Kann ein Prokurist die Änderung der Geschäftsadresse im Handelsregister beantragen?

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat diese Frage verneint; die Prokura umfasse nicht die Vertretungsmacht zur Anmeldung der Änderung der Geschäftsanschrift beim Handelsregister – es sei denn, der Prokurist könne eine Vollmacht nach § 12 Abs. 1 S. 2 HGB vorweisen.

In dem entschiedenen Fall handelte es sich bei der Beschwerdeführerin um eine seit 1993 im Handelsregister eingetragene GmbH mit Sitz in H. Ihr Prokurist beantragte unter Beifügung einer notariellen Unterschriftsbeglaubigung, im Handelsregister einzutragen, dass die inländische Geschäftsanschrift der Gesellschaft V-Straße 14 in H. lautet.

Mit einer Zwischenverfügung rügte das Amtsgericht, dass es dem Prokuristen an der Befugnis zur Vornahme von Handelsregisteranmeldungen für das Unternehmen seines Prinzipals fehle. Die Änderung der Geschäftsanschrift müsse entweder von den Geschäftsführern in vertretungsberechtigter Zahl (§ 78 GmbHG) oder unter Einreichung einer entsprechenden Vollmacht (§ 12 Abs. 1 S. 2 HGB) erfolgen. Bei der Änderung der inländischen Geschäftsanschrift handle es sich um ein Grundlagengeschäft. Zum Schutze der Gläubiger müsse die postalische Erreichbarkeit gewährleistet sein, deshalb genüge die Anmeldung durch einen einzelvertretungsberechtigten Prokuristen nicht.

Gegen diese Zwischenverfügung legte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein. Sie macht geltend, dass die Prokura die Befugnis zur Anmeldung der Geschäftsadresse beim Registergericht umfasse. Letzteres sei kein Grundlagengeschäft im Sinne des § 49 Abs. 1 HGB.

Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat das Amtsgericht Mannheim mit seiner Zwischenverfügung zu Recht die Prokura als unzureichend für die Anmeldung der Änderung der Geschäftsanschrift gerügt.

Gemäß § 8 Abs. 4 Nr. 1 GmbHG hat der Geschäftsführer die Geschäftsanschrift der GmbH zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Ändert sich die Geschäftsanschrift wie hier später, folgt die Pflicht zur Anmeldung aus § 31 Abs. 1 HGB. Die Form der Anmeldung und deren formelle Voraussetzungen richten sich nach § 12 HGB. Aus § 12 Abs. 1 S. 2 HGB, §§ 10, 378 FamFG folgt, dass grundsätzlich die Anmeldung zum Handelsregister durch einen Bevollmächtigten möglich ist1. Entscheidend ist, dass die Vertretungsmacht derartige Handlungen erfasst2.

Die Prokura umfasst aber nicht die Vertretungsmacht zur Anmeldung der Änderung der Geschäftsanschrift beim Handelsregister.

Allerdings kann die hinreichende Vertretungsmacht des Prokuristen hier nicht unter Hinweis darauf verneint werden, dass es sich bei der Anmeldung um eine höchstpersönliche Erklärung handelt, die nur durch den oder die Geschäftsführer persönlich erfolgen kann. Aus dem auch für Anmeldungen nach § 31 Abs. 1 HGB maßgeblichen § 78 GmbHG ergeben sich derartige Einschränkungen der Stellvertretung nur für den Fall, dass ausdrücklich die Vertretung der Gesellschaft durch sämtliche Geschäftsführer angeordnet wird3. Dies ist bei der Anmeldung einer Änderung der Geschäftsanschrift nicht gegeben.

Ebenso wenig sind Anmeldungen zum Handelsregister generell von der Vertretungsmacht des Prokuristen ausgenommen oder per se Grundlagengeschäfte4.

Für die Frage, ob die Prokura nach § 49 Abs. 1 HGB zur vorliegenden Rechtshandlung ermächtigt ist allein entscheidend, ob der materielle Vorgang eine Grundlagenentscheidung darstellt4. Dies ist vorliegend der Fall.

Der Umfang einer wirksam erteilten Prokura umfasst alle Arten gerichtlicher und außergerichtlicher Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt (§ 49 Abs. 1 HGB). Sie bezieht sich nicht auf Rechtshandlungen, die Grundlagengeschäfte darstellen, d.h. auf Geschäfte, die sich auf die rechtliche Grundlage des kaufmännischen Unternehmens beziehen; sie ist eine Vertretungsmacht für Verkehrsgeschäfte und umfasst damit nicht das Organisationsrecht des Unternehmens.

