Das fragwürdige Verständnis der Deutschen Polizeigewerkschaft vom Rechtsstaat

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, ist ständig in der Presse und äussert sich zu allen Themen.

Nun ist er aber endgültig über das Ziel hinausgeschossen (und zeigt ein seltsames Verständnis von einem Rechtsstaat). Und zwar dermassen, dass Bundesrechtsanwaltskammer und Deutscher Anwaltverein gemeinsam einen öffentlichen Brief verfasst haben, den wir nachfolgend wiedergeben:

„Sehr geehrter Herr Wendt,

gegenüber der Bild-Zeitung äußerten Sie sich am 22.09.2016 zur Situation von abgelehnten Asylbewerbern.

Dort führten Sie aus:
„Es gibt eine regelrechte Abschiebeverhinderungsindustrie. Findige Anwälte und Organisationen wie Pro Asyl verhindern die rechtmäßige Rückführung abgelehnter Asylbewerber systematisch. (…) Das muss sich dringend ändern.“

In dem vom Nachrichtensender N24 am selben Tag veröffentlichten Kurzinterview zum Thema bekräftigten Sie Ihre Ansicht mit den Worten, es gäbe „viele Anwaltskanzleien, die sich sehr darauf spezialisiert haben, diesen Zeitraum (zwischen Ablehnung des Asylantrags und Abschiebung, Anm. d. Verf.) möglichst lang zu gestalten, damit die Menschen im Ergebnis hierbleiben können.“

Ihrem in Ihren Worten enthaltenen Vorwurf, Teile der Anwaltschaft und
Hilfsorganisationen für Asylsuchende würden systematisch unrechtmäßig Abschiebungen verhindern, treten wir entschieden entgegen.
Es ist die gesellschaftliche Aufgabe der Anwaltschaft, für eine faire und
rechtsstaatliche Behandlung der Bürger einzutreten.
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nehmen legitime Rechte ihrer Mandanten wahr, wenn sie im Fall der Ablehnung eines Asylantrages die Vertretung übernehmen und helfen, dass diese momentan nicht abgeschoben werden. Das Einlegen von Rechtsmitteln gegen behördliche und gerichtliche Entscheidungen ist in Deutschland zum Glück rechtsstaatlich verankert. Nur weil Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte beauftragt wurden, Rechtsmittel einzulegen, konnte der Bundesgerichtshof zahlreiche Entscheidungen der Amtsgerichte in Abschiebehaftsachen, die rechtswidrig waren, überprüfen und korrigieren.
Jeder Rechtssuchende, auch derjenige ohne Bleiberecht, hat Anspruch auf anwaltliche Vertretung. Der Zugang zum Recht, den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sichern, darf weder von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Einzelnen noch von seinem Aufenthaltsstatus abhängig sein. Dies ist ein Fundamentalgrundsatz des Rechtsstaatsprinzips. Die Anwaltschaft gewährleistet die
Teilhabe des Bürgers am Recht und damit der Verwirklichung des Rechtsstaats. Sie trägt dazu bei, die Akzeptanz der Rechtsordnung zu erhöhen. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe als illegitime Verhinderungsstrategie gegen Ausweisungen darzustellen, ist sachlich falsch und dient nicht der notwendigen Debatte um die Frage, wie mit der Tatsache großer Asylbewerberzahlen umgegangen werden kann.
Wir würden es sehr begrüßen, wenn Sie bei zukünftigen Äußerungen in Bezug auf die Anwaltschaft anerkennen würden, dass die Anwaltschaft die Verantwortung dafür trägt, dass jedermann Zugang zum Recht hat – und dass hoheitliche Entscheidungen im Bereich des Asylverfahrensrechts wie jede anderen mit unserer Hilfe überprüft
und erforderlichenfalls korrigiert werden können. Wir nehmen diese Verantwortung gerne wahr.“1

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Wie kann man den Ruf der Polizei eigentlich noch mehr ruinieren?

  1. offener-brief-brak-und-dav-an-wendt-23-09-2016 []

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