Der Hundehalter muss für die Einhaltung behördlicher Auflagen (auch) durch Dritte sorgen

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem einer Hundehalterin Auflagen erteilt worden waren, die von einem den Hund ausführenden – angeblich immer zuverlässigen – Dritten jedoch nicht eingehalten wurden, woraufhin die Behörde der Halterin strengere Auflagen erteilt hat, was selbige wiederum nicht einsehen wollte.

Die Klägerin ist Halterin eines ca. 40 kg schweren und ca. 50 cm großen, gechipten und „T“ gerufenen Labrador/Belgischer Schäferhund-Mix-Rüden.

Nach einem Beißvorfall vom 12.04.2011 und einer mit Ordnungsverfügung vom 23.05.2011 angeordneten amtstierärztlichen Begutachtung vom 18.07.2012 gab das Ordnungsamt der Beklagten mit bestandskräftiger Ordnungsverfügung vom 25.07.2012 zu Ziffer 1 auf,

dass T außerhalb befriedeten Besitztums an einer kurzen, reißfesten Leine (Maximallänge 1,50 m) zu führen sei.

Zu Ziffer 2 wurde ihr aufgegeben,

sicher zu stellen, dass T nur von Aufsichtspersonen ausgeführt wird, die in der Lage sind, den Hund in jeder Situation zu beherrschen.

Bei Nichtbeachtung dieser Verfügung wurde ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 800,‑ Euro angedroht.

Am 10.02.2013 führte der sich vor Ort „N“ nennende Zeuge H den Hund der Klägerin unangeleint aus. Hierbei biss T den Jack‑Russel‑Terrier des Zeugen E in den Kopf. Diesen Vorfall nahm das Ordnungsamt der Beklagten zum Anlass, mit Verfügung vom 18.02.2013 wegen Verletzung der Anleinpflicht gegen die Klägerin das in der Ordnungsverfügung vom 25.07.2012 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 800,‑ Euro festzusetzen.

Mit weiterer Ordnungsverfügung ebenfalls vom 18.02.2013 ordnete das Ordnungsamt zu Ziffer 1 an,

dass T ein das Beißen verhindernder Maulkorb oder eine in der Wirkung gleichstehende Vorrichtung anzulegen sei,

ordnete zu Ziffer 2

die sofortige Vollziehung an

und

drohte zu Ziffer 3 die Sicherstellung des Hundes gemäß § 12 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 55 und 66 ff VwVG NRW an für den Fall zukünftiger Nichtbeachtung des bereits festgesetzten Leinenzwangs und des Maulkorbzwangs.

Am 01.03.2013 hat die Klägerin gegen beide Ordnungsverfügungen Klage erhoben.

Sie trägt vor, am Schadenstag habe ihr Schwager, der Zeuge H, ihren Hund ausgeführt, während sie geschlafen habe. Herr H sei bereits zu einem früheren Zeitpunkt von ihr über den Leinenzwang und den Umgang mit dem Hund informiert worden. Warum der sonst immer zuverlässige Herr H den Hund von der Leine gelassen habe, sei ihr eben so wenig bekannt wie warum Herr H einen falschen Namen angegeben habe.

Die Klage hatte beim Verwaltungsgericht Düsseldorf keinen Erfolg.

Ermächtigungsgrundlage der Festsetzung des Zwangsgeldes ist § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW in Verbindung mit der Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 800,‑ Euro in der bestandskräftigen Ordnungsverfügung vom 25.07.2012.

Einer Anhörung der Klägerin bedurfte es vor dem Erlass der Festsetzung nicht, da es sich bei der Festsetzung eines Zwangsgeldes um eine Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung i.S.d. § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NRW handelt.

Die Festsetzung ist hinreichend bestimmt. Dass es im Text der Festsetzung in einem Klammerzusatz „in Worten: eintausend“ heißt, ist ein offensichtlicher und damit auch nach den verschärften Maßstäben des Verwaltungsvollstreckungsrechts unschädlicher Irrtum. Die richtige Bezugsgröße (800,‑ Euro) wird nämlich in Zahlen genannt und im weiteren Text der Ordnungsverfügung wiederholt, weshalb der zu vollstreckende Betrag aus der Festsetzung selbst heraus zweifelsfrei erkennbar ist.

