Eine berufliche Qualifikation kann in dem Land, in dem sie erworben wurde, nicht durch eine so genannte Gleichwertigkeitsanerkennung im Ausland aufgewertet werden. Die Bewertung der Qualifikation richtet sich vielmehr nach nationalem Recht, so das Hessische Landessozialgericht in einer aktuellen Entscheidung.
Es ging in der Entscheidung um eine Österreicherin, die 1980 in Deutschland ihr Psychologiediplom erwarb. In Österreich wurde ihre Ausbildung 1983 mit einem dortigen Magisterabschluss gleichgestellt. Nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union bestätigte das österreichische Gesundheitsministerium 1995, dass die Frau neben der Berufsbezeichnung „Psychotherapeutin“ die Zusatzbezeichnung „Psychoanalyse“ führen dürfe. Dennoch genehmigte die Kassenärztlichen Vereinigung Hessen die Abrechnung von psychoanalytischen Behandlungen der Therapeutin in Deutschland nicht. Sie habe die entsprechende Fachkunde nicht nachgewiesen, so die Kassenärztliche Vereinigung.
Das Hessische Landessozialgericht bestätigte diese Rechtsauffassung. In der Europäischen Union werde vermutet, dass die Qualifikation, die zur Ausübung eines reglementierten Berufs in einem Mitgliedstaat berechtige, auch in den anderen Mitgliedstaaten ausreiche. Auf dieser Vermutung basiere die Gleichstellung beruflicher Qualifikation durch die europäischen Mitgliedstaaten. Ist jedoch eine in Deutschland absolvierte Ausbildung nach deutschem Recht für eine bestimmte Berufsausübung nicht ausreichend, so könne hieran auch eine Anerkennung durch einen anderen Mitgliedstaat nichts ändern. Andernfalls könnten die nationalen Bestimmungen zum Mindestniveau beruflicher Qualifikation umgangen werden.
Konkret führte das Gericht aus:
„Nachdem die Klägerin gegenüber dem Zulassungsausschuss den Fachkundenachweis in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie geführt hat, die Approbationsurkunde vorgelegt hat (§ 95 Abs. 10 Nr. 2 SGB V) und für die Zeit vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997 die Teilnahme an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung nachweisen konnte (§ 95 Abs. 10 Nr. 3 SGB V), muss sie gegenüber der Beklagten für die Erteilung der streitgegenständlichen Abrechnungsgenehmigung für das weitere Richtlinienverfahren analytische Psychotherapie den Fachkundenachweis gem. § 95 c Satz 2 Nr. 3 SGB V führen, § 16 Abs. 2 Satz 2 PTV i. V. m. § 95 Abs. 10 Nr. 1 SGB V.
Gemäß § 95 c Satz 2 Nr. 3 SGB V (in der maßgeblichen, bis 31.12.2003 geltenden Fassung des Art. 2 Nr. 12 des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16. Juni 1998 [BGBl I, S. 1311]) setzt der Fachkundenachweis für den nach § 12 PsychThG approbierten Psychotherapeuten voraus, dass er die für eine Approbation geforderte Qualifikation, Weiterbildung oder Behandlungsstunden, Behandlungsfälle und die theoretische Ausbildung in einem durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V anerkannten Behandlungsverfahren nachweist. Neben einer bestandenen Abschlussprüfung im Studiengang Psychologie an einer Universität oder einer gleichstehenden Hochschule (§ 12 Abs. 3 Satz 1 PsychThG) ist gemäß § 12 Abs. 3 Satz 3 PsychThG Voraussetzung für die Erteilung der Approbation der Nachweis, dass der Psychologe bis zum 31.12.1998 mindestens 2.000 Stunden psychotherapeutischer Berufstätigkeit abgeleistet oder 30 dokumentierte Behandlungsfälle abgeschlossen (Nr. 1), mindestens fünf Behandlungsfälle unter Supervision mit insgesamt mindestens 250 Behandlungsstunden abgeschlossen (Nr. 2), mindestens 280 Stunden theoretischer Ausbildung in wissenschaftlich anerkannten Verfahren abgeleistet hat (Nr. 3) und am 24. Juni 1997 für die Krankenkasse tätig war oder seine Leistungen zu diesem Zeitpunkt von einem Unternehmen der privaten Krankenversicherung vergütet oder von der Beihilfe als beihilfefähig anerkannt worden sind (Nr. 4).