Soweit das Amtsgericht in seiner Zwischenverfügung einen Zusammenhang zwischen der Vertretungsmacht des Prokuristen und der notwendigen Zuverlässigkeit der angegebenen Geschäftsaderesse andeutet, ist dies allerdings nicht von Bedeutung. Der Bundesgerichtshof hat insoweit ausgeführt, dass der Gesichtspunkt der inhaltlichen Richtigkeit einer Anmeldung für die Frage der Vertretungsmacht des Prokuristen nicht maßgebend ist, weil Anmeldungen gemäß § 12 HGB auch aufgrund einer allgemeinen Anmeldevollmacht erfolgen können4.

Zutreffend hebt das Amtsgericht nach Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe jedoch darauf ab, dass die im Register geführte Geschäftsanschrift für die Gesellschaft von weitreichender organisatorischer Bedeutung ist und ihre Anmeldung daher ein Grundlagengeschäft betrifft.

Gemäß § 35 Abs. 2 S. 3 GmbHG können an die Vertreter der Gesellschaft (§ 35 Abs. 1 S. 1 und 2 GmbHG) unter der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift Willenserklärungen abgegeben und Schriftstücke für die Gesellschaft zugestellt werden. Damit wird die unwiderlegliche Vermutung begründet, dass die Vertreter der Gesellschaft die Möglichkeit zur Kenntnisnahme haben. Damit soll verhindert werden, dass unseriöse Gesellschafter/Geschäftsführer die Zustellung durch eine ständige Verlegung der Anschrift oder ähnliche Maßnahmen erschweren. Dabei kann es dahinstehen, ob diese Rechtswirkungen selbst dann eintreten, wenn die eingetragene Geschäftsanschrift falsch oder inzwischen aufgegeben ist. Im Hinblick auf die Bedeutung dieser Festlegung für die Gesellschaft als solche liegt ein Grundlagengeschäft vor. Dies gilt umso mehr, als die inländische Geschäftsadresse nach § 8 Abs. 4 Nr. 1 GmbHG willkürlich gewählt werden kann und ein Zusammenhang mit dem Stammsitz nicht erforderlich ist, so dass der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift neben dem Sitz der Gesellschaft eine eigenständige Bedeutung zukommt. Die Geschäftsanschrift hat mithin keine so untergeordnete Bedeutung, als dass ihre Anmeldung beim Handelsregister als Geschäft des laufenden Betriebs eines Handelsgewerbes anzusehen wäre5. Ob ein Wechsel der Geschäftsanschrift – wie es das Kammergericht ausführt – „in der modernen Geschäftswelt von flexiblen Klein- und Mittelunternehmen z. B. in der IT-Branche durchaus häufiger anzutreffen“ ist, bedarf nach Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe keiner abschließenden Entscheidung. Auch wenn dies zutreffen sollte, hat doch die Entscheidung, unter welcher Anschrift die Geschäfte tatsächlich betrieben werden, für den Rechtsverkehr keine geringere praktische Bedeutung als der satzungsmäßige Sitz, für dessen Verlegung sogar ein Beschluss der Gesellschafterversammlung über eine Satzungsänderung erforderlich wäre. Auch bei häufiger erforderlichen Veränderungen der Geschäftsanschrift kann es daher den in erster Linie zur Leitung der Gesellschaft berufenen Geschäftsführern angesonnen werden, diese selbst zum Handelsregister anzumelden.

Vorliegend besteht folglich keine Ausnahme von dem Grundsatz, dass es sich bei Anmeldungen des Prokuristen zum Handelsregister betreffend das eigene Unternehmen in der Regel um Grundlagengeschäfte handelt und mithin die Vertretungsmacht des Prokuristen hierfür nicht ausreicht.

OLG Karlsruhe, Beschluß vom 07.08.2014 – 11 Wx 17/14

  1. Oetker/Preuß, HGB, 3. Aufl. § 12 Rn. 37; MünchKomm-HGB/Krafka, 3. Aufl. § 12 Rn. 25 []
  2. Oetker/Preuß, HGB, 3. Aufl. § 12 Rn. 37 []
  3. MünchKomm-HGB/Krafka, 3. Aufl. § 12 Rn. 32 []
  4. BGH, Beschluß vom 02.12.1991 – II ZB 13/91 [] [] []
  5. so aber KG, Beschluß vom 20.09.2013 – 12 W 40/13 []

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