Die Festsetzung ist in vollem Umfang rechtmäßig, weil am 10.02.2013 sowohl gegen Ziffer 1 als auch gegen Ziffer 2 der Ordnungsverfügung vom 25.07.2012 verstoßen worden ist. Die Ordnungsverfügung vom 25.07.2012 begründet zwei selbständige Rechtspflichten der Klägerin, nämlich dass T nur angeleint (Ziffer 1) und nur von Aufsichtspersonen auszuführen ist, die in der Lage sind, den Hund in jeder Situation zu beherrschen (Ziffer 2). Bei einem Verstoß wird ein einheitliches Zwangsgeld angedroht. Werden beide Plichten durch eine Handlung/Unterlassen verletzt, ist das Zwangsgeld in gesamter Höhe von 800,‑ Euro ein Mal verwirkt. Am 10.02.2013 ist gegen beide Pflichten aus der Ordnungsverfügung vom 25.07.2013 verstoßen worden. Jeder Verstoß gegen Ziffer 1 der Ordnungsverfügung bedingt denklogisch immer gleichzeitig auch einen Verstoß gegen Ziffer 2. Weil der Hund nicht angeleint war, war eine Situation eingetreten, in der die den Hund ausführende Person nicht in der Lage war, diesen zu beherrschen. Die Klägerin entlastet es nicht, dass ihr Hund durch einen Dritten ausgeführt wurde. Sie sie ist Adressatin der Ordnungsverfügung vom 25.07.2012 für die Einhaltung der dortigen Pflichten auch dann verantwortlich, wenn der Hund durch Dritte ausgeführt wird. Ob der Zeuge H in der Vergangenheit zuverlässig war, kann dahin stehen, weil die zivilrechtliche Exkulpation des Auftraggebers für den Verrichtungsgehilfen nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB im Bereich des Ordnungsrechts mangels Regelungslücke nicht anwendbar ist. Abgesehen davon ist der Zeuge H auch nicht zuverlässig, weil er gegenüber dem Geschädigten einen falschen Namen angegeben hat.

Ermächtigungsgrundlage der Anordnung eines Maulkorbzwangs für T ist § 12 Abs. 1 LHundG NRW. Danach kann die zuständige Behörde die notwendigen Anordnungen treffen, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere Verstöße gegen Vorschriften dieses Gesetzes, abzuwehren.

Der Maulkorbzwang ist von erheblichen Verfahrensfehlern frei. Der vormalige Mangel der Ordnungsverfügung in Gestalt des Unterlassens einer nach § 28 Abs. 1 VwVfG NRW gebotenen Anhörung ist geheilt (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW). Die Beklagte hat die das Vorbringen der Klägerin in Gestalt der Klagebegründung im gerichtlichen Verfahren zur Kenntnis genommen und als eine Änderung des Bescheides nicht veranlassend gewürdigt. Wenn man Schriftwechsel im gerichtlichen Verfahren als generell ungeeignet für die Heilung eines Anhörungsmangels ansähe, könnte der Mangel die Aufhebung des Bescheides nicht rechtfertigen. Wie noch darzulegen ist hat der Mangel die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst, vgl. § 46 VwVfG NRW.

