Die Rückzahlung von Stammkapital und das Teilabzugsverbot

Der Bundesfinanzhof hat über die Frage entschieden, ob, wenn bei der Liquidation einer Kapitalgesellschaft ein Teil des Stammkapitals in Form von Liquidationsraten an den Anteilseigner i.S. von § 17 Abs. 1, Abs. 4 EStG zurückgezahlt wird, Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c EStG) und Teilabzugsverbot (§ 3c Abs. 2 EStG) auch im Verlustfall anzuwenden sind.

In dem konkreten Fall war streitig, ob ein Auflösungsverlust nach § 17 EStG in voller Höhe oder nur zu 60 % abzugsfähig ist.

Die Klägerin war an einer GmbH mit einer Stammeinlage in Höhe von 8.500 EUR (= 33,33 %) beteiligt. Am 14.12.2009 wurde die Auflösung der GmbH mit Wirkung zum Ablauf des 15.12.2009 beschlossen. Am 29.12.2009 erfolgte die Auskehrung des sich noch im Gesellschaftsvermögen der GmbH i.L. befindlichen Teils des Stammkapitals in Höhe von 9.456,14 EUR. An die mit einem Drittel beteiligte Klägerin wurde ein Betrag in Höhe von 3.138,71 EUR ausgezahlt. Weitere Zahlungen in Form von Dividenden, Ausschüttungen oder sonstigen Rückzahlungen aus dem Stammkapital der Gesellschaft hatte die Klägerin nicht erhalten.

Die Klägerin machte in ihrer Einkommensteuererklärung 2009 den ihr entstandenen Verlust in Höhe von 5.362 EUR (Rückzahlung des Stammkapitals in Höhe von 3.138,71 EUR abzüglich der geleisteten Stammeinlage als Anschaffungskosten in Höhe von 8.500 EUR) in vollem Umfang geltend. Das beklagte Finanzamt wandte unter Hinweis auf die erfolgte Rückzahlung des Stammkapitals das Teileinkünfteverfahren an und ermittelte einen Verlust nach § 17 Abs. 4 EStG in Höhe von (5.362 EUR x 60 % =) 3.217 EUR.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren dagegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Der Bundesfinanzhof hat nun auch die Revision gegen diese Entscheidung zurückgewiesen.

Gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer – wie im Streitfall die Klägerin – innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war. Nach § 17 Abs. 4 S. 1 EStG gilt als Veräußerung i.S. des § 17 Abs. 1 S. 1 EStG auch die Auflösung einer Kapitalgesellschaft. Als Veräußerungspreis ist nach Satz 2 der Vorschrift der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft anzusehen. Dazu gehört auch die (anteilige) Rückzahlung des Stammkapitals. Denn diese geht als Bemessungsgrundlage in die Ermittlung des Auflösungsgewinns oder -verlusts ein.

Nach diesen Maßstäben ist das Finanzgericht zutreffend von 3.138,71 EUR als Veräußerungspreis ausgegangen, denn in Höhe dieses Betrages wurde an die Klägerin Vermögen der Gesellschaft zurückgezahlt. Diesem Veräußerungspreis standen unstreitig Anschaffungskosten von 8.500 EUR gegenüber.

Das Finanzgericht hat den ausgekehrten Betrag als Veräußerungspreis und die Anschaffungskosten zutreffend jeweils zu 60 % der Besteuerung nach § 17 Abs. 2 EStG unterworfen.

Gemäß § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c S. 1 EStG sind 40 % des Veräußerungspreises oder des gemeinen Werts i.S. von § 17 Abs. 2 EStG steuerfrei. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift in den Fällen des § 17 Abs. 4 EStG entsprechend. Die hiermit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Aufwendungen sind nur zu 60 % abzuziehen; denn nach § 3c Abs. 2 S. 1 EStG dürfen Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zu 60 % abgezogen werden. Entsprechendes gilt, wenn bei der Ermittlung der Einkünfte der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils am Betriebsvermögen oder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der an deren Stelle tretende Wert mindernd zu berücksichtigen sind. Bei steuerfreien Einnahmen soll kein doppelter steuerlicher Vorteil durch den zusätzlichen Abzug von unmittelbar mit diesen zusammenhängenden Aufwendungen erzielt werden. Fallen keine Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen an, kommt eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 EStG nicht in Betracht. Folgerichtig tritt die nach § 3c Abs. 2 S. 1 EStG maßgebende Bedingung dafür, entsprechenden Aufwand nur zu 60 % zu berücksichtigen, nicht ein. Denn dieser steht nicht –wie dies § 3c Abs. 2 S. 1 EStG schon dem Wortlaut nach für die 40 %-ige Kürzung verlangt– in wirtschaftlichem Zusammenhang mit lediglich zu 60 % anzusetzenden Einnahmen. Fließen keine Einnahmen zu, ist § 3c Abs. 2 S. 1 EStG nicht anwendbar und der Erwerbsaufwand ist in vollem Umfang abziehbar. Dies entspricht dem Gesetzeszweck des Teilabzugsverbots, eine Doppelbegünstigung auszuschließen1.