Die Klägerin hat zunächst das Studium der Psychologie an einer Universität ausweislich des Prüfungszeugnisses über die Diplom-Hauptprüfung für Psychologen der KR.-Universität, A-Stadt vom 22. Februar 1980, erfolgreich abgeschlossen. Den erforderlichen Fachkundenachweis für das maßgebliche Verfahren der analytischen Psychotherapie hat sie jedoch nicht erbracht. Dabei kann offen bleiben, ob sie die berufspraktischen Voraussetzungen gem. § 12 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1, 2, und 4 PsychThG erfüllt, denn jedenfalls ist die Ableistung von mindestens 280 Stunden theoretischer Ausbildung in diesem Verfahren durch eine postgraduale Weiterbildung (vgl. BSG Urteil vom 31. August 2005 – B 6 KA 68/04 R – Leitsatz) nicht nachgewiesen.
Zum Beleg der erforderlichen theoretischen Ausbildung ist zunächst die von der Klägerin am 14. Januar 1995 abgeschlossene Weiterbildung bei der AGPP nicht geeignet. Zwar ist nach der Rechtsprechung des BSG für den gemäß § 95 c SGB V erforderlichen Fachkundenachweis nicht erheblich, dass es sich bei der AGPP nicht um eine von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung anerkannte Institution handelte, sondern es reicht aus, dass die Weiterbildung der Form und dem Inhalt nach den Anforderungen genügt hat, die bis zum 31. Dezember 1998 an eine den Kriterien der Psychotherapie-Vereinbarung entsprechende Ausbildung zu stellen waren (hierzu im Einzelnen BSG, Beschluss vom 28. April 2004 – B 6 KA 110/03 B -). Gerade diesen Kriterien entsprach die Weiterbildung bei der AGPP jedoch nicht. Dies ergibt sich zum einen aus der Stellungnahme des die Beklagte beratenden Arbeitskreises/Psychotherapie vom 18. Februar 2002, dessen Sachverständiger Herr K. anhand der eingereichten Unterlagen keine Weiterbildung in der analytischen Psychotherapie feststellen konnte. Die Weiterbildung bei der AGPP sei eine klinisch-psychologische Ausbildung, die zwar auf psychoanalytischer Theorievermittlung basiere, aber vom Ansatz her schon keine analytische Ausbildung. Ebenso äußerte sich der frühere Leiter der AGPP, Prof. Dr. R., in einem Schreiben vom 7. April 2002. Nach dessen Beurteilung hat die Klägerin keine der analytischen Psychotherapie gleichzusetzende Qualifikation erworben. Dies überzeugt insbesondere deshalb, weil Prof. Dr. R. angab, die fehlende Anerkennung der AGPP durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung sei darauf zurück zu führen, dass eine Ausbildung nur in der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie stattgefunden habe, nicht aber gleichzeitig in der analytischen Psychotherapie. Demgegenüber ist nicht nachvollziehbar – da auch auf mehrfache Nachfrage durch die Beklagte im Vorverfahren inhaltlich in keiner Weise begründet – wie das Institut für Psychotherapie und Psychoanalyse N. zu der in seinem Schreiben vom 10. Dezember 1998 geäußerten Auffassung gelangte, die Qualifikation der Klägerin entspreche einer „Vollausbildung“.
