Zivilprozesskosten in Familiensachen ausserhalb des Zwangsverbunds in der Einkommensteuer

Der Bundesfinanzhof hat seine (neuere) Rechtsprechung (wir hatten u.a. hier, hier und hier berichtet) bestätigt, wonach die Kosten für einen Zivilprozess im familienrechtlichen Bereich nicht als aussergewöhnliche Belastungen anzuerkennen sind, wenn die Sache nicht zum Zwangsverbund gehört.

In dem entschiedenen Fall wurde die Ehe des Klägers mit seiner Ehefrau im Jahr 2000 rechtskräftig geschieden. Der Kläger und seine Ehefrau waren gemeinsame Eigentümer eines Zweifamilienhauses.

Das Amtsgericht verurteilte die Ehefrau, an den Kläger bestimmte Kosten der Immobilie, die nach Auszug der gemeinsamen Kinder entstanden waren, zu zahlen. Gegen dieses Urteil legte die Ehefrau Berufung beim Oberlandesgericht ein. In der mündlichen Verhandlung im Jahr 2010 schlossen die Parteien einen Vergleich insbesondere hinsichtlich der Nutzungsentschädigung, der Darlehensverbindlichkeiten und der Übernahme des Miteigentumsanteils des Klägers durch seine (ehemalige) Ehefrau.

Die Anwaltsgebühren für dieses Verfahren in Höhe von 6.251,56 EUR bezahlte der Kläger im Jahr 2010 und machte sie im Rahmen des Einspruchsverfahrens als aussergewöhnliche Belastungen in seiner Einkommensteuererklärung geltend.

Mit Änderungsbescheid berücksichtigte das beklagte Finanzamt antragsgemäß Unterhaltsleistungen des Klägers an seine geschiedene Ehefrau, nicht jedoch die geltend gemachten Anwaltskosten.

Der hiergegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht Münster im Hinblick auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12.05.20111 statt2.

Die Revision des Finanzamtes hiergegen hatte beim Bundesfinanzhof nun Erfolg.

Das Finanzgericht Münster hat nämlich zu Unrecht die vom Kläger aufgewandten Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd berücksichtigt.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind3.

Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit4. Solche Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war. Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Allgemeinen bei einem Zivilprozess. Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen.

Dagegen nahm der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 12.05.20115 die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Diese Auffassung hat auch das Finanzgericht Münster dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegt.

Der Bundesfinanzhof hält an seiner in dem Urteil vom 12.05.20115 vertretenen Auffassung allerdings nicht mehr fest. Wie er in seinem Urteil vom 18.06.20156 entschieden hat, kehrt er unter Aufgabe seiner in dem Urteil vom 12.05.20115 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung des Bundesfinanzhof zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18.06.20156 Bezug genommen.

Nach diesen Maßstäben ist auch im Streitfall zu prüfen, ob die geltend gemachten Kosten für die zivilprozessuale Auseinandersetzung als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind. Zivilprozesskosten sind demnach nur insoweit abziehbar, als der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, kann der Steuerpflichtige auch bei unsicheren Erfolgsaussichten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen, sodass die Prozesskosten zwangsläufig im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen.

Das Finanzgericht Münster ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung hat daher keinen Bestand.

Der Bundesfinanzhof konnte aufgrund der vom Finanzgericht Münster getroffenen tatsächlichen Feststellungen in der Sache selbst entscheiden. Die vom Kläger getragenen Anwaltskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd zu berücksichtigen.

Der Bundesfinanzhof führt für die bis einschließlich 2012 geltende Fassung des § 33 EStG die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von durch Ehescheidungsverfahren entstandenen Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen fort7. Danach sind zwar die mit dem Gerichtsverfahren verbundenen Kosten für die Scheidung und den Versorgungsausgleich als zwangsläufig entstanden anzusehen und dementsprechend als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Aber Kosten für außerhalb des so genannten Zwangsverbunds durch das Familiengericht oder außergerichtlich im Zusammenhang mit der Ehescheidung getroffene Regelungen werden nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt. Das gilt unabhängig davon, ob für die Scheidungsfolgesachen noch § 623 Abs. 1 ZPO a.F. anzuwenden ist oder schon § 137 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Weiter kommt es auch nicht darauf an, ob ein Ehegatte die Kosten auslösende Aufnahme von Scheidungsfolgesachen in den Scheidungsverbund beantragt hatte und diese insoweit zwingend im Verbund zu entscheiden waren. Denn auch insoweit gelten die Kosten für den mit dem Verfahren überzogenen Ehegatten nicht als unvermeidbar8.

Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber den früheren Eheleuten Inhalt und Verfahren der Regelung ihrer Verhältnisse im Wesentlichen in gleicher Weise zur eigenverantwortlichen Gestaltung übertragen hat wie in bestehender Ehe oder im Falle nichtehelicher Familienbeziehungen9.

Die vom Kläger hier geltend gemachten Anwaltskosten im Zusammenhang mit dem Berufungsverfahren vor dem 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts betrafen Aufwendungen, die durch die zunächst im gemeinsamen Eigentum der früheren Eheleute stehenden Immobilie entstanden waren. Es handelte sich mithin nicht um Scheidungsfolgesachen, die im Zwangsverbund (Versorgungsausgleich nach § 623 Abs. 1 Satz 3 ZPO a.F.) zu entscheiden waren.

Die Anwaltskosten betrafen auch keine Rechtsstreitigkeiten, die existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührten.

Zwar mag der Ausgang der betreffenden zivilrechtlichen Auseinandersetzungen für den Kläger von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung gewesen sein. Er lief indes nicht Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte er sich nicht auf einen Prozess eingelassen. Insbesondere stellt auch die Stellung als Miteigentümer einer Immobilie kein existenzielles Bedürfnis dar, und zwar auch dann nicht, wenn sie zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Es handelte sich insoweit nicht um nicht disponible, notwendige Aufwendungen für den Lebensunterhalt, der atypisch ist und außerhalb der normalen Lebensführung liegt. Nichts anderes gilt für Prozesskosten zur Abwehr von entsprechenden Ansprüchen10.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.06.2016 – VI R 25/14

  1. BFH, Urteil vom 12.05.2011 – VI R 42/10 []
  2. FG Münster, Urteil vom 20.03.2014 – 5 K 1147/12 E []
  3. ständige Rechtsprechung, BFH, Urteile vom 29.09.1989 – III R 129/86; vom 26.06.2014 – VI R 51/13 []
  4. BFH, Urteile vom 22.08.1958 – VI 148/57 U; vom 18.07.1986 – III R 178/80; vom 09.05.1996 – III R 224/94; vom 04.12.2001 – III R 31/00; vom 18.03.2004 – III R 24/03; vom 27.08.2008 – III R 50/06 []
  5. BFH, Urteil vom 12.05.2011 – VI R 42/10 [] [] []
  6. BFH, Urteil vom 18.06.2015 – VI R 17/14 [] []
  7. BFH, Urteil vom 20.01.2016 – VI R 70/12 []
  8. BFH, Urteil vom 30.06.2005 – III R 27/04 []
  9. BFH, Urteil vom 30.06.2005 III R 36/03; FG München, Urteil vom 21.08.2012 – 10 K 800/10 []
  10. BFH, Urteil vom 10.03.2016 – VI R 70/14 []

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