Der Maulkorbzwang ist materiell rechtmäßig. Von T geht die Gefahr aus, dass er andere Hunde grundlos, insbesondere ohne angegriffen worden zu sein, beißt. Diese Gefahr hat sich bereits zwei Mal spontan verwirklicht, das erste Mal am 12.04.2011 und das zweite Mal am 10.02.2013, und ist deshalb gegenwärtig. Es ist jederzeit im Sinne von täglich mit neuen Angriffen von T auf kleinere Hunde zu rechnen. Erneute Angriffe können durch den Maulkorbzwang nicht verhindert werden. Der Maulkorbzwang gewährleistet jedoch, dass die angegriffenen Hunde weniger schwer verletzt werden. Daher ist der Maulkorbzwang verhältnismäßig im Sinne des § 15 OBG NRW. Ein milderes, aber ebenso geeignetes Mittel ist nicht ersichtlich. Die Anordnung eines Maulkorbzwangs bei jedem Ausführen von T ist zur Vermeidung von Gefahren für Menschen und Sachen, insbesondere anderen Hunden, nach den konkreten Umständen des Einzelfalls auch keine Ermessensentscheidung, sondern zwingend. Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Wertung in § 5 Abs. 2 Satz 3 LHundG NRW. Nach dieser Vorschrift ist gefährlichen Hunde ein das Beißen verhindernder Maulkorb oder eine in der Wirkung gleichstehende Verrichtung anzulegen. T ist ein im Einzelfall gefährlicher Hund i.S.d. § 3 Abs. 3 LHundG NRW. Gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 5 LHundG NRW ist ein Hund im Einzelfall gefährlich, wenn er einen anderen Hund durch Biss verletzt hat, ohne selbst angegriffen worden zu sein. T hat bereits zwei Mal grundlos andere Hunde gebissen. Deshalb handelt es sich bei T auch ohne förmliche Feststellung durch die zuständige Behörde materiell um einen im Einzelfall gefährlichen Hund. Bei zutreffender Handhabung hätte der nach dem ersten Beißvorfall angeordnete Maulkorbzwang zu keiner Zeit aufgehoben werden dürfen, auch dann nicht, wenn die Begutachtung des Hundes keine Anhaltspunkte für eine Bissigkeit oder eine anormale Aggressivität ergeben hätte. Denn anders als für der Rasse nach gefährliche Hunde im Sinne des § 3 Abs. 2 LHundG NRW sieht das Gesetz für im Einzelfall gefährliche Hunde gemäß § 3 Abs. 3 LHundG NRW keine Verhaltensprüfung zum Nachweis dessen vor, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht zu befürchten ist, § 5 Abs. 3 LHundG NRW. Letztere haben ihre Gefährlichkeit bereits durch tatsächliches Fehlverhalten gezeigt1.

Die Anordnung der Sicherstellung ist als Maßnahme zur Vollstreckung von Verstößen gegen den Leinen‑ und Maulkorbzwang auf der Grundlage der in der Klageerwiderung benannten Vorschriften, die die Beklagte bei unverändertem Tenor der Regelung bis zur mündlichen Verhandlung austauschen darf, rechtmäßig. Hinter die durch die §§ 15 Abs. 1 LHundG NRW, 24 Nr. 13 OBG NRW, 43 PolG NRW eröffnete Möglichkeit der Sicherstellung tritt die allgemeine hunderechtliche Generalklausel zurück2,  wie die Beklagte mit der Erwiderung zutreffend erkannt hat. Das unangeleinte oder maulkorblose Ausführen von T stellt wegen dessen Unberechenbarkeit insbesondere beim Zusammentreffen mit kleineren Hunden eine gegenwärtige Gefahr im Sinne von § 43 Nr. 1 PolG NRW dar. Die angedrohte Sicherstellung ist verhältnismäßig, wobei sich die Prüfung des Gerichts darauf zu beschränken hat, ob die Beklagte ihr Ermessen erkannt und am Zweck der Vorschrift ausgeübt hat, § 114 VwGO. Dies ist zu bejahen. Vorliegend kommen überhaupt nur die Zwangsmittel Zwangsgeld oder Sicherstellung in Betracht. Der Klägerin ist aber mit einem Zwangsgeld schon deshalb nicht mehr wirksam zu drohen, weil sie am 26.03.2011 die eidesstattliche Versicherung geleistet hat. Auf ein am 11.05.2011 im Zusammenhang mit der Haltung von T verhängtes Bußgeld in Höhe von 323,50 Euro hat sie bisher nur 100,‑ Euro gezahlt. Ungeachtet dessen stimmt das Gericht mit der Klageerwiderung darin überein, dass angesichts der völligen Einsichtsfreiheit der Klägerin in die ihr als Hundehalterin obliegenden Pflichten, die durch den Verwaltungsvorgang dokumentiert ist, bei erneuten Verstößen gegen den Leinen‑ oder Maulkorbzwang die Sicherstellung von T zum Schutze der Allgemeinheit vor den von diesem ausgehenden Gefahren alternativlos ist.

Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 10.06.2013 – 18 K 2798/13

  1. OVG NW, Beschluss vom 20.04.2012 ‑ 5 B 1305/11 []
  2. OVG NW, Beschluss vom 30.10.2012 ‑ 5 B 669/12 []

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