Soweit die Klägerin auf eine von ihr vorgelegte Weiterbildungsordnung der AGPP vom 26. April 1982 verweist, die psychoanalytische Ausbildungsteile enthält und nach Abschnitt IV Nr. 8 bei erfolgreichem Abschluss der Weiterbildung zur Zertifizierung in Klinischer Psychologie und psychoanalytischer Psychotherapie führte, spricht dies nur vordergründig für eine Weiterbildung der Klägerin in der analytischen Psychotherapie. Denn es ergibt sich aus der Weiterbildungsordnung selbst – naturgemäß – nicht, dass die Klägerin eine dementsprechende Weiterbildung auch erfolgreich abgeschlossen hat. Gegen diese Annahme spricht aber bereits, dass nach der vorgelegten Weiterbildungsordnung zwar ein Zertifikat in Klinischer Psychologie und psychoanalytischer Psychotherapie erteilt werden sollte, die Klägerin jedoch lediglich ein Zertifikat in Klinischer Psychologie und Psychotherapie der AGPP vom 14. Januar 1995 vorgelegt hat, in dem also gerade der Hinweis auf das Verfahren der Psychoanalyse fehlt. Der Umstand dagegen, dass auch auf der Bescheinigung der Weiterbildungsleistungen der AGPP vom 14. Januar 1995 psychoanalytische Ausbildungsbestandteile (Einführung in die Psychoanalyse, Psychoanalytische Entwicklungspsychologie I und II) erwähnt werden, lässt sich zwanglos auf die – auch vom Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie nach § 11 PsychThG in seiner Stellungnahme zur Psychodynamischen Psychotherapie (DÄ 2005, S. 45 f) bestätigte – gemeinsame theoretische Basis der tiefenpsychologisch fundierten und der psychoanalytischen Psychotherapie zurückführen. Wie viele Theoriestunden in diesen psychoanalytischen Ausbildungsbestandteilen von der Klägerin abgeleistet wurden, lässt sich den vorgelegten Bescheinigungen darüber hinaus auch nicht entnehmen.
Nachdem auch das T. Psychoanalytische Institut e. V. in seinem Schreiben vom 12. März 2002 keine Ausbildung der Klägerin zur Psychoanalytikerin bestätigt hat, ist die erforderliche postgraduale Ausbildung im Verfahren der psychoanalytischen Psychotherapie nicht nachgewiesen.
Auch das von der Klägerin vorgelegte Schreiben des Österreichischen Bundesministeriums für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 14. Juli 1995 ist zum Nachweis der erforderlichen Fachkunde nicht geeignet. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der – zwischenzeitlich außer Kraft getretenen – Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung des Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (Amtsblatt Nr. L 019 vom 24.01.1989 S. 16 ff.) bzw. Richtlinie 92/51/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48/EWG (Amtsblatt Nr. L 209 vom 24. Juli 1992, S. 25 ff.). Diese Richtlinien sind in Deutschland durch § 2 Abs. 1 PsychThG in innerstaatliches Recht umgesetzt. Geregelt ist insoweit jedoch nur der Zugang zum Beruf des Psychologischen Psychotherapeuten im Sinne einer Befugnis zur Berufsausübung (Approbation), nicht jedoch der – hier streitgegenständliche – Zugang zum Vergütungssystem der Vertragsärzte und -psychotherapeuten, weshalb für den erkennenden Senat zu prüfen war, ob die Klägerin Rechte unmittelbar aus den Richtlinien ableiten kann.
Zunächst kann – im Unterschied zu dem vom BSG mit Urteil vom 5. Februar 2003 (B 6 KA 42/02 R – SozR 4-2500 § 95 Nr. 4) entschiedenen Fall – aufgrund der vom österreichischen Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 14. Juli 1995 erteilte Aufnahme in die österreichische Psychotherapeutenliste, mit der die Berechtigung der Klägerin zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie in Österreich einhergeht, sowie der Berechtigung zum Führen der Zusatzbezeichnung „Psychoanalyse“ ein EU-rechtlicher Auslandsbezug bestehen. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH steht es der Geltung der Richtlinie nicht entgegen, wenn es um die Anerkennung eines beruflichen Befähigungsnachweises aus einem Mitgliedstaat geht, für den die berufliche Qualifikation aufgrund einer nur im Aufnahmestaat erfolgten Ausbildung erworben wurde (EuGH, Urteil vom 23. Oktober 2008 – Rs. C-286/06). Aus Art. 1 der Richtlinie ergibt sich nämlich ausdrücklich, dass es ausreicht, wenn die Ausbildung „überwiegend in der Gemeinschaft“ absolviert wurde, was sowohl eine Ausbildung abdeckt, die in vollem Umfang in dem Mitgliedstaat erworben wurde, der den betreffenden Ausbildungsnachweis ausgestellt hat, als auch eine teilweise oder in vollem Umfang in einem anderen Mitgliedstaat erworbene Ausbildung (EuGH a.a.O., Rdnr. 63, zur Richtlinie 89/48/EWG).
Im Ergebnis kann die Anerkennung der von der Klägerin in Deutschland absolvierten beruflichen Qualifikation in Österreich zur Überzeugung des erkennenden Senats nicht durch erneute Gleichwertigkeitsanerkennung zum begehrten Zugang zur Abrechnungsberechtigung führen, da deren Voraussetzungen nach deutschem Recht nicht gegeben sind.
