberin) zurückzuzahlen.

In dem Darlehensvertrag war geregelt, dass die Beklagte auf die Rückzahlung des Darlehens verzichtet, wenn sie aus betrieblichen Gründen dem Kläger nicht innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Fortbildung die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis anbietet.

Ob der Kläger eine E-Mail der Beklagten mit einem Beschäftigungsangebot als Anlage am letzten Tag der Frist erhalten hat, war streitig.

Die Beklage verwies auf ihr Postausgangs- und Posteingangskonto, wonach die E-Mail verschickt worden sei und sie daraufhin keine Meldung der Unzustellbarkeit bekommen habe. Laut Kläger ging eine solche E-Mail erst drei Tage später bei ihm ein.

In dem hieraufhin vereinbarten Arbeitsverhältnis begann die Beklagte, vom Gehalt des Klägers monatlich jeweils 500 Euro als Darlehensrückzahlung einzubehalten. Sie war der Ansicht, dass dem Kläger rechtzeitig ein Arbeitsplatz aufgrund der E-Mail angeboten worden sei. Die Bedingung für den Verzicht auf die Rückzahlung sei nicht eingetreten. Sie könne sich hinsichtlich des fristgerechten Zugangs der E-Mail auf den Beweis des ersten Anscheins berufen.

Das Arbeitsgericht Köln hat der Lohnzahlungsklage stattgegeben1.

Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht Köln nun zurückgewiesen.

Dies aus folgenden Gründen:

Die Beklagte behauptet, dass Schreiben als Anhang einer E-Mail am 25.10.2018 an die E-Mailadresse des Klägers versendet zu haben. Gemäß § 130 Abs. 1 BGB wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, die in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Der nach § 130 BGB maßgebliche Zugang liegt dann vor, wenn die Willenserklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gerät, dass dieser nach allgemeinen Umständen von ihr Kenntnis erlangen kann2.

Zur Darlegungs- und Beweislast des Zugangs einer E-Mail werden unterschiedliche Auffassungen vertreten.

Einerseits wird vertreten, dass dem Absender einer E-Mail der Beweis des ersten Anscheins dahingehend zur Seite stehe, dass die von ihm versandte E-Mail beim Empfänger eingegangen ist, wenn nicht eine Rücksendung als unzustellbar eingegangen ist. Dies gelte auch dann, wenn die Nachricht möglicherweise in einen Spamfilter gelangt ist. Eingegangen sei eine E-Mail beim Empfänger einer Willenserklärung, wenn sie auf dem Server des Empfängers oder seines Providers abrufbar gespeichert ist3.

Andererseits wird vertreten, dass der Zugang der E-Mail gemäß § 130 BGB vom Versender darzulegen und zu beweisen sei. Die Absendung der E-Mail begründe keinen Anscheinsbeweis für den Zugang beim Empfänger4. Dies gelte auch für ein Sendeprotokoll5.

Das LAndesarbeitsgericht schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. Ausgehend vom Gesetzeswortlaut des § 130 BGB muss die abgegebene Willenserklärung unter Abwesenden dem Empfänger zugehen. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung der Fall, wenn die Willenserklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gerät, dass dieser nach allgemeinen Umständen von ihr Kenntnis erlangen kann. Nach dem Versenden einer E-Mail wird die Nachricht auf einem Server eingehen. Dies ist jedoch nicht gewiss. Wie auch bei einfacher Post ist es technisch möglich, dass die Nachricht nicht ankommt. Das Risiko kann nicht dem Empfänger aufgebürdet werden. Der Versender wählt die Art der Übermittlung der Willenserklärung und damit das Risiko, dass die Nachricht nicht ankommt. Zudem hat der Versender die Möglichkeit, vorzubeugen. Um sicherzustellen, dass eine E-Mail den Adressaten erreicht hat, hat der Versender über die Optionsverwaltung eines E-Mail-Programms die Möglichkeit, eine Lesebestätigung anzufordern6.

In dem entschiedenen Fall ist das Landesarbeitsgericht Köln der Auffassung, dass die Beklagte den Zugang der E-Mail nebst Anlagen nicht ausreichend dargelegt habe. Sie hat die routinemäßigen Abläufe beschrieben und behauptet, dass eine E-Mail versendet worden sein soll. Dies ist nach der Darlegungs- und Beweislast nicht ausreichend.

Dass die E-Mail nicht zugegangen sein soll, hat die Beklagte mit Nichtwissen bestritten. Dies ist nicht zulässig.

Voraussetzung einer zulässigen Erklärung mit Nichtwissen ist, dass die Partei für die jeweiligen Tatsachen nicht darlegungs- und beweisbelastet ist7.

Die Beklagte hat den Zugang der E-Mail weder dargelegt, noch Beweis angeboten. Daher ist von einem Zugang des Schreibens am 27.10.2018 auszugehen.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 11.01.2022 – 4 Sa 315/21

ECLI:DE:LAGK:2022:0111.4SA315.21.00

  1. ArbG Köln, Urteil vom 11.01.2022 – 6 Ca 5660/20 []
  2. LAG Hamm, Urteil vom 23.09.2021 – 2 Sa 179/21; BAG, Urteil vom 13.06.2019 – 6 AZR 459/18, BAGE 167, 102 []
  3. AG Frankfurt, Urteil vom 23.10.2008 – 30 C 730/08-25, MMR 2009, 507 []
  4. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.08.2018 – 2 Sa 403/18; Arnold in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 130 BGB, Rn. 33 []
  5. Einsele, in: MüKo BGB, 9. Aufl. 2021, BGB § 130 Rn. 47 []
  6. BGH, Beschluss vom 17.07.2013 – I ZR 64/13 []
  7. BGH, Urteil vom 02.07.2009 – III ZZR 333/08, NJW-RR 2009, 1666; BeckOK ZPO/von Selle, 42. Ed. 1.9.2021, ZPO § 138 Rn.23; Saenger, Zivilprozessordnung, ZPO § 138 Rn. 7 []

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