Werden bei der Liquidation i.S. von § 17 Abs. 4 EStG indes Einnahmen erzielt, sind Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c EStG) und Teilabzugsverbot (§ 3c Abs. 2 EStG) anzuwenden. Denn nach § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c S. 2 EStG ist § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c S. 1 EStG entsprechend in den Fällen des § 17 Abs. 4 EStG anzuwenden. § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c S. 1 EStG findet daher auch auf die Auskehrung von Stammkapital im Rahmen einer Liquidation nach § 17 Abs. 4 EStG Anwendung2. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach es nach § 3c Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 EStG allein darauf ankommt, ob Einnahmen anfallen und der Abzug von Anschaffungskosten nur dann nicht nach § 3c Abs. 2 S. 1 EStG begrenzt ist, wenn der Steuerpflichtige keinerlei durch seine Beteiligung vermittelte Einnahmen erzielt hat ()vgl. für den Fall des § 17 Abs. 4 EStG: BFH, Beschluss vom 18.03.2010 – IX B 227/09)). Die mit der Auskehrung des Liquidationserlöses in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Aufwendungen sind dementsprechend ebenfalls nur zu 60 % abzuziehen.

Dies entspricht sowohl dem Sinn und Zweck von § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c S. 1 und 2 EStG als von § 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG, Auflösung und Liquidation eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft steuerlich einer Veräußerung gleich zu stellen. Nach § 17 Abs. 4 S. 1 EStG gilt als Veräußerung i.S. des § 17 Abs. 1 S. 1 EStG auch die Auflösung einer Kapitalgesellschaft. Als Veräußerungspreis ist nach Satz 2 der Vorschrift der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft anzusehen. Dazu gehört auch die (anteilige) Rückzahlung des Stammkapitals. So wie § 17 Abs. 4 S. 1 EStG die Liquidation der Veräußerung des Anteils i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gleichstellt (vgl. dazu Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 17 Rz 210, 235), gilt dies auch für das Verhältnis von § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c S. 1 zu § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c S. 2 EStG. Auch im Rahmen der Anwendung des Teileinkünfteverfahrens sind Anteilsveräußerung und Liquidation gleich zu behandeln.

Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass Rückzahlungen aus dem steuerlichen Einlagekonto entsprechend § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG sowie Rückzahlungen des Nennkapitals nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 letzter Halbsatz EStG außerhalb einer Liquidation bei den Einkünften aus Kapitalvermögen als nicht steuerbar gelten, und sie beim ausschließlichen Zufluss derartiger Einnahmen im Rahmen einer Liquidation daraus eine Nichtanwendung von § 3c Abs. 2 S. 1 EStG herleiten, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn nach den insoweit bindenden Feststellungen des Finanzgerichts (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) war die an die Klägerin geleistete Liquidationsrate nicht aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG erfolgt, sondern aus dem Stammkapital. Zu den Liquidationserlösen gehören nicht nur Sachzuwendungen, sondern auch Geldzuwendungen als zurückgezahltes Vermögen der Gesellschaft. Folglich sind auch Kapitalrückzahlungen aus dem Stammkapital Liquidationserlöse i.S. des § 17 Abs. 4 EStG, die den Anschaffungskosten gegenüberzustellen und nach § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c S. 2 EStG teilweise steuerpflichtig sind.

Werden bei der Auflösung und Liquidation i.S. von § 17 Abs. 4 EStG Einnahmen erzielt, sind Teileinkünfteverfahren und Teilabzugsverbot (§ 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c, § 3c Abs. 2 EStG) auch im Verlustfall anzuwenden1.

Mit dieser Entscheidung setzt sich der Bundesfinanzhof auch nicht in Widerspruch zu seiner Entscheidung vom 19.02.20133. Zum einen geht es im hier zu entscheidenden Fall um die Rückzahlung von Stammkapital im Rahmen einer Liquidation und nicht um die Ausschüttung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto außerhalb einer Liquidation, die sich erfolgsneutral lediglich auf die Anschaffungskosten der Beteiligung auswirkt. Zum anderen ist im Fall der Liquidation einer Beteiligung i.S. des § 17 Abs. 1 EStG der Auflösungsverlust steuerbar, auch wenn die Liquidation deshalb zu einem negativen Ergebnis führt, weil die Zuteilung oder Rückzahlung des Vermögens der Kapitalgesellschaft die Anschaffungskosten in Gestalt des Stammkapitals nicht übersteigt. Anders verhält es sich bei dem Ersatztatbestand der Zurückzahlung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG (§ 17 Abs. 4 S. 1 EStG). Hier bilden die Anschaffungskosten Erwerbsaufwendungen nur, soweit die Zurückzahlung die Anschaffungskosten übersteigt. Der übersteigende Teil des Rückzahlungsbetrags allein ist steuerbare Einnahme und zu 60 % steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn i.S. von § 17 Abs. 4 S. 2 und Abs. 2 i.V.m. § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c EStG3.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.05.2014 – IX R 19/13

  1. BFH, Urteile vom 14.07.2009 – IX R 8/09; vom 06.04.2011 – IX R 40/10; vom 07.02.2012 – IX R 1/11 [] []
  2. Niedersächsisches FG, Urteil vom 19.05.2011 – 11 K 496/10 []
  3. BFH, Urteil vom 19.02.2013 – IX R 24/12 [] []

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