Es kann dabei offen bleiben, ob es sich bei dem Schreiben des Österreichischen Bundesministeriums für Gesundheit und Konsumentenschutz, mit dem die Klägerin gemäß § 17 i. V. m. § 12 des Österreichischen Psychotherapiegesetzes (ÖPthG) unter Anrechnung ihrer in Deutschland absolvierten Aus- und Fortbildungszeiten (vgl. § 12 Nr. 1 ÖPthG) in die Psychotherapeutenliste eingetragen wurde und damit gemäß § 26 Abs. 4 ÖPthG zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie berechtigt ist, um ein Hochschuldiplom im Sinne der Richtlinie 89/48/EWG oder um einen beruflichen Befähigungsnachweis i. S. d. Richtlinie 92/59/EWG handelt. Hieran bestehen Zweifel, denn der Bescheid der österreichischen Behörde wurde nicht nach einer Ausbildung (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 23. Oktober 2008 – Rs. C-286/06 – Leitsatz) sondern als Ergebnis einer Anerkennungsentscheidung erteilt. Eine Anerkennungssituation im Sinne der Richtlinien ist aber bereits deshalb nicht gegeben, weil Deutschland vorliegend nicht Aufnahmestaat im Sinne von Art. 1 Buchstabe b) der Richtlinie 89/48/EWG bzw. Art. 1 Buchstabe d) der Richtlinie 92/59/EWG ist. Unter „Aufnahmestaat“ ist der Mitgliedstaat zu verstehen, in dem ein Angehöriger eines Mitgliedstaats die Ausübung eines Berufes beantragt, der dort reglementiert ist, in dem er jedoch nicht das Diplom oder den beruflichen Befähigungsnachweis, auf das/den er sich beruft, erworben oder erstmals den betreffenden Beruf ausgeübt hat. Nachdem die Klägerin ihre berufliche Qualifikation in Deutschland erworben hat, ist Deutschland nicht „Aufnahmestaat“ im Sinne der Richtlinien. Es ist damit auch nicht Adressat der sich aus den EU-rechtlichen Regelungen ergebenden Pflicht zur Anerkennung in Mitgliedstaaten erworbener beruflicher Qualifikationen. Dies Ergebnis findet seine Bestätigung auch in Art. 1 Richtlinie 2005/36/EG (Amtsblatt L 255 vom 30. September 2005 S. 22 ff. – mit dieser Richtlinie wurden die Richtlinien 89/48/EWG und 92/51/EWG zusammengefasst und aufgehoben), nach dem zwischen Aufnahme- und Herkunftsmitgliedstaat unterschieden wird. Dabei ist Herkunftsmitgliedstaat derjenige Staat, in dessen Hoheitsgebiet die Berufsqualifikation erworben wurde (hierzu auch Haage, MedR 2008, 70, 71), bezogen auf den vorliegenden Fall ist Herkunftsmitgliedstaat Deutschland.
Nichts anderes ergibt sich unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Richtlinien. Es kommt für die Entscheidung über die Geltung der Richtlinien zwar maßgeblich darauf an, ob der Antragsteller befugt ist, einen reglementierten Beruf in einem Mitgliedstaat auszuüben. Nach der mit der Richtlinie geschaffenen Regelung wird ein Diplom nicht aufgrund des Wertes anerkannt, der der damit bescheinigten Ausbildung innewohnt, sondern weil es in dem Mitgliedstaat, in dem es ausgestellt oder anerkannt worden ist, den Zugang zu einem reglementierten Beruf eröffnet. Die in der Richtlinie vorgesehene allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome beruht nämlich auf dem gegenseitigen Vertrauen, das die Mitgliedstaaten den von ihnen gewährten beruflichen Qualifikationen entgegenbringen. Die Regelung stellt im Kern eine Vermutung auf, wonach die Qualifikation eines Antragstellers, der zur Ausübung eines reglementierten Berufs in einem Mitgliedstaat befugt ist, für die Ausübung desselben Berufs in den anderen Mitgliedstaaten ausreicht (EuGH, Urteil vom 23. Oktober 2008 – Rs. C-286/06 – Rdnr. 64, 65). Diese Vermutung der Gleichwertigkeit ist jedoch – wie bereits aus den Regelungen der Richtlinien selbst folgt – nicht unwiderleglich. So ergibt sich aus dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 92/51/EWG wie auch aus den Erwägungsgründen der Richtlinie 89/48/EWG, dass der Aufnahmestaat unter Berücksichtigung der im anderen Mitgliedstaat erworbenen Qualifikationen zu beurteilen hat, ob sie den von ihm geforderten (nationalen) Qualifikationen entsprechen. Beide Richtlinien sehen so genannte Ausgleichsmaßnahmen in Gestalt von Anpassungslehrgängen oder Eignungsprüfungen (vgl. z. B. Art. 4 Richtlinie 89/48/EWG; Art. 7 Richtlinie 92/51/EWG) bis hin zur Anwendung des nationalen Rechts (Art. 9 Richtlinie 92/51/EWG) vor. Wenn bereits nach dem in Deutschland geltenden Recht feststeht, dass die hier erworbene Qualifikation für den Zugang der reglementierten Tätigkeit nicht ausreicht, können allein wegen der erfolgten Gleichwertigkeitsanerkennung in Österreich die aufgrund dieser Anerkennung erteilten beruflichen Befähigungsnachweise durch eine erneute Gleichwertigkeitsanerkennung nicht zum Zugang zu dieser Tätigkeit führen. Dies würde zu einer Umgehung der nationalen Zugangsvoraussetzungen führen. Insofern dürfen nicht nur Angehörige eines Mitgliedstaates nicht versuchen, sich der Anwendung ihres nationalen Rechts durch die durch Gemeinschaftsrecht geschaffenen Erleichterungen zu entziehen (so der EuGH für die Fälle des Missbrauchs, vgl. Urteil vom 23. Oktober 2008 – Rs. C-286/06 – Rdnr. 69 m. w. N.), sondern auch Angehörige eines anderen Mitgliedstaats der Anwendung des nationalen Rechts eines Mitgliedstaats, den sie – entsprechend der ihnen der aus dem EU-Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten – für ihre berufliche Ausbildung gewählt haben. Primäre Intention der Richtlinien ist die Beseitigung von Hindernissen für den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten durch die Schaffung von Möglichkeiten einen Beruf in einem anderem Mitgliedstaat auszuüben als dem, in dem die berufliche Qualifikation erworben wurde. Deshalb können die Mitgliedstaaten nicht verlangen, dass ein Angehöriger eines Mitgliedstaats eine Qualifikation erwirbt, die er bereits in einem anderen Mitgliedstaat erworben hat. Den Mitgliedstaaten wird aber ausdrücklich das Recht eingeräumt, das Mindestniveau der für die Berufsausübung erforderlichen Qualifikation mit dem Ziel zu bestimmen, die Qualität der Leistungserbringung in ihrem Hoheitsgebiet zu sichern, soweit die EU nicht selbst ein Mindestniveau festgelegt hat (vgl. Erwägungsgründe 1 und 2 der Richtlinie 92/51/EWG). Dieses Recht würde unterlaufen, könnte man die nationalstaatlich geregelten Mindestvoraussetzungen für den Zugang zu einer Berufstätigkeit in der beschriebenen Weise durch mehrfache Gleichwertigkeitsanerkennung umgehen. Dass dies nicht Intention des Richtliniengebers war zeigt auch der 3. Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/36/EG, nach dem diese Richtlinie Personen, die ihre Berufsqualifikationen in einem Mitgliedstaat erworben haben, Garantien hinsichtlich des Zugangs zu demselben Beruf und seiner Ausübung in einem anderen Mitgliedstaat unter denselben Voraussetzungen wie Inländern gibt. Die Richtlinie schließt jedoch ausdrücklich nicht aus, „dass der Migrant nicht diskriminierende Ausübungsvoraussetzungen, die dieser Mitgliedstaat vorschreibt, erfüllen muss…“ (3. Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/36/EG).
Nachdem die Richtlinie 2005/36/EG lediglich zu einer Konsolidierung der bereits bestehenden Rechtslage führte, ergibt sich nunmehr die vom Senat vorgenommene Auslegung europäischen Rechts aus der Richtlinie selbst, so dass eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung gem. Art. 234 EG nicht erforderlich ist.“
Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 03. Februar 2010 – L 4 KA 6/07 (Die Revision wurde nicht zugelassen)